Antikommunistische Legenden – Faschistische Propaganda gegen die Spanische Republik • Von Werner Abel

Antikommunistische Legenden
Faschistische Propaganda gegen die Spanische Republik • Von Werner Abel

Wie zuvor schon die Faschisten in Italien und in Deutschland, so versuchten auch in Spanien die reaktionären Generäle, ihre Putschpläne mit der Legende der „drohenden Machtübernahme durch die Kommunisten“ zu begründen. Diese Generäle gehörten zum aggressivsten Teil der herrschenden Klasse, die sich aus Großbourgeoisie, Finanzkapital, Latifundistas und der Mehrheit des katholischen Klerus zusammensetzte. Denen war es gelungen, die aus den Wahlen von 1931 hervorgegangene Zweite Spanische Republik zu dominieren und vor allem mit den „zwei schwarzen Jahren“ („bienio negro“, 1934/35) ein Regime zu errichten, das weder ihre Besitz- noch ihre Machtansprüche gefährdete.
Ein Grund dafür, dass das möglich wurde, lag in der Uneinigkeit und der Unreife der Arbeiterbewegung. So hatte z. B. die mächtige anarchosyndikalistische Gewerkschaft CNT (Confederación Nacional de Trabajo), weil die Anarchisten nichts von der Republik erwarteten, zur Wahlabstinenz aufgerufen. Das änderte aber nichts daran, dass viele ihrer Aktivisten in Haft gerieten.
Eine neue Situation entstand im Oktober 1934 mit dem Aufstand der asturischen Bergarbeiter. Sozialistische, kommunistische und anarchistische Arbeiter schlossen sich zu Arbeiterallianzen zusammen. Ihre Parole, die man auch später viel hören und lesen sollte, war UHP, „Uníos Hermanos Proletarios“ („Vereint Euch, proletarische Brüder!“).

Die marokkanischen „Regulares“
Auf den Aufstand reagierte die reaktionäre Staatsführung mit äußerster Brutalität und setzte die Armee, das war neu, gegen das eigene Volk ein. Ihr Befehlshaber war (siehe UZ vom 15.4.2016) ein später berühmt-berüchtigter General Francisco Franco, der, und das war ebenfalls neu in Spanien, die „Regulares“, marokkanische Söldner, und den „Tercio“, die spanische Fremdenlegion, einsetzte. Die Moros, die marokkanischen Söldner, agierten mit äußerster Brutalität. Mussten sie jetzt noch eine gewisse Rücksicht darauf nehmen, dass Spanien de jure eine Republik war, so änderte sich das später im Spanischen Krieg (1936 bis 1939) völlig. Dort machten sie keine Gefangenen und die Erinnerungsliteratur der Interbrigadisten ist voll davon, welch schrecklicher Kampfmethoden sie sich bedienten. Weder die katholische Kirche noch das gesamte „christliche Abendland“ fanden es damals kritikwürdig, dass Muslime die „Werte der europäischen Zivilisation“ verteidigten und damit den Kreuzzug des Generals Franco unterstützten.
Die deutschen Faschisten, ohne deren Unterstützung der Putsch der Generäle weder in der Vorbereitung noch in der Durchführung erfolgreich gewesen wäre, konnten in diesem Fall von General Franco lernen: Zum Beispiel wurde 1943 auf dem Balkan die SS-Division „Handschar“ aus Muslimen gegründet, die mit gleicher Brutalität wie ihre Vorgänger in Spanien nun gegen die Juden und die Jugoslawische Volksarmee vorgingen.
Aber die Sache mit dem Moros macht auch auf eine der defizitären Situationen der Spanischen Republik aufmerksam. Das Problem mit den marokkanischen Söldner hätte sich möglicherweise von selbst gelöst, wäre Spanisch-Marokko von der Repu-blik in die Unabhängigkeit entlassen worden. Dieser Schritt hätte aber das ange-spannte Verhältnis zu Frankreich noch mehr belastet, das selbst zu der Zeit, als es eine Volksfront-Regierung hatte, nicht daran dachte, Französisch-Marokko die Selbstständigkeit zu gewähren.

