Der Tod Hans Beimlers und die Reaktionen der KPD-Abwehr in Spanien. Von Werner Abel.

Titelfoto: Trauerzug aus der Broschüre „Madrid ehrt Hans Beimler“. Quelle: Archiv Werner Abel (AWA).

Die Redaktion dankt dem Verfasser Werner Abel für die Genehmigung der Veröffentlichung des Beitrags „Der Tod Hans Beimlers und die Reaktionen der KPD-Abwehr in Spanien“, erschienen zum ersten Mal in der Zeitung des Forschungsverbundes SED-Staat, Ausgabe 40/2016 (ZdF40/2016), Seiten 75-95.

Der Autor des Artikels ist sehr daran interessiert zu erfahren, was aus Max Gayer, dem Dolmetscher  des KPD-Reichstagsabgeordneten Hans Beimler nach seiner Freilassung im Oktober 1937 wurde. Als sensationell kann bezeichnet werden, dass der Fremdenpass [Faksimele am Ende des Beitrags] Gayers erhalten geblieben ist. Angefügt wird ebenso eine Kopie des Ersten Verhöhrs von Max Gayer nach seiner Verhaftung am 3. September 1937, geführt am 4. September 1937 in Barcelona sowie eine Erklärung Gayers zu den Umständen des Todes von Hans Beimler verfasst am 7. September 1937 in Barcelona.

Der Tod Hans Beimlers und die Reaktionen der KPD-Abwehr in Spanien

Am 1. Dezember 2016 jährte sich zum 80. Mal der Tag, an dem Hans Beimler an der Front von Madrid den Tod fand. Noch am Vorabend hatte er während einer Zusammenkunft mit Politkommissaren wie schon so oft gesagt: „Begebt Euch nicht unbedingt in Gefahr. Vorsichtig ist nicht Feigheit und Leichtsinn kein Heldentum.“[1] An diesem Nachmittag aber begab er sich allen Warnungen zum Trotz gemeinsam mit dem zukünftigen Kommandeur des Ernst-Thälmann-Bataillons der XI. Internationalen Brigade Richard Staimer und dem Kommissar des gleichen Bataillons Louis Schuster (Fritz Vehlow) in einen besonders gefährdeten, von marokkanischen Scharfschützen eingesehenen Frontabschnitt in der Nähe des zur Universität gehörenden Musterguts Palacete. Dieses Gut, gelegen am Rande des Parks Casa de Campo, war besonders heiß umkämpft und wechselte mehrmals den Besitzer. Beimler, Staimer und Schuster gingen zu Fuß, während Beimlers Fahrer Tómas Calvo Aribayos und sein Dolmetscher und ständiger Begleiter Max Gayer an einen ungefährdeten Ort zurückblieben. Die Beiden hörten nach einigen Minuten Schüsse, Staimer kam zurück und rief, Beimler sei durch einen Herzschuss gefallen und habe beim Zusammenbrechen noch „Rot Front“ gerufen. Schuster habe ihm zur Hilfe eilen wollen und sei dabei am Kopf getroffen worden. Er verstarb wenig später. Schnell kam das Gerücht auf, Beimler sei von den eigenen Leuten erschossen worden, wobei Staimer, der aus der Sowjetunion nach Spanien gekommen war, als Täter verdächtigt wurde.  Da Beimlers Fahrer ein ängstlicher, daher manipulierbarer Mensch war, blieb Max Gayer als einziger Zeuge, der zumindest in der weiteren Umgebung zugegen war, in der Beimler ums Leben kam.[2]

Weshalb sich Beimler, der weder eine militärische Funktion besaß und noch nicht einmal den Internationalen Brigaden angehörte und schon gar nicht, wie in der DDR behauptet, Kommissar aller Interbrigaden gewesen war, sich an diesen Abschnitt begab, wird nicht mehr aufzuklären sein. Für eine Inspektion hätte er sich nicht in die vorderste Linie begeben müssen, außerdem wären dann eher Front-Offiziere des bestreffenden Abschnitts für ihn Ansprechpartner und Auskunftspersonen gewesen. Sich für eine Inspektion nahezu ungedeckt in einen äußerst bedrohten Abschnitt zu begeben und sich damit der Gefahr auszusetzen, gewonnene Erkenntnisse weder nutzbringend noch effizient auswerten zu können, hat weder militärisch noch logisch einen Sinn. Um andererseits den Brigadisten dort Mut zu machen, wäre dieses ebenfalls unnötig gewesen, denn das kann man nicht machen, und das musste Beimler als Soldat des 1. Weltkriegs wissen, indem man unter Beschuss von Deckung zu Deckung springt und so bestenfalls die Möglichkeit hätte, mit einzelnen Personen oder kleinen Gruppen zu sprechen. Was also der eigentliche Sinn dieses gefährlichen Unternehmens war, und dieser Gefahr muss sich auch Beimler bewusst gewesen sein, das wird sich nicht mehr klären lassen. Natürlich, es war nicht das erste Mal, dass sich Beimler im Interesse der einfachen Freiwilligen an die Front begab. Er war beliebt, ohne Zweifel, denn er war nicht nur seit seiner Flucht aus dem KZ Dachau eine Legende, sondern sicher auch durch sein unkonventionelles Auftreten, sein Bemühen, den oft weder mit Waffen, noch mit Verpflegung ausreichend ausgestatteten Brigadisten zu helfen. Beispielhaft beschrieb das Peter Merin,[3] der Beimler bei seinen Besuchen an die Front begleitete. Immer wieder unterbrach Beimler die Fahrten, unterhielt sich mit den Kämpfern und versprach, deren Sorgen ernst zu nehmen und Abhilfe zu schaffen. Das stieß natürlich bei den militärisch Verantwortlichen auf teilweise heftige Kritik. Beimler war geradlinig, hartnäckig bis zur Sturheit und reagierte gelegentlich mit zornigen Ausbrüchen. Aber was er tat, machte er auf eigene Faust. Es ist gar nicht sicher, ob ihn die KPD tatsächlich gerne in diese Funktion nach Spanien delegiert hatte, aber sein Charisma, seine allgemeine Beliebtheit und sein entschiedenes Auftreten führten dazu, dass ihm niemand mehr diese Funktion streitig machte. Außerdem hatte die KPD kaum die Wahl, zu diesem Zeitpunkt eine Person zu finden, die diese Funktion hätte übernehmen können. Beimler hatte, als er am 4. August 1936, Wochen nach dem Putsch der Generäle gegen die 2. Republik und dem damit beginnenden Entstehen der verschiedenen antifaschistischen Milizen, nach Spanien kam, maßgeblich an der Formierung der Centuria „Thälmann“ mitgewirkt, der ersten größeren internationalen Einheit, der ca. 160 Deutsche angehörten. Aber eigentlich war er eben nur der Beauftragte der KPD für Spanien, also zuständig für alle sich dort befindlichen Mitglieder dieser Partei, und Verbindungsmann zum Zentralkomitee des PSUC (Partido Socialista Unificado de Cataluña) und des PCE (Partido Comunista de España). Seinen eigentlichen Arbeitsplatz hatte er deshalb auch im Haus des Zentralkomitees des PSUC, im Hotel „Colón“ in Barcelona. Der PSUC war am 23. Juli 1936 aus der Vereinigung des katalanischen Zweigs des PSOE (Partido Socialista Obrero Español), der Unió Socialista de Catalunya, dem Partido Comunista de Cataluña und dem Partit Catalá Proletari entstanden. Ganz fremd waren die spanischen Angelegenheiten Beimler nicht. Er hatte sich von September bis zum Frühjahr 1935 in Prag aufgehalten, dort leitete er nicht nur die illegale Grenzstellenarbeit, vermittels der Menschen, Literatur und Informationen über die deutsch-tschechische Grenze geschleust wurden. Im Dezember 1934 sollte Beimler über den linken deutschen Sozialdemokraten Siegfried Aufhäuser sondieren, ob gemeinsame Aktionen gegen den Faschismus möglich seien. Diese Sondierungen führten zu keinem Ergebnis, weil Aufhäuser betonte, dass er nicht für den SPD-Vorstand sprechen könne. Aber interessant in diesem Kontext ist wohl, dass es bei den Gesprächen auch um die Solidarität mit den nach ihrer Erhebung im Oktober 1934 verfolgten asturischen Bergarbeiter ging. Dabei wird die Sprache auch auf den sozialistischen Abgeordneten Gínes Ganga Tremiño gekommen sein, Professor an der Universität Segovia und Gastprofessor für spanische Literatur an der Prager Universität von 1928 bis 1932, den Beimler aus dieser Zeit kannte, und der im Zusammenhang mit dem Generalstreik von 1934 inhaftiert worden war. Durch die Wahlen am 16. Februar 1936 befreit, hielt sich Gínes Ganga im Mai 1936 in Prag auf, wo er auch seinen alten Freund Hans Beimler traf und ihn mit seinem Genossen Justo Martínez Amutio bekannt machte. Beide, Gínes Ganga und Martínez Amutio, gehörten dem linken, dem dem Ministerpräsidenten Largo Caballero nahestehenden Flügel des PSOE an. Martínez Amutio war beeindruckt, dass Gínes Gang und Hans Beimler schon seit fast acht Jahren befreundet waren und dass Beimler leidlich, wenn auch holprig Spanisch sprach, vor allem aber die Geschichte und Literatur Spaniens kannte. Natürlich wird die Entscheidung, dass Beimler nach Spanien geschickt wurde, seitens der KPD erst nach dem Putsch der Generäle um Sanjurjo, Franco, Mola, Godet und Queipo de Llano gefallen sein, aber mit Sicherheit werden weder Martínez Amutio noch Beimler damit gerechnet haben, dass sie sich unter ganz anderen Umständen in Spanien wiedertreffen werden.

