Vortrag des britischen Historikers Paul Preston auf der Gedenkveranstaltung zum 80. Jahrestag des „Zweiten Internationalen Schriftstellerkongresses zur Verteidigung der Kultur“ in Valencia am 04.07.2017

Vortrag des britischen Historikers Paul Preston auf der Gedenkveranstaltung zum 80. Jahrestag des „Zweiten Internationalen Schriftstellerkongresses zur Verteidigung der Kultur“ in Valencia am 04.07.2017

Wegen Erkrankung des Autors konnte der Beitrag nicht von ihm persönlich vorgetragen werden, sondern wurde schriftlich eingereicht und auf der Veranstaltung auszugsweise verlesen. Der spanische Text wurde entnommen aus „El País“. Die Übersetzung von M. Bremer wurde veröffentlicht in der Online-Zeitung „Das Blättchen“Zweiwochenzeitschrift 20. Jahrgang | Nummer 17 | 14. August 2017 unter dem Titel „Während das Volk starb …„.

Die Motivation der fast zweihundert internationalen Schriftsteller, die vor achtzig Jahren nach Valencia geeilt waren, könnte man mit den allseits bekannten Versen von Antonio Machado zusammen­fassen:

„Wäre meine Feder deiner Hauptmannspistole ebenbürtig, so würde ich zufrieden sterben.“

Leider wird es Francos Sieg zeigen, dass die Federn nicht die gleiche Wirkung haben wie Pistolen, Schnellfeuergewehre, Artillerie und Bomben.

Der Zweite Internationale Schriftstellerkongress zur Verteidigung der Kultur wurde am 4. Juli 1937 mit Unterstützung des republikanischen Ministeriums für Öffentliche Bildung eröffnet, in eben diesem Saal des Rathauses von Valencia, das damals gerade zuvor bombardiert worden war.

Die Eröffnungssitzung wurde durch eine Ansprache des Ministerpräsidenten Juan Negrín ein­geleitet. Zum Präsidium wurden Ernest Hemingway, Romain Rolland, André Malraux, Louis Aragon, George Bernard Shaw, Thomas Mann, Heinrich Mann, Antonio Machado und José Bergamín gezählt, obwohl viele von ihnen nicht anwesend waren.

Unter diesen Romain Rolland, der eine Botschaft gesandt hatte:

„In Valencia, Madrid und Barcelona ist in diesen Augenblicken die Kultur der ganzen Welt vereint, die bedroht ist durch die Flugzeuge und Bomben der faschistischen Barbaren, so wie sie es im Altertum durch den Einfall der Barbaren war.“

Dies war der erste von vielen emotionsgeladenen Texten und Ansprachen, deren Anklage des Faschismus der auf dem Kongress vorherrschende Ton sein würde.

Zu den heutzutage meist erinnerten Teilnehmern zählten Nicolás Guillén, César Vallejo, Tristan Tzara, Antonio Machado, Manuel Altolaguirre, Rafael Alberti, Miguel Hernández, Stephen Spender, Auden und Langston Hughes.

Zum Zitat von Machado zurückkehrend stellt sich die Frage: „Waren die Kongressteilnehmer involvierte Schriftsteller oder literarische Touristen?“ Keinesfalls Zweifel bei der Einteilung kann es geben, wenn man an die Delegierten denkt, die in den Internationalen Brigaden kämpften, wie Ludwig Renn, Gustav Regler, Jef Last und Ralph Bates, oder bei einigen Spaniern, die in den Streit­kräften kämpften, wie Gustavo Durán. Jedoch waren diese auf dem Kongress in der Minderheit.

Während viele Kongressteilnehmer sich darauf beschränkten, antifaschistische Losungen zu wieder­holen, konnten andere Schriftsteller nicht am Kongress teilnehmen, da sie mit anderen, mit engagierteren Aufgaben beschäftigt waren. Ich beziehe mich dabei auf diejenigen, die für längere Zeit nach Spanien gekommen waren, insbesondere als Korrespondenten.