Veränderungen in der Armee
Die Armee hatte die „schwarzen Jahre“, die Diktatur Primo de Riveras, genutzt, um möglichst viele linke Offiziere und Soldaten zu entlassen. Dabei kam ihr eine Besonderheit der spanischen Armee zugute, und das war das Missverhältnis zwischen Offiziers- und Mannschaftsdienstgraden. 1931 gehörten der Armee 105 000 Soldaten, 632 Generäle und 21 996 Offiziere an. Also kam auf fünf Soldaten ein Offizier und ein General auf 166 Soldaten.
Natürlich waren die Offiziere und Generäle an ihren Privilegien, die ihnen auch eine exklusive Stellung in der Gesellschaft garantierten, mehr als nur interessiert. Wohl die meisten von ihnen gehörten deshalb auch der reaktionären, demokratiefeindlichen „Unión Militar Española“ (UME) an, deren republikanisches Pendant, die „Unión Militar Democrática“, nur der schwache Versuch einer Alternative war.
Die UME kann neben der katholischen Kirche und den Organisationen der radikalen
Rechten mit Fug und Recht als die Institution bezeichnet werden, die vom Antikom-munismus am meisten Gebrauch machte. Und das schon zu einer Zeit, als die KP Spaniens nur einige tausend Mitglieder hatte. Wohl gehörte die KP Spaniens dann dem Volksfront-Bündnis für die Wahlen am 16. Februar 1936 an und die Zahl ihrer Mitglieder stieg, sie war aber zunächst nicht durch Minister in der Volksfront-Regie-rung vertreten.

Legende vom „Nationalsowjet“
Während die Rechte im Ausland das Schreckgespenst der kommunistischen Gefahr in Spanien an die Wand malte, musste die Rechte in Spanien, wo die zahlenmäßige Schwäche der KP Spaniens bekannt war, anders argumentieren. Mit dem Rückgriff auf eine angeblich von Moskau gesteuerte internationale Verschwörung gegen Spanien wurde die Legende von einem drohenden „Nationalsowjet“ in Umlauf gebracht, in dem Sozialisten wie z. B. Largo Caballero, Republikaner wie der Oberstleutnant Mangada oder der kommunistische Offizier Francisco Galán „Volkskommissariate“ besetzen und eine „Rote Armee“ befehligen sollten.
Ausländische kommunistische Funktionäre wie Heinz Neumann und Bela Kun wurden als die geheimen Leiter dieser Verschwörung ausgemacht. Keinem fiel offenbar auf, dass der in Ungnade gefallene Heinz Neumann ein eher bescheidenes Dasein in einem Moskauer Verlag führte und Bela Kun in der Kommunistischen Internationale längst alle Leitungsfunktionen verloren hatte.
Diese Legende, die dann von den europäischen Faschisten ebenfalls begierig
kolportiert wurde, fiel natürlich auch in der UME auf fruchtbaren Boden. Neben den skurrilen, „dokumentarisch belegten“ Verschwörungstheorien, die dort zirkulierten, war es vor allem der antikommunistische Philosoph Mauricio Karl (d. h. Julián Mauricio Carlavilla) als Stichwortgeber, wenn er in dem Buch „Técnica del Cominternen España“ schrieb, dass die Republik die unumgängliche Voraussetzung für den Triumph des Kommunismus sei. Karl, dessen erklärte Feinde der Marxismus, das Freimaurertum und der Sadomasochismus (damit meinte er die Homosexualität) waren, forderte in allen seinen Schriften zur Zerstörung der Republik auf.
Das war nicht die Meinung eines Einzeltäters, sondern stand programmatisch für die antirepublikanische Rechte in Spanien, zu der sich die dann putschenden Generäle unzweideutig zählten.
Jeder Kenner der jüngeren Geschichte Spaniens weiß zudem, dass es innerhalb der Linken, so z. B. zwischen der KP Spaniens und den Anarchosyndikalimus, schroffe Gegensätze gab. Jeder weiß auch, dass es bei gesellschaftlichen Umbrüchen jedes Mal zu Aktionen gegen die katholische Kirche und den Klerus kam. In den 30er Jahren nahm das mitunter gewalttätige, mehr als bedenkliche Formen an, so dass sich die Kommunisten von der Brandschatzung von Kirchen und den Morden an Priestern distanzierten.
Natürlich war der Volkszorn über die Kollaboration der Kirche mit den Reichen, den Ausbeutern und den Unterdrückern, ja der religiösen Rechtfertigung des Elends, verständlich, zu rechtfertigen waren seine Explosionen nicht.
Aber Karl, seine Apologeten und die gesamte rechtsgerichtete Presse sahen auch hier hinter den Kulissen die destabilisierende Hand Moskaus und der Kommunistischen Internationale. Ja, mehr noch: Es wurde behauptet, die Kommunisten hätten die mächtige CNT unter ihre Kontrolle und Befehlsgewalt gebracht. Dabei war mit dem Sieg der Volksfront und der damit verbundenen Verkündung einer allgemeinen Amnestie für politische Gefangene und der Annahme von Kollektivierungsdekreten in Landwirtschaft wie Industrie der anarchistische Traum eines „comunismo libertario“, eines „freiheitlichen Kommunismus“, längst der nüchternen Akzeptanz der republika¬nischen Realität gewichen, der dann die CNT trotz bleibender Differenzen bis zum Ende des Bürgerkriegs zum Verbündeten der KP Spaniens werden ließ.
Mehr nicht! Und wer die Geschichte der spanischen Arbeiterbewegung kennt, dem muss die Behauptung, die KP Spaniens hätte die CNT kommandieren können, gera¬dezu grotesk vorkommen.