Wenig bekannt und in der deutschsprachigen Literatur kaum thematisiert ist, dass Hans Beimler gleich nach seiner Ankunft am 4.August 1936 feststellen musste, dass es keine Institution gab, die sich mit der Abwehr von Gestapo-Agenten und, wie es im KPD-Sprachgebrauch hieß, „Provokateuren“ befasste. Allerdings hatte die KPD schon im Mai/ Juni 1936 Vorkehrungen getroffen, vor allem die deutschsprachigen Emigranten in Spanien zu kontrollieren. Dafür hatte sich angeboten, dass Hubert von Ranke, unter dem Decknamen „Moritz“ oder „Moritz Bresser“ (auf diesen Namen war sein belgischer Pass ausgestellt) Abwehrmann der Pariser KPD-Vertretung, die aus Deutschland stammende Witwe des verstorbenen Mitbegründers der Unió Socialista de Catalunya Rafael Campalans i Puig, Josepha (Seppl) Campalans, in Paris kennengelernt hatte. Der Besuch bei Josepha, seiner späteren Ehefrau, in Barcelona bot natürlich eine hervorragende Tarnung auch für von Rankes politischen Aktivitäten. Hubert von Ranke, von Haus aus Ingenieur für Flugzeugtechnik, gehörte vor seinem KPD-Eintritt dem Freikorps „Oberland“ und danach eher nationalrevolutionären Kreisen an, wurde aber durch seine erste, 1933 verstorbene Ehefrau Olga Maria von Abonyi für die KPD gewonnen. Dort wurde er von Hans Kippenberger für den geheimen AM-Apparat der KPD angeworben und gehörte unter dem Namen „Ludwig Bayer“ dem „Aufbruch“-Kreis um Richard Scheringer an. 1933 kurz von der Gestapo inhaftiert, konnte er nach seiner Freilassung emigrieren und arbeitete unter Hermann Nuding in Prag und Paris wieder für den Nachrichtenapparat der KPD. Als „Abwehrmann“ in der Abschnittsleitung West der KPD war er auch für die Überwachung der Emigranten zuständig. In der Regel kannten ihn die KPD-Genossen nur unter seinem Decknamen „Moritz“. Darüber berichtet z.B. Alfred Kantorowicz, der schrieb, dass „Moritz“ auch bei den verschiedenen Treffen parteinaher Intellektueller zugegen war.[4] Sehr viel schärfer äußerte sich Willi Münzenberg in einem Brief nach Moskau an Palmiro Togliatti, der zu dieser Zeit Sekretär des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale war. Münzenberg beklagte sich, dass „Moritz“ nicht nur seine Büros in Paris überwache, sondern auch gezielt Gerüchte über Münzenbergs Unzuverlässigkeit in Umlauf setzte.[5]

Schon vor seiner Reise nach Spanien war von Ranke auf Alfred Herz aufmerksam gemacht worden. Der 1899 geborene Herz, seit 1930 Mitglied der KPD, war 1933 in die Niederlande emigriert und hatte den KPD-Apparat in Amsterdam wegen seiner Personenkenntnisse auf sich aufmerksam gemacht. Seit 1934 lebte Herz in Spanien, war wohl auch hier ein wandelndes Personenlexikon geworden und hatte nach dem Sieg des linken Wahlbündnisses am 16. Februar 1936 wichtige Kontakte zu den republikanischen Behörden und linken Parteien. Er war also prädestiniert dafür, dass ihn von Ranke damit beauftragte, Informationen über die deutschsprachige Emigration in Spanien zu sammeln und Dossiers über sie zu erstellen.

In den unveröffentlichten „Erinnerungen. Versuch eines retrospektiven Tagebuchs“, abgeschlossen im November 1975 [6], erweckt Hubert von Ranke den Eindruck, als sei er, wenn auch in Absprache mit Willi Münzenberg und der Hilfe André Malraux´, Anfang August 1936 auf eigenen Entschluss nach Spanien gegangen. Seit April 1936 war er mehrere Male in Spanien gewesen, wobei er Auftrag und das persönliche Interesse, sich mit seiner Freundin Josepha Campalans zu treffen, hervorragend verbinden konnte. Es waren auch günstige Gelegenheiten, wichtige spanische und katalanische Politiker, so auch den Präsidenten der katalanischen Generalitat Lluís Companys, persönlich kennenzulernen. Da er nun etwa zeitgleich mit Hans Beimler ankam und kurze Zeit später als „delegado político“, einer Art politischer Kommissar, mit der wesentlich von Hans Beimler organisierten Centuria „Thälmann“ an die Huesca-Front ging, könnte angenommen werden, er sei wie viele andere als Freiwilliger nach Spanien gekommen, um die bedrohte Republik im Kampf gegen die Putschisten zu unterstützen. In der Realität schien das aber etwas anders gewesen zu sein.

Die KPD-Führung hatte für alle mit Spanien zusammenhängenden Angelegenheiten eine „Operative Leitung“ gebildet, von der namentlich bisher nur Walter Ulbricht bekannt ist. Ulbricht war selbst Anfang Dezember 1936 in Spanien, es kann sich aber nur um wenige Tage gehandelt haben, denn am 17.12. 1936 schrieb er nach seiner Rückkehr an José Diaz, den Generalsekretär der KP Spaniens, und am 18.12. an Georgi Dimitroff. Während seines Aufenthalts in Spanien sprach er auch über den Sender Barcelona und schlug Diaz vor, die deutsche Rundfunkarbeit zu intensivieren.[7] Vermutlich auch in Auswertung seiner Reise übersandte das ZK der KPD am 23. Januar 1937 mit dem Hinweis „Streng vertraulich“ einen mit „Beschlüsse und Maßnahmen der KPD in Bezug auf Spanien“ überschriebenen Bericht über seine Aktivitäten an die Komintern-Führung. In diesem Bericht heißt es unter „August 1936“: „Die Genossen Hans Beimler und Moritz arbeiten im Auftrag des ZK in Spanien auf der Linie der militärischen Organisation und politischen Bearbeitung der deutschen Antifaschisten, die inzwischen dort eingetroffen waren.“ [8] Das aber klingt schon nicht mehr nach einem freiwilligen Einsatz, wobei hier auffällt, dass von Ranke in einem Atemzug genannt wird mit Hans Beimler. Das heißt aber auch, dass ihm zu dieser Zeit  die gleiche Bedeutung beigemessen wurde wie Beimler. Oder sollte Beimler, der schon öfter mit der KPD-Führung harsche Konflikte auszutragen hatte, wie z.B. wegen der sich zuletzt in seinem Verantwortungsbereich bei der Roten Hilfe zugetragene Affäre um einen Gestapo-Spitzel, auch gleich mit kontrolliert oder überwacht werden? „Politische Bearbeitung“ bedeutet aber nicht nur die politische Indoktrination der Freiwilligen, sondern auch den Versuch herauszufinden, auf welchen politischen Positionen sie sich befinden oder ob es abweichende Meinungen gibt. Und aus diesem Grund wird sich von Ranke auch mit der Überwachung der Angehörigen der Centuria „Thälmann“ befasst haben. Ein Problem war, dass diese Kämpfer bei weitem nicht alle von der kommunistischen Partei nach Spanien geschickt worden waren oder zumindest die Erlaubnis der Partei hatten. Einige hatten schon als Emigranten in Spanien gelebt, andere waren wegen der vom 20. Bis 24. Juli 1936 geplanten Arbeiter-Olympiade in Barcelona gewesen, wieder andere, die später bei den Internationalen Brigaden „Individualisten“ genannt wurden, kamen auf eigenen Entschluss und auf den verschiedensten Wegen nach Spanien. Die Arbeiter-Olympiade, auch Gegenolympiade zu den in Berlin stattfindenden Olympischen Spielen genannt, konnte übrigens wegen dem Putsch der Generale am 19. Juli nicht stattfinden.

Die Centuria „Thälmann“ und der weitaus kleinere, von ihr aber völlig unabhängige Grupo „Thälmann“, der schon am 20.Juli von hauptsächlich deutschen und polnischen jüdischen Kommunisten gebildet worden war, konnte natürlich nicht alle Freiwilligen aufnehmen, die in immer größerer Zahl nach Spanien kamen. Inzwischen hatte auch das Zentralkomitee der KPD am 4. August 1936 aufgerufen, dass alle waffenfähigen   Antifaschisten die Spanische Republik unterstützen sollten. Am 7. August 1936 hatte das Politbüro der KPdSU beschlossen, die Komintern zu beauftragen, ein internationales Freiwilligenkorps für Spanien aufzustellen. Die Sowjetunion, die dem inzwischen auf Anregung der französischen Regierung gegründeten Nichteinmischungskomitee angehörte, hielt sich offiziell zunächst noch zurück und schickte, da Deutschland und Italien die Putschisten unter General Francisco Franco offen mit Truppen und Material unterstützten, erst im Oktober Waffen und Personal nach Spanien. Aber schon im August waren die ersten sowjetischen Militärberater und Geheimdienstoffiziere nach Spanien gekommen. Diese Geheimdienstoffiziere hatten u.a. die Aufgabe, ausländische Kommandeure der überall im republikanischen   Spanien entstandenen Milizen zu überprüfen. Die Rote Armee bereitete ihr Engagement in Spanien in einer umfassenden Aktion vor, die den Codenamen „Operation X“ bekam. Wie alle militärischen Operationen hatte auch diese ihre geheimdienstliche Dimension, wobei es der Sowjetunion in puncto Spanien bei weitem nicht nur darum ging, Waffenlieferungen, Entsendung von Spezialisten und Militärberatern sowie die Militäraufklärung nachrichtendienstlich zu sichern. Die Sowjetunion war auch bemüht durchzusetzen, dass sich die innere Entwicklung der spanischen Republik ihren außenpolitischen Interessen anpasst und sich vor allem nicht zu einer sozialen Revolution ausweitet, die den „Aufbau des Sozialismus“ in der UdSSR als einzig mögliches Vorbild für soziale Umgestaltungen in Frage stellen könnte. Alle sozialrevolutionären Initiativen sollten gebremst und zu Gunsten der Volksfrontpolitik aufgegeben werden. Wichtig wäre allein, so die sowjetische Seite, zunächst den Krieg gegen die Franquisten zu gewinnen. Unabhängig von der spanischen Regierung standen für die Durchsetzung ihrer Politik der sowjetischen Seite dafür zwei Institutionen zur Verfügung: Das NKWD und die Kommunistische Internationale.[9] Am 20. Juli 1936, also unmittelbar nach dem Putsch, stimmte das Politbüro der KPdSU dem Vorschlag zu, einen der höchsten und erfahrensten Offiziere der Auslandsabteilung des NKWD, Major Alexander Orlow (d.i. Leipa Feldbin), nach Spanien zu schicken. Orlow zur Seite stand sein Stellvertreter Leonid Kotow (d.i. Naum Eintingon), der nach Orlows späterer Flucht in die USA dessen Stelle einnehmen und 1940 bei der Ermordung Leo Trotzkis eine führende Rolle spielen sollte.

Am 15. Oktober 1936 schrieb Orlow an die NKWD-Zentrale in Moskau: „Es gibt keinen übergreifenden Staatssicherheitsdienst, da die Regierung einen solchen aus moralischen Gründen ablehnt. Jede Partei hat deshalb ihren eigenen Sicherheitsapparat geschaffen. In der gegenwärtigen Regierung sitzen auch viele ehemalige Polizisten mit ziemlich faschistoiden Anschauungen. Man akzeptiert zwar höflich unsere Hilfe, sabotiert aber gleichzeitig die für die Sicherheit des Landes unabdingbare Arbeit.“ [10] Nun kann darüber gestritten werden, ob es tatsächlich Polizisten mit „faschistoiden Anschauungen“ waren, die effiziente Geheimdienststrukturen verhinderten, oder ob es nicht eher die Bedenken der Regierung und der nichtkommunistischen Linken waren, die einen damit verbundenen Machtzuwachs des PCE und die Übernahme der aus der Sowjetunion bekannten repressiven Strukturen fürchteten. Andererseits beschrieb Orlow ein tatsächliches Phänomen der Situation in Spanien in dem ersten halben Jahr des Bürgerkriegs in Spanien: Jede Partei, aber auch Organisationen wie die anarchosyndikalistische Gewerkschaft CNT (Confederación Nacional de Trabajo) hatten ihre eigenen Dienste, die sich z.B. mit der Kontrolle der Ausländer, aber auch mit dem Schutz der eigenen Reihen befassten. Aber auch die deutschen Kommunisten meinten, und das war singulär in jener Zeit in Spanien, dass auch sie sich an diesem Krieg im Dunklen beteiligen müssten. Einen Grundstein hatte Hubert von Ranke gelegt.

