Ein Buch über Mut und Hoffnungen. Von BURGA KALINOWSKI.

Titelfoto: Berliner Buchpremiere, 24. Januar 2017, v. links: Anita Kochnowski (Herausgeberin), Frank Schumann (Verleger, Karla Popp (Lektorin) in der jW-Ladengalerie, Berlin (Mitte). Foto: Gabriele Senft.

„Weil aber Hunderttausende nicht alles tun, um den Angriff des Faschismus zu brechen, so müssen die Tausende immer wieder genannt werden, denn diese sind es, die aus ihren politischen Einsichten die Konsequenzen ziehen.“

Peter Weiss, „Ästhetik des Widerstands“, Henschel-Verlag, Berlin (DDR) 1983, Seite 280

© edition ost/Robert Allertz

© edition ost/Robert Allertz

Ein Buch über Mut und Hoffnungen

Zu gern würde ich mehr über Elisabeth Bier wissen, die sich 1936 als Krankenschwester zu den Internationalen Brigaden meldete und in den 1950er Jahren ein Pionierlager in Weimar leitete. Oder über Dolores Juncosa Dolcet, die der Columna Maurin angehörte und an der Front bei  Toledo und Madrid kämpfte. Oder über die Belgierin Margaretha De Groot, die als Hilfsschwester im Hospital der Interbrigaden in Onteniente gearbeitet hat. Oder über Tatjana Iwanowa, die 1936/1937 als Übersetzerin für sowjetische Militärberater tätig war. Oder über die Jüdin Hildegard Cahn-Loner, die 1936 nach Spanien ging und im Sanitätsdienst an den Kämpfen teilnahm, später unter verschiedenen Identitäten im besetzten Frankreich im Widerstand war, denunziert wurde, in das KZ Ravensbrück kam. 1954 ist sie in der DDR gestorben. Oder über die im Taunus geborene Josepha Campalans, die mit ihrem zweiten Mann Hubert von Ranke (Moritz Bresser) in der Ausländerabteilung des PSUC und als Archivarin in der Abteilung Abwehr und Gegnerarbeit der KPD arbeitete; später lebte das Ehepaar in München. Oder über Joan Harrison, die im Sommer 1937 als OP-Schwester bei dem britischen Arzt Dr. Alex Tudo-Hart im Hospital der IB in Huerte tätig war. Oder, oder, oder …

80 Jahre ist es her, dass Freiwillige aus 54 Ländern aufbrachen, um in den Internationalen Brigaden die spanische Republik gegen Franco zu verteidigen. Die Mehrheit des spanischen Volkes hatte sich im Februar 1936 in demokratischen Wahlen für die Volksfront entschieden – gegen das Machtkartell aus Monarchie, Klerus, Militär. Fünf Monate später schlägt die Clique zurück mit einem Militärputsch, angeführt von Franco, der das Land für Jahrzehnte in eine faschistische Diktatur zwingen wird. Der militärische Kampf gegen Franco wird fast drei Jahre dauern und unter den schlecht bewaffneten Republikanern und Internationalisten viele Opfer fordern. Unter   ihnen Tausende Frauen, die als Milizionärinnen, Krankenschwestern, Kraftfahrerinnen, Ärztinnen, Dolmetscherinnen, Journalistinnen, Fotografinnen an der Front und im Hinterland im Einsatz waren. Es sind etwa 3300 Namen, die die im Verlag am Park erschienene biografische Dokumentation „Frauen und der spanische Krieg 1936–1939“ von Ingrid Schiborowski und Anita Kochnowski auflistet. Eine Datensammlung über familiäre, geografische, berufliche und politische Herkunft. Über Gründe und Motive, sich dem Kampf des spanischen Volkes gegen Franco anzuschließen. Über die späteren Lebenswege der für die Republik kämpfenden Spanierinnen sowie ihrer Kampfgefährtinnen aus der ganzen Welt. Allein diese Aufzählung macht den unglaublichen Wert der Publikation sichtbar: Im Wortsinne werden die Frauen dem Vergessen entrissen,  erhalten sie einen – ihren – Platz in der  Geschichte des 20. Jahrhunderts. So wie es im Oktober 1938 Dolores Ibárruri, La  Pasionaria, den abziehenden Interbrigadisten in Barcelona zurief: Ihr könnt stolz sein, Ihr seid die Geschichte, Ihr seid das heroische Beispiel für Solidarität und Universalität. Pathos und Tragik dieses Tages, dieser Jahre, bleiben unvergessen. Drei Jahre Kampf, Mut, Angst, Hoffnung und Leidenschaft liegen hinter den Frauen und Männern – genug für ein ganzes  Leben. Peter Weiss mahnt, sie immer wieder zu nennen, „weil sie aus ihren politischen Einsichten die Konsequenzen ziehen“. Es gilt für alle Zeiten. Gut, dass die Dokumentation daran erinnert. Oft ist es eine  halbe Seite oder etwas mehr, was die Herausgeberinnen an Informationen zusammengetragen, gefunden und ausfindig gemacht haben. Es hängt von den Quellen und den Herkunftsländern ab – so scheinen die deutschen und österreichischen Archive ergiebiger, während über viele der spanischen Frauen oft nur der Name und die Erinnerung eines Einsatzortes existiert – zwei Zeilen im Buch. Darin liegen die Grenzen der Dokumentation: Vollständigkeit ist leider nicht zu haben. Kein Vorwurf, eine bedauernde Feststellung. Wie gesagt: Zu gern wüsste ich mehr über die Frauen und ihr weiteres Leben – welche Hoffnungen erfüllten sich für sie, an welchen Fronten standen sie später und wie sahen ihre Siege aus? Was für Geschichten über Leben und Streben und Sterben würde man da erfahren! Darüber kann man nachdenken.

BURGA KALINOWSKI

Ingrid Schiborowski/Anita Kochnowski:

„Frauen und der spanische Krieg 1936 -1939 – Eine biographische Dokumentation“,

verlag im park 2016, 652 Seiten, 29,99 €, ISBN 978-3-945187-75-3.

Das Buch kann bestellt werden via: info@spanienkaempfer.de oder beim Buchhändler Ihres Vertrauens.

Quelle: ¡NO PASARÁN!, Zeitschrift des KFSR Nr.: 3-2016, Lesen, Seite 9.

 

Redaktion KFSR

Redaktion KFSR