Herzlichen Glückwünsch Vicent Almudevér, geboren am 6. Juli 1917 – Kämpfer in den Reihen der Milizen im Spanischen Krieg 1936-1939!

Titelfoto: Vicent singend in Barcelona 2011. Foto: Gabriele Senft

Vicent haben wir auf zahlreichen Veranstaltungen kennengelernt und wo er ist, stimmt er bis heute „Ay Carmela“ an und liebt das Tanzen. Er strahlt Energie und Begeisterung aus, erinnert sich an Episoden aus dem Spanienkrieg als wären sie erst gestern passiert.

Mit seinem Bruder Josep ist er Ehrenmitglied des KFSR.

Lieber Vicent,

die herzlichsten Glückwünsche überbringen Dir

  zu Deinem 100. Geburtstag

Deine deutschen Freunde und Mitstreiter des Vereins „Kämpfer und Freunde der Spanischen Republik 1936-1939 e.V.“ (KFSR).

Du hast in Deinem Leben viele Kämpfe und Feuertaufen bestanden,

Dir bei aller Härte des Kampfes an den verschiedenen Fronten gegen Faschismus, Franquismus und Krieg, für eine friedliche, demokratische Welt bis heute Deinen Humor, Deine Begeisterung und vor allem die Hinwendung zur Jugend bewahrt. Dabei bist Du selbst jung geblieben!

Wir wünschen Dir weiterhin viel Kraft und Gesundheit,

Lebensfreude und Optimismus, Glück und alles Gute für Dich & Deine Frau sowie Deine Familie.

Wir sind stolz und froh, Dich an unserer Seite zu wissen.

Salud y República!

Zur Person

Vicent Almudevér, geboren am 6. Juli 1917 – Kämpfer in den Reihen der Milizen im Spanischen Krieg 1936-1939!

Vicent wurde 1917 in Narbonne (Frankreich) geboren, wo seine Eltern aus Alcàsser bei Valencia stammend vorübergehend wohnten. Sein Vater war Maurer und seine Mutter Trapezkünstlerin in einem Zirkus. Seine Eltern, beide Sozialisten und Verehrer der Russischen Revolution, hatten einen großen Anteil an der Formung seines rebellischen Charakters, wie auch die weltliche Ausbildung, die er mit seinen Brüdern in der französischen Schule erhielt, basierend auf den Grundsätzen von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit.

1929 mit der Erkrankung seiner Mutter kehrte die Familie nach Spanien zurück. Vicent war zutiefst betroffen von der katastrophalen sozialen Lage der Menschen in Alcàsser, die unter Analphabetismus und hoher Armut litten. Die Brüder Almudéver hatten keine andere Wahl, als bereits von früher Kindheit an mitzuhelfen, die Familie zu unterstützen – arbeiteten auf dem Lande, weil sie mit dem Geld, was sein Vater als Maurer verdiente, kaum überleben konnten.

In Alcasser begrüßten sie am 14. April 1931 die Ausrufung der Zweiten Republik. Vicent Almudéver erinnert sich mit Befriedigung an die Zeit der großen gesellschaftlichen Veränderungen, die neue Gesetze und Reformen mit sich brachten, u.a. die Einführung des Frauenwahlrechts, der allgemeinen Bildung, Gewerkschaftsrechte, die Landreform, die Einführung des 8-Stunden-Arbeitstages. Über diese und andere Nachrichten im Inland und weltweit konnten sich nur diejenigen in der Presse informieren, die lesen und schreiben konnten. Im Spanien der frühen dreißiger Jahre lag die Analphabetenrate bei etwa 70% der Bevölkerung (50% der Spanier und Spanierinnen arbeitete in der Landwirtschaft). So wurden  die meisten der Nachrichten mündlich übertragen. Die noch jungen Josep und Vicent Almudéver wurden von ihrem Vater angehalten, den Arbeitern und Bauern in Cafés und Tavernen die Nachrichten aus den Zeitungen vorzulesen.

Mit dem Putsch der Franco-Generäle organisierten sich in Alcàsser im Juli 1936 sofort Bürgerkomitees, die Barrikaden zum Schutz von Einrichtungen des Volkes vor den Putschisten errichteten. Auf dem Spiel standen die von der Arbeiterklasse erworbenen Rechte,  deren Errungenschaft viel Leid gekostet hatte und die man nicht kampflos aus der Hand geben wollte. Vicent Almudéver und sein Bruder Josep (er war noch minderjährig) wollten da nicht passiv bleiben und haben sich sofort in der Zentrale der Kommunistischen Partei gemeldet, um sich als Freiwillige für den Widerstand anzumelden. Sie wurden an die Vereinigte Sozialistische Jugend von Valencia (Juventud Socialista Unificada de Valencia – JSUV) geleitet, sie waren bereit, zu den Waffen zu greifen und ihr Leben für die Republik zu riskieren.

Vicent Almudéver und seine Kameraden des Bataillons der JSUV wurden per Zug nach Aranjuez gebracht, wo sie auf unzählige Freiwillige aus anderen Teilen Spaniens trafen und ihre Grundausbildung erhielten, an wenigen, alten rostigen Waffen, die nicht einmal ausreichten, um die Hälfte der Kämpfer auszurüsten.