1935 war der von Hans Kippenberger geleitete und als AM-Apparat bezeichnete geheime Nachrichten- und Abwehrdienst aufgelöst, Kippenberger nach Moskau beordert und dort 1937 erschossen worden. Natürlich, man brauchte Schuldige für die katastrophale Niederlage der deutschen Arbeiterbewegung im Jahre 1933 und dieser Apparat hatte sich wahrlich als nicht effizient arbeitend erwiesen, aber die Schuld lag sicher bei der Partei-Führung, deren Anordnungen auch dieser Apparat ausführen musste. Bestimmt wäre es unmöglich gewesen, eine Massenpartei mit ca. 360 000 Mitgliedern in die Illegalität zu überführen und von dort aus dann wirksam gegen die Nationalsozialisten zu kämpfen, aber es hätte wenigstens möglich sein müssen, wichtigen Funktionären das Überleben zu garantieren.

Natürlich konnte die KPD ihrem Verständnis nach weder in der Illegalität noch in der Emigration auf eine organisationseigene Institution verzichten, die die Partei einerseits schützen sollte, andererseits ihr ein offensives Wirken ermöglichte. Aus diesem Grunde wurde eine neue Abteilung „Abwehr- und Gegnerarbeit“ gegründet,[11] die recht schnell auch einen Ableger in Spanien erhalten sollte. Über die Anfänge dieser Organisation in Spanien wurden vermutlich keine schriftlichen Aufzeichnungen gemacht, denn in den ersten Wochen nach dem Putsch und dem verstärkten Ankommen der ausländischen Freiwilligen musste viel improvisiert und über mündliche Absprachen vereinbart werden. Sicher aber ist, dass die KPD-Vertreter den Aufbau der PSUC-Ausländerdienstes nutzten, um nach und nach den eigenen Abwehrapparat auf den Großteil der republikanischen Zone Spaniens auszudehnen. Alfred Herz, der wohl schon länger mit dem NKWD zusammenarbeitete[12], hatte schon bald nach den Gesprächen mit von Ranke damit begonnen, einen Informationsdienst zu organisieren und, zunächst sicher mit Hilfe seiner Frau Käthe, Akten anzulegen. Unmittelbar nach der Gründung des PSUC am 23. Juli 1936 bot er sich, angeregt und vermittelt durch den sowjetischen Agenten und Komintern-Beauftragten für den PSUC, dem Ungarn Ernö Gerö („Pedro“, „Singer“) dem Zentralkomitee dieser Partei an, um die Überprüfung der Ausländer zu übernehmen. Dort hatte Joaquín Olaso, der Leiter der Kader-Abteilung des ZK des PSUC, bereits einen Servicio Especial Antifascista del Partido gegründet. Olaso, ein enger Vertrauter von Ernö Gerö und NKWD-Agent, wurde auch das „Auge Moskaus“ genannt.[13] Alfred Herz unterstellte seinen Dienst, der den etwas hochtrabenden Namen „Servicio de la Defensa del Partido y de la República“ trug, dem Dienst Olasos. Das Unternehmen von Alfred Herz existierte allerdings nur bis Mitte November.[14] Das Zentralkomitee des PSUC hatte schon gleich nach der Gründung der Partei eine Ausländersektion gebildet, deren Aufgaben dann, als mehr und mehr Freiwillige kamen und auch betreut werden mussten, von einer Militärkommission übernommen wurde. Zu dieser Kommission gehörte auch ein Ausländer-Dienst gehörte, der hauptsächlich für die Kontrolle und Überwachung der ausländischen Freiwilligen und Emigrantenzuständig war. Das wurde von einer Investigationsabteilung durchgeführt, die sich bald nur noch „Servicio especial de extranjeros“ bzw. „Servicio especial“ nannte und nach seiner Gründung im September 1936 von dem polnischen Emigranten Szaya Kindermann geleitet wurde. Dieser hatte schon seit längerer Zeit in Barcelona unter ärmlichen Verhältnissen gelebt, die Informationen über sein Leben sind ausgesprochen spärlich.[15] gesichert allerdings ist, dass er Mitglied einer dreiköpfigen Kommission war, der außer ihm noch Hans Beimler und der italienische Kommunist Armando Fedeli angehörten. Fedeli war ebenfalls ein Vertrauter Ernö Gerös, was sich später auch dadurch bemerkbar machte, dass Fedeli, der nach dem Weggang Kindermanns diesen Servicio especial geleitet hatte, herausgezogen, Inspekteur für die Auslandsarbeit des ZK des PSUC und mit der Leitung der beim ZK des PSUC angesiedelten Schule für ausländische Kader betraut   wurde.

Hans Beimler, der nicht nur für die Aufstellung der Centuria Thälmann verantwortlich zeichnete, sondern auch für die Personalpolitik gegenüber den Ausländern, hatte wohl sehr schnell bemerken müssen, dass es für Kontrolle und Überwachung einen institutionellen Rahmen geben müsse. Das war auch der Hauptgrund für die Gründung dieser aus ihm, Fedeli und Kindermann gebildeten Kommission. Nach dem Tod Hans Beimlers übernahm dessen Funktion für kurze Zeit Ludwig Kaiser („Emil“), der sich ihr aber nicht gewachsen zeigte und zur Auslandspropaganda des PSUC abberufen wurde. Den Platz Kaisers übernahm, wiederum für kurze Zeit, Hubert von Ranke, so dass nun die Kommission, die Leitung des Servicio especial, aus Kindermann, Fedeli und von Ranke bestand. Aber auch diese Konstellation existierte nur sehr kurze Zeit, denn Szaya Kindermann wurde, sicher nicht ohne Zutun der sowjetischen Genossen, nach Valencia versetzt, wo sich seit den Kämpfen um Madrid auch die evakuierte Regierung der Republik befand. Dort soll er, auch mit Abwehrarbeiten betraut, Verhöre im Gefängnis von Valencia im ehemaligen Nonnenkloster Convento de Santa Úrsula in der Avenida Nicola No. 9, durchgeführt haben. Unter dem Decknamen „Jorge“ leitete er die sogenannte „Auswärtige Abteilung“. Sein sowjetischer „Berater“ und oft auch Partner, wenn es unter anderem um die Verhöre und Folter inhaftierter ausländische Angehörige linker antistalinistischer Parteien und Organisationen ging, war „Leo“, bei dem es sich vermutlich um den schon genannten „Leonid Kotow“ (Naum Eitingon) handelte. An die Stelle von Szaya Kindermann rückte nun die „Genn. Gelbert“, deren wahre Identität der Forschung lange Zeit unklar war. Inzwischen aber ist bekannt, dass es sich bei ihr in Wirklichkeit um Erzsébet Fazekas, der Frau Ernö Gerös handelte. Gerö hatte es in den 50er Jahren geschafft, nach dem Diktator Mátyás Rákosi der verhassteste Politiker Ungarns zu werden und der Revolution gegen das stalinistische System mächtigen Auftrieb zu geben. Die Ehe mit diesem in Spanien meist hinter den Kulissen agierenden mächtigen Mann verschaffte der „Genn. Gelbert“ sicher einen beträchtlichen Einfluss. Die Rolle, die sie nach ihrer Rückkehr aus Spanien in die Sowjetunion und vor allem im Zweiten Weltkrieg als Angehörige der Roten Armee und unter den rumänischen Kriegsgefangenen spielte, lassen den zwingenden Schluss zu, dass sie sich in Spanien wie ihr Ehemann nicht nur im Auftrag der Komintern, sondern auch des sowjetischen Geheimdiensts aufhielt. Die Kommission bestand nunmehr aus Fedeli, der „Genn. Gelbert“ und von Ranke, der in den Dokumenten dieser Kommission nur mit seinem hispanisierten Decknamen „Mauricio“ auftaucht. Als „Mauricio“ dann Mitte Mai 1937 für den katalanischen Zweig des spanischen Geheimdienstes Departamento de Información del Estado (DEDIDE) abgeworben und unter anderem für Verhöre von Ausländern im Gefängnis Puerta del Ángel eingesetzt   wurde, übernahm Karl Mewis („Fritz Arndt“) dessen Funktion in der Ausländer-Kommission des PSUC. Mewis hatte zuvor von Ranke mit dem schon genannten „Leonid“, den Vertreter von Alexander Orlow, bekannt gemacht. Mit „Leonid“, der es vermied, dann die Puerta del Ángel zu betreten, hatte sich dann „Mauricio“ immer in einem Straßen-Café getroffen, um Anweisungen und Informationen entgegenzunehmen. Glaubt man von Ranke, dann hatte er es aber schon früher gegenüber Orlow abgelehnt, für den sowjetischen Geheimdienst zu arbeiten. Auffallend allerdings ist, dass von Ranke recht ausführlich über seine Tätigkeit für den DEDIDE berichtet, auch unter dem Aspekt, diese hätte ihm die Augen hinsichtlich der stalinistischen Praktiken geöffnet, aber in seinen Erinnerungen kein Wort über den „Servicio especial“ verliert. In Erstaunen versetzen kann das allerdings nicht, denn „Mauricio“ hätte zugeben müssen, dass er von Anfang seiner Zeit in Spanien an in geheimpolizeilichen Strukturen tätig war und diese teilweise verantwortlich mit aufgebaut hatte. Ihm muss es in der Retrospektive recht gewesen sein, dass sich der öffentliche Unmut gegen den bekannteren Alfred Herz richtete. [16] In seinen „Erinnerungen“ verschweigt oder „vergisst“ von Ranke dann auch, dass er belastende Argumente gegen Alfred Herz, wie er an „Franz“ (d.i. Franz Dahlem) schrieb, von „den Freunden aus der Heimat“ erhielt. Mit „Heimat“ wurde parteiintern aber die Sowjetunion bezeichnet, „Freunde“ stand damals im Sprachgebrauch der KPD-Abwehr für die sowjetischen Agenten oder Berater. [17]

Vor von Rankes Eintritt in das Verhörpersonal des DEDIDE bestand die Ausländerkommission, soweit sich das nach den wenigen erhalten gebliebenen Akten rekonstruieren lässt, aus drei Abteilungen und zwei Nebenabteilungen: 1. Der Militärabteilung, geleitet von „Fritz“ (d.i. Karl Mewis), 2. Der Abteilung Abwehr und Gegnerarbeit, gleitet von „Mauricio“, 3. der Propagandaabteilung, geleitet von „Emil“ (d.i. Ludwig Kaiser). Die Unterabteilung „Transportkolonnen“ ist hier nicht von Interesse, eher schon die Unterabteilung „Grenzstellen“, geleitet von Willi Hello, die in der Folgezeit unter einem neuen Verantwortlichen intensiv verstärkt und ausgebaut werden sollte.