Der Amerikaner Frank Hanighen stellte die Erinnerungen einiger Kameraden zusammen und ge­langte zu der Schlussfolgerung:

„Früher oder später verwandeln sich fast alle nach Spanien entsandten Journalisten beim Über­queren der Pyrenäen in jemand Anderen.“ „Nachdem sie dort eine Zeit verbracht hatten, erschienen ihnen die Fragen ihres Herausgebers aus dem fernen New York oder London wie banale Störungen. Denn in mehr als einen bloßen Beobachter hatten sie sich verwandelt: in Beteiligte an den Gräueln, an der Tragödie und am Abenteuer, das jeder Krieg darstellt.“

Der erfahrene Korrespondent Louis Fischer wies seinerseits darauf hin, dass „sich viele der aus­ländischen Korrespondenten, die die franquistische Zone besuchten, in Republikaner wandelten, aber dass praktisch all die zahllosen Journalisten und sonstigen Besucher, die das republikanische Spanien betraten, sich in aktive Mitstreiter der Sache verwandelten.“

Indem er von der Verwandlung in „aktive Mitstreiter der Sache“ sprach, stellte Fischer eine Ver­bindung her zwischen den Vorsätzen vieler Schriftsteller und Journalisten, die nach Spanien kamen, und denen der tausenden Männer und Frauen, die aus der ganzen Welt herbeieilten, um sich in die Internationalen Brigaden einzureihen. Diese Freiwilligen glaubten, für die Republik zu kämpfen, hieße angesichts des Angriffs des Faschismus für das Überleben der Demokratie und der Zivilisation zu kämpfen.

Der Verwandlung, von der Fischer sprach, lag eine tiefe Bewunderung für den Gleichmut zu Grunde, mit dem die Bevölkerung standhielt. Die Korrespondenten sahen das durch den unaufhörlichen Zustrom von Flüchtlingen, die vor Francos Streitkräften flohen, verursachte Gedränge. Sie sahen zer­fetzte Leichen unschuldiger Zivilisten, bombardiert von Land, Meer und Luft durch die faschistischen und Nazi-Alliierten Francos. Und das Heldentum der normalen Leute, die sich danach drängten, am Kampf teilzunehmen, um ihr demokratisches System zu verteidigen.

Einige dieser Beobachter waren später auf dem Schriftstellerkongress, jedoch die Mehrheit der Kongress­teilnehmer wusste recht wenig über die Wirklichkeit des Krieges.

Die engagiertesten Schriftsteller und Journalisten, wie auch die literarischen Touristen, waren überzeugt von den Folgen, die das, was in Spanien geschah, für den Rest der Welt haben werde. Sie verstanden das, was sie sahen, als ein Omen für das Schicksal, das die Welt erwarten würde, wenn der Faschismus nicht in Spanien gestoppt werde.

Deswegen spürten sie Wut und Enttäuschung angesichts der blinden Nachsicht der politischen Führer ihrer Länder, vor allem Großbritanniens, Frankreichs und der Vereinigten Staaten.

Viele fühlten sich durch ihre Empörung gedrängt, für die republikanische Sache zu schreiben, einige auch dazu, Druck zu machen in ihren Ländern, und, in einigen wenigen Fällen, auch zur Ver­teidigung der Republik zu den Waffen zu greifen. Einige wenige kamen als Journalisten und waren schließlich in den Internationalen Brigaden. Claud Cockburn, Hugh Slater und Tom Wintring­ham, alle mit Akkreditierungen der britischen kommunistischen Zeitung Daily Worker, verließen die Feder, um Soldaten zu werden.

Hemingway, Jay Allen, Martha Gellhorn, Fischer, George Steer und Orwell wurden, neben anderen, zu entschiedenen Anhängern der Republik, bis dahin, sich zu Aktivisten zu entwickeln. Einige der engagiertesten verfassten die genauesten und denkwürdigsten Kriegsreportagen. Frank Hanighen sieht es so, dass „der Krieg markiert den Beginn einer neuen Etappe, der mit Abstand ge­fährlichsten, der ganzen Geschichte der Zeitungsberichterstattung.“

Auf beiden Seiten sahen sich die Korrespondenten der Gefahr der Kugeln, der Granaten und der Bombardements der feindlichen Luftwaffe ausgesetzt. Mindestens fünf starben und weitere wurden verwundet. Auf beiden Seiten gab es Probleme, die Zensur zu überwinden; obwohl das, was auf der republikanischen Seite Unannehmlichkeiten bereiten konnte, auf der Seite der Rebellen manchmal Lebensgefahr mit sich brachte. Dort wurden Edmond Taylor, von der Chicago Daily Tribune; Bertrand de Jouvenal, von Paris-Soir; Hank Gorrell und Webb Miller von der Agentur United Press; und Arthur Koestler und Dennis Weaver, vom News Chronicle, eingekerkert und mit der Exekution bedroht. Mehr als dreißig wurden aus der Zone der Rebellen ausgewiesen, aber nur einer aus der republikanischen. Mindestens ein weiterer, Guy de Traversay, vom L’Intransigeant, wurde er­schossen und etwa ein Dutzend mehr wurde festgenommen, verhört und von den Rebellen für Tage oder Monate eingekerkert.