Von Aranjuez wurden sie an die Guadalajara-Front (Siguenza) geschickt, wo Vicent seine Feuertaufe erhielt. Den meisten Rekruten fehlte die Ausbildung, es glich einem Selbstmord, unter diesen Bedingungen an die Front zu ziehen, aber sie waren sich der prekären Situation bewusst, in der sich die republikanische Regierung befand.

Das Oberkommando entschied, diese unerfahrenen Rekruten nicht zu opfern und schickte sie nach Madrid. Dort warteten sie in einer Kaserne in Escorial im Nordwesten der Hauptstadt auf Waffen und Munition aus der Sowjetunion und Mexiko.

In Escorial schlossen sie sich der 31. Brigade unter dem Kommando von Dositeo an, wo sie endlich Waffen und Ausrüstung erhielten. Dann wurden sie an die Front von Las Rosas geschickt, wo sie nach wenigen Wochen der dritten Division von Obersten Tagüeña angeschlossen wurden. Vicent beteiligte sich an der Schlacht von Majadahonda an der Hauptstraße von Madrid nach Coruña.

Vicent erinnert sich noch heute mit Begeisterung an den Moment, wo er in den Straßen von Madrid die Internationalen Brigaden mit ihren Panzern, Maschinengewehren und der Artillerie sah, sowie in der Luft eine Staffel Sowjetischer Flugzeuge. Für die Menschen in Madrid war es ungemein wichtig zu sehen, dass sie in dieser schweren Zeit nicht allein waren was wesentlich zur Hebung der Kampfmoral beitrug.

Der Krieg trat in eine Phase der Konsolidierung der Positionen, die 3. Division, der Vicent angehörte, wurde in die Sierra de Guadarrama verlegt. In diesem schwierigen Gelände blieben sie für zwei Jahre in verschanzt, auch als die „schlafende Front“ genannt (Linie zwischen Segovia und Madrid). Es wurden Bunker und Befestigungsanlagen zum Schutz der Wasserversorgung Puentes Viejas für Madrid errichtet. La Pasionaria prägte mit ihrer leidenschaftlichen Rede die berühmt gewordene Losung „No pasarán! Madrid werde das Grab des Faschismus“ und das Symbol des Widerstands.

Die Republikanische Volksarmee benötigte Übersetzer und Vicent, als Zweisprachiger wurde dazu aufgefordert, eine Französisch-Prüfung abzulegen. Zusammen mit anderen Kameraden bestanden sie die Prüfung mit besten Ergebnissen. Deshalb sollte er im Büro der Zentrale von Oberst Vicente Rojo in Madrid arbeiten. Aber Vincent war mit dieser neuen Aufgabe nicht einverstanden. Er hatte sich nicht als Freiwilliger eingetragen, um am Schreibtisch zu sitzen, sondern um an der Front zu kämpfen. Daher bat er Oberst Tagüeña, ihn durch einen anderen Dolmetscher zu ersetzen. Später sollte er erfahren, dass der an seiner Stelle arbeitende Übersetzer während des Putsches durch General Casado (März 1939) erschossen worden war.

Im Juni 1937 nach dem Scheitern der Schlacht de La Granja erhielt die 3. Division des Obersten Tagüeña den Befehl, die Einheiten der Aragon-Front zu verstärken. Sie sollten die faschistische Bewegung stoppen, die Vinaroz zu erreichen drohte und somit das republikanische Spanien in zwei Teile schnitt. Der Druck der Italienier, der Marokkaner sowie der Legion Condor war so brutal, dass die republikanischen Kräfte dem Ansturm nicht standhalten konnten und sich nach Tortosa zurückziehen sollten.

Dort endeten sie in einer Sackgasse und waren am 12. April 1938 gezwungen, über den Ebro auszuweichen. Das war eine dramatische Episode, die Vicent in schrecklicher Erinnerung behielt. 3000 Soldaten des XV. Corps mussten einer nach dem anderen den schmalen Holzsteg einer Eisenbahnbrücke überqueren, während diese von Faschisten mit Maschinengewehren und Mörsern beschossen wurde. Unter den republikanischen Truppen brach eine Panik aus, Dutzende von Soldaten stürzten in den Fluss und versuchten das andere Ufer zu erreichen. Aber sie wurden vom reißenden Ebro verschlungen und die meisten von ihnen ertranken.

Seine Kameraden fielen unter Schreien in Angst und Hilflosigkeit. Vicent bestand wie durch ein Wunder diese Kampfprobe. Die Überlebenden wurden am anderen Ufer mit revolutionären Liedern von Armee-Einheiten unter Kommando von Enrique Líster begrüßt.

In dieser Phase des Krieges befand sich die Republikanische Armee in einer nahezu ausweglosen Lage. Sie schienen besiegt. Aber die Führung der neu geschaffenen Agrupación Autónoma del Ebro (autonome Gruppe am Ebro) unter dem Kommando von Oberstleutnant „Modesto“ zusammen mit Vicente Rojo und Lister, unter Beratung von sowjetischen Kommissare entschieden, dass Sie alles auf eine Karte setzen sollten. Sie sollten einen Gegenangriff starten, um die verlorenen Positionen wieder zu erlangen. Vicent nahm als Delegierter des JSUV an diesen Beratungen teil.