Hier soll allein die Abteilung Abwehr und Gegnerarbeit interessieren, weil diese, was eine ideale Tarnung war, die gleiche Bezeichnung führte wie der gleichnamige Abwehrapparat der KPD. Mehr noch: Als „Mauricio“ ausschied, sollte an seiner Stelle der Deutsche Ernst Zimmermann („Viggo Andersen“, „Piepel“) Leiter der Abteilung werden. Da es aber schon zuvor Kritik gegeben hatte, dass die gesamte Ausländerkommission immer mehr in deutsche Hände gerate, übernahm die „Genn. Gelbert“ die Abteilung. Am 14. Juni 1937 schrieb sie deshalb an das ZK des PSUC: „Das Personal des Dienstes setzte sich zu 80 % aus deutschen Kameraden zusammen, die seit der zweiten Novemberhälfte in ihren Händen den Servicio especial und den Grenzdienst hatten. Außerdem war die Mehrheit der Kameraden politisch nicht sehr stark, sie stammten fast alle aus der deutschen Emigration, die ihren Sitz in Barcelona, Ibiza und Tossa (del Mar, W.A.) hatte.“ [18]

Die Tendenz des Servicio especial hätte sich deshalb seit Mitte November, als „Mauricio“ Alfred Herz abgelöst hatte, komplett geändert, denn „Mauricio“ habe das Personal verstärkt, den Radius der Tätigkeit des Dienstes auf alle Ausländer und nicht nur die Freiwilligen ausgedehnt und zur gleichen Zeit den Dienst von der Partei gelöst. Trotz aller Kritiken in den dafür zuständigen Dienstbesprechungen sei alles beim alten geblieben. Eigenartigerweise wären aber auch wichtige Informationen nach außen geflossen, was dann verhindert hätte, dass Spione in Haft bleiben konnten. Aber alle diese Kritik kulminierte dann in dem Vorwurf, die deutschen Genossen wären Sektierer und würden sich ungeniert in den Archiven des Servicio especial bedienen, ohne vorher zu fragen und dann noch wichtige Unterlagen mitnehmen und diese nicht zurückbringen. [19] Diese Geschichte machte fest an dem ehemaligen Angehörigen der Centuria „Thälmann“ und danach Mitarbeiter dieses Dienstes Werner Hermelin, der vor dem Putsch auf Ibiza gelebt hatte, also zu den Emigranten gehörte, und der inzwischen in der Presseabteilung der Base Albacete beschäftigt war. Ihm wurde totales Fehlen der politischen Wachsamkeit und Verantwortungslosigkeit im höchsten Grade vorgeworfen, weil er eine sogenannte „Schwarze Liste“ weitergegeben habe, die nunmehr fehle. „Schwarze Listen“ gab es in zweierlei Form, einmal als „Liste der Verdächtigen, Provokateure, Trotzkisten usw.“ und einmal als „Abweisungs- und Ausweisungslisten“. Letztere waren natürlich wichtig für die Kontrolle der Grenzübergänge nach Frankreich, damit man unerwünschte Personen, vor denen z.B. die kommunistischen Parteien gewarnt hatten, rechtzeitig an der Einreise nach Spanien hindern konnte. Die Ausweisungslisten bezogen sich ebenfalls auf Unerwünschte, teilweise Menschen, die man nur verdächtigte, aber teilweise auch Personen, die sich so oder so schuldig gemacht hatten. Nun wäre die Episode mit der „Schwarzen Liste“ nicht erwähnenswert, hätte nicht Alfred Herz in einem Rapport an den Servicio especial darauf aufmerksam gemacht. Das war ein Schritt, der sicher   auch als Revanche dafür gedacht war, dass ihn „Mauricio“ seinerzeit aus den Dienst gedrängt hatte. Weit interessanter aber ist, wem Hermelin die Liste übergeben hatte. „Immer, wenn die Genn. Gelbert sich dafür interessierte, wo sich diese Liste befindet, erhielt sie die gleiche Antwort, dass sie sich in den Händen des Genossen Leissner befände, der sie für die Arbeit mit den Ausländern an der Front braucht. Aber auf Anfragen der Genn. Gelbert könne sich der Genosse Leissner nicht daran erinnern, diese Liste jemals bekommen zu haben.“[20]

„Fritz Leissner“ war der Deckname, den in Spanien Erich Mielke benutzte, und vermutlich war diese „Schwarze Liste“ und die Suche danach durch den „Servicio especial“ die einzige Geheimdienstaffäre, in die er in Spanien verwickelt war. Sicher, Mielke war bei seinen Kameraden wegen seinem oft arroganten Verhalten unbeliebt, aber erklärbar ist, dass einem jungen Arbeiter, der noch dazu wegen Mord gesucht wird, die für ihn in Spanien nach seiner Beförderung angewandte Anrede „Don Capitán Fritz Leissner“ zu Kopf steigen musste. In verschiedenen Charakteristika wurden ihm militärische Fähigkeiten bescheinigt. Die muss er tatsächlich gehabt haben, denn sonst wäre er nicht immer wieder Operations-Offizier in Brigade- und Divisionsstäben gewesen. Auch die Tätigkeit als Adjutant des Chefs der Ausbildung in der Base Albacete, dem Verwaltungszentrum der Internationalen Brigaden, muss er zur Zufriedenheit ausgefüllt haben, denn erst mit der Auflösung der Base wurde er wieder an die Front kommandiert. Alle die immer wieder auftauchenden Vorwürfe, er habe an der Verfolgung und Ermordung von Interbrigadisten, kritischen Kommunisten und Andersdenkenden teilgenommen, lassen sich nach der Öffnung der Akten nicht aufrechterhalten. Mielke gehörte keinem Geheimdienst und keiner Geheimpolizei in Spanien an, für die ihm vorgeworfenen Verbrechen hat er weder die Funktion noch die Möglichkeiten gehabt. Hätte er, und wäre das nur für kurze Zeit gewesen, z.B. dem SIM (Servicio de Investigación Militar) der Internationalen Brigaden angehört, der nicht zu verwechseln ist mit dem gleichnamigen „spanischen“ SIM, der es wahrlich zu einer traurigen Berühmtheit brachte, dann wäre das mit Sicherheit in einem Lebenslauf oder in einer Einschätzung seiner Person vermerkt worden. So finden sich z.B. in der Korrespondenz, die der Generalinspekteur-Generalkommissar der Internationalen Brigaden Gallo (d.i. der italienische Kommunist Luigi Longo) mit dem Vorsitzenden der Militärkommission der Internationalen Brigaden André Marty führte, zwei Aktenblätter, genannt „Extractes de la Biografia del Capitán Leis(n)er“ und datiert auf den 11.6.1938[21], auf denen sämtliche Qualifikationen, Funktionen und Einsatzorte Mielkes in Spanien aufgelistet sind. Hätte es Einsätze geheimdienstlicher Natur gegeben, im politisch sensiblen Bereich des Kriegskommissariats wären sie genannt worden. Bezeichnend ist weiterhin auch, dass André Marty, von der Komintern als politisch Verantwortlicher für die Internationalen Brigaden eingesetzt, der 1940 in Moskau die Charakteristika der höheren Offiziere und Funktionäre in Spanien schrieb, das im Falle von Erich Mielke nicht machte. Mielkes Charakteristik schrieb Gustav Szinda, der in Spanien nicht nur Feldoffizier der Internationalen Brigaden war, sondern auch Mitglied der Kommission für ausländische Kader beim ZK des PCE und letzter Chef der KPD-Abwehr. Szinda, der in der DDR dem MfS angehörte und als Chef der Bezirksverwaltung Neubrandenburg dem Minister Mielke unterstellt war, konnte natürlich von dessen Karriere nichts wissen, als er am 14.2.1940 in Moskau folgendes (Diktion, Orthografie und Grammatik so im Original) schrieb:

„1110. LEISNER, Fritz (Milke Erich)
Kam im Dezember 1936 nach Spanien zur 14. Brigade wurde zum Leutnant ernannt und arbeitete im Stab der 14. Brigade. War einige Tage in der 11. Brigade, von der 11. Brigade kam er in den Stab der 27. Division und war Kaderoffizier für sämtliche Internationalen in der 27. Division. Im Juni 1937 kam er zur Base Albacete zurück und wurde Adjutant des Kommandanten der Base und zum Kapitän ernannt. Leisner besaß ausgezeichnete theoretische militärische Kenntnisse, praktisch konnte er sie weniger in Anwendung bringen, da er meistens Dienst als Adjutant machte. Hatte sehr große organisatorische Fähigkeiten, im August 1938 war er Adjutant der zentralen Administration der Interbrigaden. Hier zeigte er besonders große organisatorische Fähigkeiten, da er faktisch die Administration leitete. Politisch qualifiziert, nahm an allen politischen Arbeiten teil und wurde viel als Referent in den Parteizellen verwandt. War politisch klar in der Linie der Volksfrontpolitik. Er zeigte sich als ein qualifizierter und zuverlässiger Genosse und wurde 1938 in die KP Spaniens überführt.    Gustav“[22]

Einer, der Erich Mielke aus gutem Grund hassen musste, war Walter Janka. Das, was dieser ihm nach seiner Verhaftung im Dezember 1956 während der Verhöre zumutete, war in der Tat ungeheuerlich. Und trotzdem kann das, was Janka über seine Begegnungen mit Mielke in Spanien schrieb, nicht ganz stimmen. Richtig ist zunächst, dass Mielke aus der Sowjetunion nach Spanien kam, er befindet sich auch auf der Liste der sogenannten „Mexikaner“.[23] Da „Mexiko“ die Tarnbezeichnung für die Sowjetunion war, wurden die deutschen (und ausländischen) Emigranten, die von dort kamen und oft Absolventen der M-Schule (Militärpolitische Schule) der Komintern waren, „Mexikaner“ genannt. Funktionen im Geheimdienst in Spanien hatten von ihnen die wenigsten. Als Janka auf Mielke traf, war dieser Stabsoffizier in der XI. Internationalen Brigade. Janka war gegen den Willen der KPD, aber mit Hilfe des kommunistischen Jugendverbands der ČSR nach Spanien gegangen. Da der Informationsfluss aus Deutschland gut funktionierte und die Kaderabteilung die Freiwilligen in „Delegierte“ und „Individualisten“, also solche unterschied, die ohne Genehmigung ihrer Partei und auf eigene Faust nach Spanien gingen, hatte auch ein Brigadestab die entsprechenden Informationen in den Kaderunterlagen. Dass ein Stabsoffizier diese Unterlagen einsehen konnte, war  durchaus nicht ungewöhnlich.

Walter Janka schrieb, dass Mielke ihn nach Valencia schicken wollte und weiter: „Ein Jahr später erfuhr ich, dass in Valencia vom <Servicio de Investigación Militar> der Internationalen Brigaden ein Gefängnis für Spione, Agenten und Trotzkisten eingerichtet worden war. Es zählte zu den Haftanstalten, wo, mit und ohne Prozess, Verdächtige verschwanden. Und der Mann, der mich dort hatte hinschicken wollen, war für den SIM der 11. Brigade zuständig. Er hieß: Erich Mielke.“ [24]

Der SIM der Internationalen Brigaden wurde erst am 14. August 1937 gegründet, zuvor gab es einen „Servicio de Control“, einen Kontrolldienst, dem Mielke aber nicht angehörte. Die Abwehr-Aufgaben bei den kämpfenden Einheiten wurden von den sogenannten „Kadermännern“ realisiert, zu denen Mielke ebenfalls nicht gehörte. Die Gefängnisse der Internationalen Brigaden, in denen wie in Castelldefels tatsächlich Verbrechen stattgefunden hatten, befanden sich außer in Castelldefels in Chinchilla bei Albacete, in Horta, im „Campo Lukacz“ und im Cuartel Guardia Nacional in Albacete.