Propagandistische Hilfe durch Hitlerdeutschland

Aber auch Nazi-Deutschland, das stolz auf seine Behauptung war, 1933 die deut-sche Arbeiterbewegung zerschlagen und damit Deutschland vor dem Kommunismus bewahrt zu haben, meinte in Übereinstimmung mit den spanischen Rechten, dass die Spanische Republik nunmehr das Einfallstor für den Kommunismus in Europa sei. Damit sollte legitimiert werden, dass der antikommunistische auch zum antire¬publikanischen Kreuzzug geworden war.

Deutschland unterstützte die Franquisten dabei nicht nur materiell, sondern auch propagandistisch. 1937 erschien im Nibelungen-Verlag, dem Verlag der „Antikomin-tern“, dem „Gesamtverband deutscher antikommunistischer Vereinigungen“, das „Rotbuch über Spanien“, das eine gedruckte Schreckensvision und mit deutschem Antisemitismus angereicherte Phantasie des spanischen Antikommunismus war. Dieses „Rotbuch“ wurde aber nicht nur in Deutsch, sondern auch in Spanisch, Eng¬lisch und Französisch gedruckt und sollte somit international
den antirepublikanischen Putsch in Spanien rechtfertigen.
Sein Herausgeber war übrigens Dr. Eberhard Taubert, zuletzt Ministerialdirektor im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda von Joseph Goebbels und Autor des Films „Der ewige Jude“. Nach dem Krieg konnte er ab 1950 nach einem Umweg über Südamerika und Persien seine im III. Reich geübte Praxis nahezu nahtlos fortsetzen, so z. B. im „Verein für Frieden und Freiheit“, der nach Eigenver-ständnis zentralen antikommunistischen Organisation der BRD. 1958
berief ihn Franz Josef Strauß ins Referat „Psychologische Kriegsführung“ im Bun-desverteidigungsministerium. Seine Rolle bei der Durchsetzung des Antikommunis-mus als Staatsdoktrin in der Bundesrepublik dürfte unbestritten sein.

BRD: Antikommunismus in der Geschichtsschreibung
Die von der spanischen Rechten und der Antikomintern in die Welt gesetzten
antikommunistischen Legenden der Gründe für den Spanischen Bürgerkrieg be-stimmten ebenfalls für lange Zeit die offizielle Geschichtsschreibung der BRD. Für mit Spanien befasste Historiker und auch für die katholische Kirche in der BRD wa-ren die „Enthüllungen“ der damaligen Zeit noch lange unbestrittene Quellen, um den Putsch zu rechtfertigen. Für die Rechte in Spanien gilt das bis heute. Das Denkmal für die Interbrigadisten auf dem Campus der Universidad Coplutense de Madrid wurde mehrfach mit „Asesinos“ – „Mörder“ übersprüht. Sein Abriss konnte nur durch eine internationale Solidaritätskampagne verhindert werden.
Für Thomas Manns Diktum vom Antikommunismus als Torheit der Epoche kann die antikommunistisch legitimierte Zerstörung der Zweiten Spanischen Republik als eine der adäquaten Illustrationen dienen.

Werner Abel, Historiker, ist Mitglied im Verein Kämpfer und Freunde der Spanischen
Republik 1936-1939 (KFSR).

Quelle: 10 – Freitag, 10. Juni 2016 / Theorie und Geschichte / unsere zeit

Redaktion KFSR

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