Am 24. Juli 1938 um 04.00 Uhr begann die Schlacht am Ebro mit einer Offensive auf einer Frontlinie von 50 Kilometern von Mequinenza bis Amposta. 100.000 Mann auf Seiten der Republikanischen Armee sollten den Druck, den die Franquisten auf Valencia ausübten, nehmen und die beiden republikanischen Gebiete wieder vereinigen. Vicent Almudéver überquerte den Ebro mit dem XV. Armeekorps in der Region Flix, sie gingen bei Fatarella in Stellung. Schließlich wurden sie von den Franquisten in den Hügeln von Gandesa gestoppt, es folgten mehrere Monate heftiger Kämpfe im Nahkampf mit Bajonetten und Handgranaten (in der Sierra de Cavalls und Pàndols). Hinzu kamen die Qualen durch Hunger und Durst, der ständige Beschuss durch die Franquisten, unterstützt von der Legion Condor sowie der Italienischen Luftwaffe. Nach dieser blutigen Schlacht, die Tausende von Opfern verlangte, mussten die erschöpften Republikaner erneut den Ebro überqueren. Eine der schrecklichsten und blutigsten Schlachten in der Geschichte Spaniens war beendet.

Vicent bewegte sich mit den Mitgliedern des XV. Armeecorps  in Richtung Port Bou mit der Absicht, die französische Grenze zu überqueren. In Cerbere, der ersten französischen Ortschaft, wurden sie von den Behörden verhaftet, entwaffnet und mit vielen Tausenden von Flüchtlingen in die Lager von Barcarès und Gurs verschickt. Das war eine der schlimmsten Erniedrigungen, die sie ertragen mussten: Folter durch die Polizei und die Wachen, es fehlte an Wasser, Nahrung und Medizin, viele Menschen starben an Hunger und Krankheit. Das war die schlimmste Strafe, die man sich vorstellen kann. Nicht genug, dass sie besiegt worden waren, wurden sie als Verbrecher behandelt, die nur noch Verachtung verdienten.

Vicent wurde nach einer Prüfung seiner beruflichen Qualifikation in ein Unternehmen geschickt, das im Auftrag der französischen Regierung den Bau von Militärlagern und Grenzanlagen ausführen sollte.

Im Juni 1940 mit dem Einmarsch der Nazis in Frankreich verschlechterte sich die Situation erheblich. Vicent wurde zunächst in eine Waffenfabrik in Paris eingesetzt, später für den Bau der U-Boot-Basis von Lorient in der Bretagne. Dort arbeitete er von 1941 bis 1945 (das heißt, bis zum Ende des 2. Weltkrieges) in der Wartung und Reparatur von U-Booten der 2. und 10. U-Boot-Flotte der Kriegsmarine an der Atlantikküste.

Der Sieg der Putschisten unter Führung Franco’s hatte katastrophale Folgen für die Spanischen Arbeiter und Bauern.

Deshalb, so meint Vicent, ist es so wichtig, das historische Gedächtnis zurückzuerlangen und pädagogische Arbeit zu leisten, damit sich die Wahrheit durchsetzt. Man muss an künftige Generationen weitergeben, dass nicht nur ein Bürgerkrieg stattfand, sondern dass darauf 40 Jahre repressiver und bedrückender Diktatur folgten. Und vielleicht ist es am bedauerlichsten, dass sich die Erben des Franco-Regimes nach dem Tod des Diktators als Demokraten  ausgaben und sich so als „Väter der Verfassung“ und „Erziehungsberechtigte der politischen Transición“ etablieren konnten.

Vicent hat seine Gedanken bis heute kein Stück verändert. Er ist bis heute der Junge von damals geblieben, der sich als Freiwilliger im Bataillon der JSUV eingeschrieben hatte: Ein republikanischer Soldat durch und durch, der sich sein Engagement für die sozialistische Revolution zu kämpfen bewahrt hat.

Heute wohnt er mit seiner Frau Irène in der französischen Gemeinde Rimont, um die 500 Einwohner zählend, im Département Ariège. Dieses Dorf wurde noch kurz vor Ende des 2. Weltkrieges von den Hitlerfaschisten in Brand gesteckt.

Lasst uns die Würde dieses offenen und aufrichtigen Mannes hervorheben, in einer Gegenwart von Ernüchterung und Mangel an Utopien! Er ist einer der letzten Überlebenden der Schlacht am Ebro!

(Zusammengefasst und übertragen ins Deutsche aus http://kaosenlared.net/miliciano-vicent-almudever-si-hitler-obtuvo-una-victoria-esa-fue-la-guerra-civil-espanola/, Kerstin Honmel)

Siehe auch: „Fünf Patronen und zwei Helden –Die Gebrüder Vincent und Joseph Almudéver über ihren Kampf in Spanien 1936 bis 1939″, Interview von Karlen Vesper, neues deutschland, 2013.

Redaktion KFSR

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