Walter Janka schrieb weiter: „Erich Mielke war für solche <Dienste> in Moskau ausgebildet und mit entsprechenden Aufträgen nach Spanien abkommandiert worden. Die Auftraggeber müssen zufrieden gewesen sein mit ihm; denn rechtzeitig vor Ende des Krieges ging er in die Sowjetunion zurück.“ [25] In Wirklichkeit aber verließ Mielke Spanien erst im Februar 1939 Spanien in Richtung Frankreich, war in Cepoy interniert,     hielt sich dann in Belgien auf, musste wieder nach Frankreich zurück, wo er wieder in einem Lager interniert war, das er mit Hilfe der von seinem alten KJVD-Genossen Alfred Krumme gefälschten Entlassungspapieren verlassen konnte. Alfred Krumme, in Spanien unter dem Decknamen „Fritz Schiller“, arbeitete tatsächlich mit dem NKWD zusammen und gehörte auch für einige Zeit dem SIM an.

Eine merkwürdige Geschichte rankt sich auch um einen Brief von Wilhelm Zaisser (in Spanien „General José Gómez“), den dieser am 23. November 1936 an Manfred Stern (in Spanien „General Kléber“) geschrieben und den Charlotte Janka 1986 in einem spanischen Archiv gefunden hat. Janka hatte eine Abschrift dieses Briefes an Erich Honecker geschickt und eine Empfangsbestätigung und eine Danksagung erhalten. Honecker teilt Janka mit, dass er diesen Brief dem Institut für Marxismus-Leninismus (IML) übergeben werde. Leider ist dieser Brief weder im Archiv des IML noch im Nachlass Honeckers erhalten geblieben. Über diesen Brief und seine Geschichte hat Michael Uhl ausführlich geschrieben [26], hier soll, da es um den Tod von Hans Beimler geht, nur die wichtigste Passage zitiert werden: „…Darum ist zu bemerken, Genosse Hans Beimler als Vertreter der Deutschen Kommunistischen Partei (Diese Schreibweise ist für einen KPD-Genossen, der Zaisser war, rechtungewöhnlich. W.A.) hat nicht das geringste Recht, sich in organisatorische Angelegenheiten der Internationalen Brigaden einzumischen, noch weniger kann er für Politkommissare der Front, die zur Base (Albacete, W.A.) fahren, Marschrouten festlegen oder Befehle geben für die Berichterstattung. Er ist lediglich nach Madrid gefahren zwecks Information und politischer Besprechung mit deutschen Genossen. Irgendeine offizielle Funktion im Rahmen der Internationalen Brigaden hat er vorläufig nicht, und darum ist es völlig unmöglich, dass er in irgendeiner Weise in die Angelegenheiten der Internationalen Brigaden eingreift. Ich bitte, ihn ausdrücklich darauf aufmerksam zu machen…Gezeichnet: Gómez.“ [27]

Gesetzt den Fall, dieser Brief existierte wirklich in dieser Form, dann sprach Zaisser in ihm aus, was zu dieser Zeit allen bekannt war, dass nämlich Beimler keine militärische Funktion hatte. Die Mythenbildung, die ihn schließlich zum Kommissar aller Internationalen Brigaden und zum „Retter von Madrid“ machte, setzte erst nach seinem Tod ein. Völlig unverständlich bleibt, weshalb Janka diesen Brief als „Befehlsbrief“ bezeichnete. Zaisser, der zu dieser Zeit Chef des Ausbildungssektors der Base und mit der Aufstellung der 13. Internationalen Brigade befasst war, konnte dem Kommandeur der 11. Internationalen Brigade General Kléber gar keine Befehle geben. Zudem hatte Kléber einen wirklichen, von der spanischen Armeeführung verliehenen Generalsrang, während Zaisser „nur“ Brigadegeneral war und diesen Rang der KP Spaniens verdankte. Wie auch immer, eine Aufforderung zum Mord, wie Janka vermutete, lässt sich aus dem Brief nicht ablesen. Die XI. Brigade war zu dieser Zeit in die schweren Kämpfe um Madrid einbezogen, Kléber hatte wohl andere Sorgen, als sich um den Vertreter der KPD in Spanien zu kümmern.

Die Annahme, dass Wilhelm Zaisser in den Tod Hans Beimlers verwickelt war, hat aber noch einen anderen Ursprung. Der schon erwähnte Zivilgouverneur Justo Martínez Amutio, dem die Base Albacete juristisch unterstand und der mit Beimler befreundet war, berichtete in seien 1974 erschienen Erinnerungen, dass Beimler sich bei ihm über die mafiösen Machenschaften der Komintern, der Stalinisten und besonders Zaissers beklagt hatte. So hätte Zaisser nach dem Tod Beimlers auch „Trotzkisten“ im Wäldchen des nahe Albacete gelegenen kleinen Ort Pozo Rubio erschießen lassen.[28]

Nach dem Tod Beimlers war dessen Leichnam unter dem Anteil der Bevölkerung von Madrid nach Barcelona gebracht worden. In Albacete, das der Leichenzug passierte, war Station gemacht worden und Martínez Amutio hatte geglaubt, Beimler würde auf den für die Toten der Internationalen Brigaden reservierten Teil des Friedhofs bestattet werden. Geplant aber war nur eine Totenfeier, an der unter anderem für die Brigaden Hans Kahle, Gustav Regler und André Marty und für die spanische Seite Santiago Carillo, José Laín und Fernando Claudin teilnahmen. Es wurden Reden gehalten, danach wurde der Leichnam in die Totenkammer des Friedhofs gebracht. Nachdem die Funktionäre wieder abgereist waren, untersuchte José Carrilero, der Gerichtsarzt der Zivilregierung, die Leiche Beimlers, machte Fotos und unterrichtete den Zivilgouverneur, dass eine Revolver- oder Pistolenkugel hinter dem rechten Ohr ein- und auf der gegenüberliegenden Seite des Schädels wieder ausgetreten sei. Außerdem habe Beimler eine Schusswunde am rechten Oberarm. Die Geschosse stammten auf keinem Fall aus einem Gewehr, die Schüsse seien aus nächster Nähe abgegeben worden. Die offizielle Lesart, so Martínez Amutio, dass Beimler auf dem Schlachtfeld gefallen sei, solle die echten Akteure und Inspiratoren verstecken – und das seien die Agenten des NKWD und unter ihnen Zaisser.[29]

Walter Janka sprach Spanisch und er konnte auch nach Spanien reisen, es war also durchaus möglich, dass er das Buch von Martínez Amutio kannte. Bewiesen werden konnte das lange Zeit nicht. Aber vor einiger Zeit verkaufte ein Antiquariat die Bibliothek Walter und Charlotte Janka. In ihr befand sich dieses Buch und die Beimler betreffenden Stellen waren mehrfach dick unterstrichen und mit Ausrufezeichen versehen.

Für beide, für Zaisser und für Mielke hoffte Janka, dass nach der Öffnung der Archive ihre wahre Rolle in Spanien offengelegt werde. Sein Urteil stand allerdings schon fest, aber er war wohl nicht bereit zu differenzieren. Im Gegensatz zu Mielke hatte Zaisser vor Spanien schon ein echtes Geheimdienstleben hinter sich. Er war seit den 20er Jahren in vielen Ländern im Auftrag der 4. Abteilung des Generalstabs der Roten Armee, der späteren militärischen Aufklärung GRU, und der Abteilung für internationale Verbindung (OMS), des Geheimdienstapparats der Komintern, eingesetzt gewesen. Sein für die Reise nach Spanien benötigtes Ausreisevisum aus der UdSSR hatte kein Geringerer als Stalins zeitweiliger Günstling, der blutrünstige NKWD-Chef Nikolai Jeschow unterschrieben. Als Zaisser am 1. Dezember 1937 Kommandeur der Base Albacete wurde, setzte er durch, dass der SIM der Internationalen Brigaden ihm gegenüber auskunftspflichtig und er ihm gegenüber anweisungsberechtigt wurde. Aber auch seine Anweisungen richteten sich primär auf die Ahndung militärischer und disziplinarischer Verfehlungen und nicht auf die Verfolgung Andersdenkender. Die Akten im Komintern-Archiv sprechen eher für ihn, die Akten des Archivs der Roten Armee, die weitere Auskunft geben könnten, werden wohl für noch lange Zeit gesperrt bleiben.

Justo Martínez Amutio wird als aktiver Politiker der 2. Republik und als erklärter Gegner der Kommunisten die Gerüchte gekannt haben, die sich um Beimlers Tod webten. Aber auch andere interessierten sich dafür, die den sowjetischen und den wachsenden Einfluss der Kommunisten fürchteten. Eine kleine Gruppe deutscher Anarchisten, gegründet von Eugen Scheyer, die zur „Schwarzen Front“ Otto Strassers Verbindung suchte und in Spanien Unterschlupf bei den Anarchosyndikalisten der CNT-FAI (FAI war die Federación Anarquista Ibérica) gefunden hatte, wusste, dass Max Gayer, der Dolmetscher Beimlers, seine eigenen Auffassungen über dessen Tod hatte. Aus Paris war Beimlers Geliebte Antonia Stern nach Barcelona gereist, weil sie über ihn schreiben wollte und nicht so recht an die offizielle Version seines Todes glaubte. Sie war die Tochter des bekannten Schweizer Historikers Alfred Stern, mit nach Spanien brachte sie einen Brief der in Moskau lebten Tochter Beimlers Rosemarie, die darum bat, dass ihr die wenigen Habseligkeiten, die ihr Vater in Spanien besaß, nach Moskau geschickt werden. Alles das brachte die KPD-Abwehr in heftige Bedrängnis.

Die KPD-Abwehr hatte sich inzwischen unter der Leitung von Franz Dahlem, der Beimlers Nachfolger als KPD-Parteivertreter geworden war und vom „Deutschen Büro“ beim ZK der KP Spaniens aus die Belange der Partei koordinierte, und von Hubert von Ranke zu einem handfesten Apparat entwickelt. Begünstigend war, worauf schon hingewiesen wurde, dass es gelungen war, den Ausländerdienst des PSUC als Basis zu nutzen. Deshalb befand sich der zentrale Sitz der KPD-Abwehr auch im Zimmer 447 im Hotel „Colón“, dem Sitz des PSUC. Natürlich hatte der KPD-Abwehrapparat seine Mitarbeiter auch in der Kaderleitung in Albacete und zunehmend in den sogenannten „Delegationen der Internationalen Brigaden“ in Barcelona, Madrid, Valencia und Figueras. Diese „Delegationen“, die außer bei Michael Uhl und Peter Huber in der deutschsprachigen Literatur noch keine Erwähnung fanden, waren eine ausgezeichnete Tarnung für einen Geheimdienst. Offiziell vertraten sie die Interessen dieser internationalen Einheiten in den genannten Städten, andererseits waren sie der Anlaufpunkt für neue Freiwillige oder solche, die einfach irgendwelche Probleme hatten.

Um Antonia Sterns Bemühungen zu verhindern, mehr über den Tod von Hans Beimler zu erfahren, hatte Franz Dahlem zunächst vorgeschlagen, ihre Aktivitäten dadurch zu neutralisieren, indem man sie in eine politische Tätigkeit in der Ausländerkommission des PSUC einbindet. Daraufhin schrieb ihm „Moritz“: „Die Angelegenheit Toni Stern, die wir Deiner Anregung entsprechend hier verwenden sollen, macht uns großes Kopfzerbrechen. Fedeli lehnt es glatt ab, sie unterzubringen. Vielleicht können wir sie zur R.H. (Rote Hilfe, W. A.) hinorganisieren. Das Schlimme ist das Auftreten dieser Frau. Mir ist in meinem Leben keine so hysterische und raffinierte Person begegnet. Sie spielt einen gegen den anderen aus, will sich in keinem Fall davon abbringen lassen nach Valencia zu fahren, hält sich nicht an unseren Sekretariatsbeschluss in ihrer Frage, greift alle Unzufriedenen auf, lässt sich vom Chefredakteur der Parteizeitung einen Brief geben, was für vorzüglicher Mensch sie sei, rennt zum russischen Konsul, von Redaktion zu Redaktion, kurz macht uns das Leben hier schwer. Jetzt mobilisiert sie die Schweizer Partei, der sie angehört, <um ihr Recht zu bekommen>.“[30] In dieser Einschätzung sind ein Großteil der Aktivitäten Antonia Sterns genannt, die sie unternahm, weil sie die offiziellen Angaben über den Tod Beimlers anzweifelte, und die sie später für ein geplantes Buch zu einem Manuskript zusammenstellte.[31]

Max Gayer. Quelle: Archiv Werner Abel (AWA)

Natürlich stieß Antonia Stern bei ihren Recherchen auch auf Max Gayer, den Dolmetscher Beimlers, der auch bei den Fahrten mit Peter Merin dabei war. Gayer, geboren 1903 in Pulkavy in Polen in einer jüdischen Familie, hatte ein wahrhaft wechselhaftes Leben hinter sich. Weil er nicht in der polnischen Armee dienen wollte, hatte er das Land verlassen und, nie sehr erfolgreich, in Lateinamerika und Westeuropa gelebt. Als er 1935 nach Spanien kam, hatte er nicht nur einen auf dem Schwarzmarkt in Prag erstandenen tschechischen Pass, sondern auch einen noch gültigen deutschen Fremdenpass, in dem, im Namen des Polizeipräsidenten von Berlin ausgestellt, der Vorname „Max“ durchgestrichen und durch „Mendel“ ersetzt worden war. Dieser Fremdenpass, der in den Akten erhalten geblieben ist, weckte in Spanien den Verdacht, er sei Gestapo-Agent gewesen. Durch die Heirat mit einer Deutschen bekam er 1926 die Aufenthaltsgenehmigung für Deutschland und lebte hier bis 1935 als selbständiger Schneider. Die KPD-Abwehr unterstellte ihm später, er habe bei einem Verhör erzählt, dass er in Deutschland als Zuhälter gearbeitet hatte, aber dem Druck der „arischen“ Zuhälter nicht mehr gewachsen war. Es lässt sich nicht mehr nachprüfen, ob diese Aussage eine nachträgliche Fälschung der KPD-Abwehr war. Auf jeden Fall hatte sich Gayer von seiner Familie getrennt und lebte dann mit seiner Freundin Irene Schulze zusammen, die nach dem Tod ihres Vaters dessen Haus verkaufte. Mit diesem Geld kamen beide nach Spanien und gründeten einen Pelzhandel, bei dem Gayer so schwer betrogen wurde, dass er das Geschäft aufgeben musste.

Nach dem Putsch der Generäle hatte sich Gayer Beim Zentralkomitee des PSUC gemeldet, sollte eigentlich mit der Centuria „Thälmann“ an die Front, traf aber auf Hans Beimler. Da Gayer mehrere Sprachen, darunter auch Spanisch, beherrschte, machte ihn Beimler zu seinem Dolmetscher und, wenn man Gayer trauen kann, auch in einigen Dingen zu seinem Vertrauten. Dadurch, dass die Überlebenden der Centuria „Thälmann“ nach der Gründung der Internationalen Brigaden in die 11. Brigade eingegliedert wurden, gehörte auch Gayer dieser Einheit an. Erregt darüber, dass seitens des Ausländersekretariats niemand bei der Beerdigung Beimlers sprach, hielt er dort spontan eine Rede, was ihn als Disziplinverletzung angelastet wurde. Da er ein Herzleiden hatte, gelang es ihm, mit einem ärztlichen Gutachten die Internationalen Brigaden zu verlassen. Der Versuch, ihm das als Desertion anzulasten, schlug offenbar fehl. Aber die Tatsache, dass Max Gayer kritische Bemerkungen über den Tod Hand Beimlers machen könnte, alarmierte die KPD-Abwehr und sie versuchte, ihn zu kriminalisieren. Das, was sich seitens der Stalinisten in solchen Fällen immer am geeignetsten erwies, war der Vorwurf der Spionage. Zunächst schrieb von Ranke am 11. Februar 1937 an Franz Dahlem: „Von den deutschen Fällen wird Dich interessieren, dass Max G e y e r (so im Original, W.A.), der frühere Dolmetscher und Begleiter von Hans Beimler in eine ernste Spi-affäre verwickelt ist. Ein(en) Tag, bevor wir ihn holen wollten, wurde er schon von anderer Seite geholt, jetzt kommen wir nicht mehr an ihn heran, vorerst. Szaja kennt ihn. Aber es soll über die Sache noch nicht viel gesprochen werden.“[32]Unter dem Datum vom 3.3.1937 schrieb „Hermann“ [33] mit der Bitte um Übersetzung für Olaso: „Gayer ist Mitglied der int. Brigade. Kam Anfang Dezember nach Barcelona und begab sich wegen eines angeblichen Herzfehlers in ärztliche Behandlung. Wir haben Beweise, dass G. ein Spion ist und gegen Bezahlung Faschisten zur Flucht ins Ausland verholfen hat. G. ist nicht aufzufinden, seine Frau wohnt in der Pension <Olga>, Rambla Cataluña 29. Wir bitten, G. zu verhaften.“[34]

Die KPD-Abwehr hatte zwischenzeitlich in Gayers Wohnung Haussuchung gemacht, aber nichts Belastendes gefunden. Zu dieser Zeit war Gayer aber von der spanischen Polizei inhaftiert worden, weil man annahm, dass er Franco-Anhängern zur Flucht verholfen habe. Die Geschichte hatte allerdings einen merkwürdigen Hintergrund. Ein Franzose, angeblich Mitglied der Patrullas de Control (Kontroll-Patrouillen), die vornehmlich von CNT-FAI-Mitgliedern gebildet worden waren, weil man der republikanischen Polizei nicht recht vertraute, hatte sich mit der Bitte an Gayer gewandt, zu helfen, zum Schein bestimmte Personen außer Landes zu bringen, denen man dann an der Grenze die zur Schleusung aufgebrachten Geldsummen abnehmen könne. Gayer, der wie schon so oft in Geldnot war und vor dem Hintergrund der Annahme, es handle sich tatsächlich um die Kontroll-Patrouillen, sicher auch kein schlechtes Gewissen hatte, willigte ein. Da aber eine der Personen den Namen Eduardo Del Moral Sanjurjo trug, schrillten bei der republikanischen Abwehr die Alarmglocken, denn man nahm an, dass es sich bei dem genannten Sanjurjo um einen Neffen des Generals José Sanjurjo handele. Dieser General war das eigentliche Haupt der Generals-Verschwörung und nur die Tatsache, dass er am 20. Juli 1936 vom Flug aus dem portugiesischen Exil bei einem Unfall ums Leben kam, ließ Francisco Franco dann zum Führer der Putschisten werden. Ob es sich nun bei dieser Schleusung wirklich um einen Verwandten Sanjurjos gehandelt hatte, kann nicht mehr festgestellt werden. Gayer wurde aus der Haft entlassen, aber am 25. März erneut, dieses Mal von Alfred Herz und Hermann Geißen, festgenommen und in das Gefängnis Puerta del Ángel gebracht. Dort wurde er von einem spanischen Angehörigen des Departamentos de Información verhört und Alfred Herz zur Entscheidung übergeben. Dieser ließ Gayer mit der Auflage frei, nie mehr mit Antonia Stern zu sprechen. Für sie hatte die KPD-Abwehr dann von den spanischen Behörden die Entscheidung erwirkt, dass Stern aus Spanien ausgewiesen wurde. In Paris versuchte Antonia Stern, die über erhebliche Geldmittel verfügte, einen Verleger für ihr Manuskript zu finden. Dafür nahm sie auch Kontakt zu Ruth Fischer, der früheren Vorsitzenden der KPD, auf. Es scheint aber, dass Ruth Fischer mehr finanzielles Interesse an Antonia Stern hatte, die ihr bei der Gründung einer Zeitschrift helfen sollte.

Zuvor aber hatte sich in Spanien mit Alfonso Laurencic eine der schillerndsten Figuren des damaligen Geheimdienst-Dschungels in Barcelona in den Fall Gayer-Stern eingemischt. Laurencic, 1902 als Sohn österreichischer Eltern in Frankreich geboren und als jugoslawischer Staatsbürger schon länger in Spanien lebend, hatte dort schon einige bewegte Jahre hinter sich, die ihn u.a. auch in die spanische Fremdenlegion geführt hatten. Da auch er sich in mehreren Sprachen verständigen konnte, hatte er sich nach dem Putsch der republikanischen Junta de Defensa angeboten und war schließlich bei dem Servicio Secreto Inteligente (SSI), dem Geheimdienst des katalanischen Generalstabs gelandet. Dort recherchierte er als Agent SSI 29 Fälle, von denen angenommen wurde, dass es sich um kommunistische Verbrechen im Zusammenspiel mit sowjetischen Diensten handelte. So z.B. forschte er nach dem Verbleib von Mark Rein, einem deutschen Jungsozialisten, Sohn des emigrierten bekannten russischen Menschewiken Rafail Abramovitch, der kurz nach der Einreise nach Spanien verschwand und von dem bis heute keine Spur gefunden wurde. Laurencic hatte auch Kontakt zu antikommunistischen Kräften der CNT-FAI, es ist zu vermuten, dass Informationen von ihm über sie an Max Sievers geflossen sind. An Max Gayer wandte sich Laurencic unter dem Vorwand (oder auch mit der ehrlichen Absicht?), weil er der Meinung war, dass dessen Verfolgung das Werk einer Privat-, d.h. einer Partei-Polizei war. Zu Antonia Stern nahm er Kontakt auf, weil den SSI angeblich die Umstände von Beimlers Tod interessierten. Natürlich schaute die kommunistisch bestimmte Geheimpolizei dem nicht lange tatenlos zu. Am 10. Juli 1937, als man nach den Mai-Ereignissen in Barcelona zum großen Schlag gegen den kleinen linkskommunistischen, als trotzkistisch verschrienen POUM (Partido Obrero de Unificación Marxista) und auch die CNT ausholte, verhaftete man Laurencic unter dem Vorwand, sein Bruder Eugenio sei Faschist und hätte Faschisten zur Flucht aus dem republikanischen Spanien verholfen. Als am 30. August 1937 bei einer Haussuchung bei Laurencic in einem Versteck seine Rechercheergebnisse gefunden wurden,[35] wurde auch einige Zeit später Max Gayer wieder inhaftiert. Nach vielen Verhören, die aber wieder nichts erbrachten, um ihn Spionage anzuhängen, und er einen langen Bericht über sein Leben und seine Zeit mit Hans Beimler geschrieben hatte, musste er am 7. September 1937 eine eidesstattliche Erklärung verfassen, der zur Folge Hans Beimler niemals (man beachte die Formulierung) „von einer Kugel irgendeines in der republikanischen Armee Spaniens kämpfenden Kameraden hinterrücks getroffen worden ist, sondern Hans Beimler ist von der Scharfschützenkugel eines Faschisten, bei der Ausübung seiner Pflicht im Frontabschnitt Brücke San Fernando-Ciudad Universitaria getroffen worden. Ich habe genug Gelegenheit gehabt, mich von der treuen Gemeinschaft, die ihn mit den Kameraden der Internationalen Brigaden, wo er die Charge eines Politkommissars der deutschen Brigade innehatte, innigst verband, und daher ist die Behauptung eines heimtückischen Erschießens von Hans Beimler eine infame Lüge und eine, von allen erkauften Mitteln für die lügenhafte Hitler- und Mussolini-Presse. Dieselbe wahre Schilderung von Hans Beimlers Erschießung ist mir vom Kameraden Richard (Staimer, W.A.), dem Leiter des Thälmann-Bataillons, gemacht worden, der ebenfalls ein guter Freund Hans Beimlers gewesen ist und der heute noch alles persönlich bestätigen kann. Ich betone die volle Wahrheit gesagt zu haben, ohne durch irgendeinen Druck erpresst worden zu sein, und bin stets bereit, jederzeit, gleichwie an welcher Stelle, diese Tatsachen persönlich zu bestätigen. “[36]

Es ist schon pikant, diese in Deutsch und Spanisch in der Haft geschriebene Erklärung als „ohne Druck“ zustande gekommen zu erklären und ausgerechnet Richard Staimer als Zeugen für die Erschießung Beimlers durch einen gegnerischen Scharfschützen zu benennen. Auch wird Gayer als Dolmetscher Beimlers genau gewusst haben, dass Beimler eben nicht der Politkommissar der Brigade war. Wäre das so gewesen, hätte auch der oben genannte, angeblich von Charlotte Janka gefundene und von Walter Janka zitierte Brief von Wilhelm Zaisser an General Kléber keinen Sinn gehabt. Gewollt oder ungewollt schoben also die Genossen von der KPD-Abwehr Max Gayer ein Grundelement ihrer Mythenbildung um die Rolle Hans Beimlers schon bei dieser Gelegenheit unter.

Obwohl z.B. Gustav Szinda später keine Gelegenheit ausließ, Gayer als „Zuhälter“ und seine Lebensgefährtin Irene Schulze als „eine vollständig verkommene Frauenperson“ zu bezeichnen,[37] wurde nach den ergebnislosen Verhören der Druck auf Gayer gemindert. In einem von der KPD-Abwehr am 28. Oktober 1937 verfassten „Communiqué“ wurde konstatiert. „Trotz eingehendsten Verhörs und Konfrontierung mit Laurencic kann Gayer eine Übermittlung von Spionagematerial an Laurencic oder irgendwelche Devisenschiebereien nicht nachgewiesen werden … Wir schlagen vor, Gayer bedingt auf freien Fuß zu setzen und ihm die Gelegenheit zu geben, zu beweisen, dass er ehrlich im antifaschistischem Sinne für die demokratische Regierung arbeiten will.“[38] Dieses Papier ist die letzte Erwähnung Gayers in den zur Verfügung stehenden Akten. Sein weiteres Schicksal bleibt unbekannt.

Hubert von Ranke, Gayers energischer Gegenspieler, hatte zu diesem Zeitpunkt Spanien gerade verlassen. Wegen einer dringenden Herzbehandlung mit seiner Frau nach Frankreich gereist, trennte er sich im folgenden Jahr von der kommunistischen Bewegung und gehörte nach der deutschen Besetzung Frankreichs dem gaullistischen Widerstand an.

Alfred und Käthe Herz soll es gelungen sein, über die Niederlande nach Mexiko zu emigrieren. Dort hätten sie, abgehängt von der Exil-KPD, Suizid begangen. Eine andere Erzählung meint, dass ehemalige Opfer an ihnen Rache genommen haben.

In der DDR hat man weder über Hubert von Ranke noch über Alfred Herz noch über Max Gayer etwas gelesen oder gehört. Dabei gab es viele, die wie Franz Dahlem, Karl Mewis oder Gustav Szinda „Moritz“ oder Herz aus nächster Nähe kannten. Dass von Ranke und Hans Beimler zunächst die beiden wichtigsten KPD-Funktionäre im republikanischen Spanien waren, blieb in der DDR-Geschichtsschreibung unerwähnt, denn dass Beimler sich diesen Stellenwert mit einem Renegaten hätte teilen müssen, das wäre der Mythenbildung und der KPD/ SED-Geschichtsschreibung abträglich gewesen.

Die KPD-Abwehr in Spanien kümmerte sich nicht nur um die Sicherheit und Reinhaltung der deutschen Partei, sie überprüfte auch Freiwillige und in Spanien lebende Emigranten und sammelte Informationen über sie. Das erregte schon früh das Missfallen der politischen Leitung der Internationalen Brigaden. So hatte André Marty schon im März 1937 angeregt, einen einheitlichen Abwehrapparat für die Brigaden zu schaffen und keine Zersplitterung in nationale Geheimoperationen zuzulassen. Die dabei geäußerte Kritik richtete sich allein gegen die KPD: „Unbedingt verhindern, dass die Parteien für sich einen eigenen Abwehrdienst aufstellen. Dies ist der Fall bei der KPD, die ohne schlechte Absicht die allgemeinen Schutzvorkehrungen der Brigaden beeinträchtigt. Der Abwehrdienst der KPD muss in den Brigaden im Kontrolldienst der Brigaden aufgehen und in Spanien im Spezialdienst der KP Spanien. Weiterhin diesen Abwehrdienst aufrechterhalten bedeutet, die Arbeit der Faschisten zu erleichtern.“[39] Natürlich haben die deutschen Genossen dieses faktische Verbot zunächst ignoriert, aber dann den Hinweis ernst genommen, in den Sicherheitsdienst der Brigaden einzutreten. Unter den Berichten des SIM der Brigaden tauchen dann viele Namen auf, die von der KPD-Abwehr her bekannt sind. Eine Umorientierung gegen Ende 1937 wurde ohnehin notwendig, weil der Ausländerdienst des PSUC zunehmend seine Funktionen an die weit einflussreichere Kommission für ausländische Kader beim ZK des PCE verlor. Mit der Gründung der Militärpolitischen Kommission beim ZK des PCE im Februar 1938 verlagerten sich ohnehin die Kompetenzen hinsichtlich der Ausländer auf den PCE. Pflicht war es nunmehr für jeden ausländischen Kommunisten, um Übernahme in den PCE anzusuchen. Entschieden wurde darüber auch in der oben genannten Kommission, deren Verantwortliche mit Ruth Kahn eine deutsche Kommunistin war. Die KPD, die Partei, die 1933 eine katastrophale Niederlage hinnehmen musste, hatte es in Spanien geschafft, in den Internationalen Brigaden, in der Spanischen Volksarmee, in den Geheimdiensten und in den Medien und in den Ausländer-Sektionen der „Bruderparteien“ wichtige Positionen zu besetzen. Aufgehalten hat das indes die Niederlage der Republik nicht.

[1]  Artur Dorf, Der Tod Hans Beimlers, in: Brigada Internacional, Berlin (DDR)  1974, S. 147

[2] Die Umstände sind ausführlich geschildert bei Patrik v. zur Mühlen, Spanien war ihre Hoffnung. Die deutsche Linke und der Spanische Bürgerkrieg 1936 bis 1939, Berlin-Bonn 1985, bes. die Seiten 148 ff. und 247 ff. und an Hand neu erschlossener Dokumente bei Michael Uhl, Mythos Spanien. Das Erbe der Internationalen Brigaden in der DDR, Bonn 2004, S.413 ff.

[3] Peter Merin, Spanien zwischen Tod und Geburt, Zürich 1937, S. 277 ff. „Peter Merin“ war das Pseudonym des jugoslawischen Schriftstellers Oto Bihalji-Merin.

[4] Alfred Kantorowicz, Nachtbücher. Aufzeichnungen im französischen Exil 1935 bis 1939, Hamburg 1995, vgl. z.B. die Seiten 106 und 119

[5] Komintern-Archiv Moskau: RGASPI 495-12-156, S.43-44, Brief vom 17. Mai 1936.

Münzenberg schrieb u.a.: „Was die Frage Moritz angeht, so nur kurz: Moritz war hier jahrelang Nachrichtenleiter und hat eine spezielle Überwachung der sogenannten Münzenbergschen Büros durchgeführt, in diese Büros besondere Beauftragte des Apparats geschickt, die über meine Verbindungen, Beziehungen und unsere Mitarbeiter besondere Berichte verfassten. Moritz war, wie gesagt, jahrelang Nachrichtenleiter, nahm an vielen Sitzungen mit Politbüromitgliedern teil, war auf das genaueste über alles informiert. Als ich aus M. (Moskau, W.A.) zurückkehrte, stellte ich fest, dass eine Welle von Gerüchten in Umlauf gesetzt war.“

[6] Die „Erinnerungen“ sind im Münchner Institut für Zeitgeschichte deponiert und dürfen laut Verfügung der Frau Hubert von Rankes nicht veröffentlicht, können aber auszugsweise kopiert werden.

[7] Akte Walter Ulbricht, RGASPI 495-74-211, S. 371 bis 374; RGASPI 495-293-153, S.60 sowie den Bericht von „Moritz“ (Hubert von Ranke) an „Kurt“ (Herbert Wehner), SAPMO-BArch RY 1/12/3/292, Bl. 166

[8] RGASPI 495-293-153, S. 57

[9] vgl. hierzu und zur „Operation X“ Daniel Kowalsky, La Unión Soviética y la Guerra Civil Española. Una revisión crítica, Barcelona 2004, hier besonders die Seiten 195 ff.

[10]  zit. Nach Oleg Zarew u. John Costello, Der Superagent. Der Mann, der Stalin erpresste, Wien 1993, S. 368

[11] vgl. RGASPI 495-15-263, S. 159. In einem streng vertraulichen Bericht der KPD über „Kaderfragen“ ist dazu zu lesen: „a) Liquidierung des mil.-politischen Apparats. Das Politbüro vom 17.3.1936 beschloss die restlose Liquidierung des mil.-polit. Apparats. Dieser Beschluss wurde durchgeführt. Nur eine geringe Zahl der früheren Mitarbeiter des Apparats wurde in die Abwehrabteilung übernommen (Humboldt-Amsterdam…). Anstelle des alten mil.-polit. Apparats wurde die Abwehrabteilung aufgebaut.“…S. 160: „Die Abwehrabteilung hat einen starken und von der Parteileitung anerkannten Anteil an der Überprüfung der Kader. Sie nimmt teil an der Erziehung der gesamten Partei zur Konspiration und deren Anwendung in der Massenarbeit…“. „Humboldt“ war der Deckname von Wilhelm Tebarth, einem guten

Bekannten Hubert von Rankes. Tebarth, der in Spanien den Decknamen „Fritz Schimmel“ benutzte und seinen Sitz hauptsächlich in Valencia hatte, war dann für die KPD-Abwehr als „Fritz Valencia“ oder „Fritz V.“ tätig.

[12] Hubert v. Ranke, Erinnerungen. Das Spanien-Kapitel, S. 110

[13] vgl. Carlos Senso, El „ojo de Moscú“, in: Levante. El mercantil valenciano, 14.6.2015

[14] In der Literatur wird vielfach von einem „Servicio Alfredo Herz“ gesprochen. Ich glaube nicht, dass das über den November 1936 hinaus zutrifft. Das wird unterstrichen durch eine Einschätzung, die Hubert von Ranke traf, der dabei von sich in der 3. Person als „Moritz“ sprach: „Alfred Herz. Mitarbeiter in der Abwehrabteilung. Mitglied der KPD seit 1930, in Verbindung mit der Partei seit 1922 in Köln. Beruf Versicherungsagent. Pol.-Emigrant nach Amsterdam, später Wien, seit August 1934 in Spanien.

In Barcelona befand sich nur eine Gruppe von Wirtschaftsemigranten (mit „Wirtschafts- emigranten“ wurden in der Diktion der KPD jüdische Emigranten bezeichnet, W.A.). Durch unsere damalige Parteivertretung in Holland wurden wir auf Herz aufmerksam gemacht und haben ihn im Laufe des Jahres 35 von Paris aus gebeten, uns laufend Informationen über in Barcelona befindliche Nazis, Abwehrfälle etc. zu schicken…Als Moritz im Mai 36 in Barcelona auf Urlaub war, wurden die deutschen Emigranten, die hier waren, meist düstere Fälle, etwas zusammengefasst und der politischen Kontrolle der damaligen KP, deren Ausländerleiter SZAYA war, unterstellt. S. bildete mit Herz und Hermelin einen Dreierkopf, der für die Erfassung der hier befindlichen Emigranten verantwortlich war. Herz war dabei eine Art Partei-Vertrauensmann, hat sich aber unrichtig immer wieder als Partei-Vertreter bezeichnet. Damals wurde gleichzeitig ein Partei-Vertreter für Barcelona erbeten, bis dahin hat Herz unsere Parteiaufträge vermittelt. Unter den damaligen Umständen hat er eine gute Nachrichtenarbeit geleistet, der aber die politische Fundierung mangelte. Zu Beginn des Aufstandes hat Herz durch die damalige Haussuchung bei den Deutschen … einen außerordentlichen Betrieb entfaltet, durch den er seine guten Polizei- und sonstigen Verbindungen erhielt. Beimler hat ihn ganz unkontrolliert arbeiten lassen, wobei es Herz allerdings auch verstand, sich einer solchen Kontrolle immer wieder zu entziehen. Die Kinderkrankheiten der ersten Zeiten des Bürgerkriegs und der wilden und willkürlichen Arbeit  des Herz wirken sich heute noch nachträglich aus. In der Übergangszeit, nachdem eine solche Kontrolle einsetzte, hat Herz noch hunderte von Seitensprüngen gemacht und auch passive Resistenz geleistet…In der Beurteilung von Menschen schwankt er wie in allem zwischen Extremen hin und her. Seine politische Entwicklung ist ganz schwach, was daher rührt, dass er auch in der Illegalität nur besondere Arbeit machte. In manchen Dingen ist er überängstlich, in manchen von sträflichen Leichtsinn, persönlich sehr unbedacht, so dass er in eine ganze Reihe von Gefahren und Provokationen etc. hineingestolpert ist, „ohne zu ahnen“ wie. Er hat … eine außerordentliche Begabung für Nachrichtenarbeit, aber wie gesagt, bei völligem Mangel entsprechender politischer Wachsamkeit.“  RGASPI 545-2-105, S. 206-207

[15] „Ein andermal tauchte, elegant gekleidet, ein polnischer Emigrant namens Schaja auf, der auch in Valencia „tätig“ war. Wir hatten ihn ganz arm gekannt, bei meinem ersten Besuch in Barcelona, kurz vor dem Bürgerkrieg; damals aß er mit seiner Frau und seinem kleinen Kind in einer Art Kellergeschoß Brotsuppe aus einer Blechschüssel. „Kriegsgewinnler“, dachte ich mit Erbitterung.“ Hubert von Ranke, Erinnerungen, S. 114

[16] So z.B. im „Dagbladet“, Oslo, vom 28.10.1937 „Die sowjetische Geheimpolizei hat in Spanien eigene Gefängnisse“ und in der von Max Siewers, dem ehemaligen Vorsitzenden des Deutschen Freidenkerverbands in Antwerpen herausgegebenen Zeitung „Freies Deutschland“ vom 19.8.1937 und von Siewers selbst verfassten Artikel „Tscheka contra Antifaschisten.

[17]  Schon am 3.2.1937 schrieb von Ranke an Franz Dahlem: „Alfred Herz, der Spanisch spricht, ist durch seine Krankheit noch nicht voll arbeitsfähig, aber er darf wegen seiner vielen und außerordentlich gefährlichen Fehler nicht mehr mit konspirativer Arbeit beschäftigt werden. Vor 2 Tagen haben mir die Freunde aus der Heimat mitgeteilt, dass eine Frau, die wir schon lange verdächtigen und die mit Herz zusammenwohnt und der Herz alle möglichen Internas (so im Original, W.A.) erzählt hat, eine von ihnen seit langem verfolgte Naziagentin ist. Herz ist so nach allen Seiten hin dekonspiriert und in seinem Freundeskreis hat er sich so verspekuliert, dass wir bei jeder Arbeit, bei jedem Fall, den er liefert, überlegen müssen, ob ihm nicht eine Provokation von einem fremden Nachrichtendienst untergeschoben ist. Er hat einmal sehr nützliche Arbeit geleistet, ist ein guter Kerl, aber so verschludert und von so geringer politischer Wachsamkeit, dass wir mit ihm nichts weiter anfangen können, als ihn als lebendes Archiv zu betrachten…“. RGASPI 545-145, S. 47

[18]  A los Camaradas del C.C. del P.S.U.C., RGASPI 545-6-3, S. 1

[19]  vgl. ebenda, S. 3

[20] ebenda S. 4

[21] RGASPI 545-1-42, S. 99-100

[22] RGASPI 545-6-352, S. 67

[23] Siehe „Liste der Mexikaner“, RGASPI 545-6-347, S. 11

[24]  Walter Janka, Spuren eines Lebens, Berlin 1991, S. 92

[25]  ebenda, S. 93

[26]  Michael Uhl, Mythos Spanien. Das Erbe der Internationalen Brigaden in der DDR, Bonn 2004, S.427 ff.

[27]  Walter Janka, Spuren eines Lebens…, S.171

[28] J. Martínez Amutio, Chantaje a un pueblo, Madrid 1974, S. 230 ff.

[29] ebenda, S. 305

[30]  RGASPI 545-2-145, S. 47-48

[31]  Das Manuskript „Hans Beimler. Dachau-Madrid“ befindet sich im IISG in Amsterdam. Eine Kopie erhielt auch Zenta Beimler, die Witwe Hans Beimlers. Eine Kopie befindet sich auch im Besitz des Verfassers.

[32]  RGASPI 545-2-145, S. 54

[33] „Hermann“ war Hermann Geißen, der erste Kommandeur der Centuria „Thälmann“. Er wurde im Oktober an der Huesca-Front schwer verwundet, war deshalb nicht mehr frontdiensttauglich und arbeitete dann im Servicio especial und in der KPD-Abwehr. 1940 schrieb Gustav Szinda in Moskau über ihn u.a.: „Politisch etwas primitiv, aber absolut zuverlässig und parteitreu…Arbeitete im Sicherheitsdienst sehr gewissenhaft.“ RGASPI 545-6-351, S. 35

[34]  RGASPI 545-6-686, S. 77

[35]  vgl. RGASPI 495-18-2, S. 2 ff. Laurencic wurde in der Haft mit sowjetischer Hilfe „umgedreht, arbeitete für den SIM und konstruierte in den verschiedenen „Checas“ die sogenannten, bis heute berühmt-berüchtigten „surrealistischen Zellen“. „Checa“ ist der hispanisierte Ausdruck für „Tscheka“, so wurden in Spanien die vor allem von den Kommunisten betriebenen illegalen Gefängnisse bezeichnet. „Surrealistische Zellen“ haben vom schiefen Fußboden über grelle Farbkompositionen bis zur Unmöglichkeit zu sitzen alles, um einen Gefangenen in geistige Verwirrung zu stürzen. Laurencic wurde deshalb und auch, weil er am Tod inhaftierter Falangisten schuld sein sollte, 1939 von den Franquisten zum Tode verurteilt und hingerichtet. Vgl. auch R.L.Chacón, Por que hice las „Checas“ de Barcelona. Laurencic ante el Consejo de Guerra, Barcelona 1939

[36] RGASPI 545-6-686, S. 100

[37] vgl. RGASPI 545-6-353, S. 100

[38] RGASPI 545-6-686, S. 140

[39]  Rapport vom 4.3.1937, hier zitiert nach Peter Huber u. Ralph Hug, Die Schweizer Spanienfreiwilligen, Zürich 2009, S. 47 und Rémi Skoutelsky, Novedad en lel frente, Madrid 2006, S. 350-351

Cover der Broschüre „Madrid ehrt Hans Beimler“. Quelle: Archiv Werner Abel (AWA).

 

Fotos: Das „weissen Haus“ im Casa del Campo und Fahnenübergabe aus der Broschüre „Madrid ehrt Hans Beimler“. Quelle: Archiv Werner Abel (AWA).

 

Einband Fremdenpass Max Gayer. Quelle: Archiv Werner Abel (AWA).

 

Quelle: Archiv Werner Abel (AWA).

 

Quelle: Archiv Werner Abel (AWA).

 

Quelle: Archiv Werner Abel (AWA).

 

Quelle: Archiv Werner Abel (AWA).

 

Quelle: Archiv Werner Abel (AWA).

 

Verhörprotokoll Seite 1. Quelle: Archiv Werner Abel (AWA).

 

Verhörprotokoll Seite 2. Quelle: Archiv Werner Abel (AWA).

 

Erklärung Max Gayer, Seite 1. Quelle: Archiv Werner Abel (AWA).

 

Erklärung Max Gayer, Seite 2. Quelle: Archiv Werner Abel (AWA).

 

Es folgen Beiträge aus dem „Volontario“

Quelle: Archiv Werner Abel (AWA).

 

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Redaktion KFSR

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