Ein gutes Beispiel für einen engagierten Schriftsteller war Herbert Matthews. Er war in Abessinien gewesen und glaubte damals, dass die italienische Invasion für jenes unterentwickelte Land positiv sein könnte. Was er in Spanien sah, verwandelte ihn in einen Antifaschisten. Seine Arbeit war sein Stolz und seine persönliche Ethik verpflichtete ihn, niemals ein Wort zu schreiben, das er nicht gewiss für wahr hielt. In Spanien musste er die Bitternis erleben, die Seite verlieren zu sehen, die er unterstützte. Er sagte:

„Wir, die wir die Sache der republikanischen Regierung gegen die der Nationalen Francos ver­teidigten, waren im Recht. Letztendlich war es die Sache der Gerechtigkeit, der Sittlichkeit und des Anstandes. … Alle, die wir den spanischen Bürgerkrieg erlebten, waren davon ergriffen und ließen dort unsere Haut. … Immer erschien mir bei jenen, die behaupteten, unparteiisch zu sein, Heuchelei und Scheinheiligkeit zu sehen zu sein; und Verrücktheit, wenn nicht gar völlige Blödheit, bei den Her­­ausgebern und Lektoren, die von den Korrespondenten, die über den Krieg schrieben, Objektivität oder Unparteilichkeit verlangten. … Indem sie die Parteilichkeit verurteilten, lehnten sie die einzig wirklich wichtigen Faktoren ab: die Aufrichtigkeit, das Verständnis und die Exaktheit.“

Ich erwähnte vorhin den Unterschied bei der Wahrnehmung der blutigen Realität des Krieges, den es bei den einen und anderen Kongressteilnehmern gab.

Spenders Erinnerungen werden weit weniger idealisiert sein als die von Octavio Paz, der Jahre später schrieb:

„Wir teilten die gleichen Hoffnungen und den gleichen Glauben, die gleichen Träume und Ent­täuschungen. Wir waren geeint durch ein Gefühl der moralischen Kränkung und durch die Solidarität mit den Unterdrückten. […] Es gab Liebe, Treue, Mut und Opfer und alles unvergesslich. Auf all diesen Sachen beruht die moralische Größe dieses Kongresses vor achtzig Jahren.“

Diese Sichtweise werden wir nachher an den Erinnerungen von Spender messen.

Obwohl die Kongressvorträge in der republikanischen und sogar der internationalen Presse viel Widerhall fanden, so änderten sie doch nicht die Sichtweisen der Kanzleien in London, Paris und Washington. Deren Wirkung auf die republikanische Bevölkerung ist schwer ein­zu­schätzen.

Laut Spender wurde die Flotte der Limousinen, die Delegierte von Barcelona nach Valencia und später nach Madrid transportierte, in jedem Ort, an dem sie stoppte, mit Begeisterung und Großzügigkeit von Leuten empfangen, die einen rührenden Glauben zeigten und dachten, dass die Ankunft „der Intellektuellen“ den republikanischen Widerstand stärken würde. Aber während das spanische Volk verhungerte, wurden die Kongressteilnehmer auf Banketten fürstlich bewirtet.

Spender schrieb, dass der Kongress in gewissem Sinne etwas von einem Fest verhätschelter Kinder hätte und fand etwas Groteskes in diesem „Zirkus der Intellektuellen, die behandelt wurden wie Fürsten und Minister, die hunderte Kilometer durch eine herrliche Landschaft und vorbei an durch vom Krieg zerstörten Ortschaften transportiert wurden, zum Klang des Beifalls der Leute, zwischen zerbrochenen Herzen, an Bord von Luxuswagen Rolls-Royce, verwöhnt mit Banketten und Festen, Liedern und Tänzen.“

Octavio Paz schrieb:

„Eines abends, […] musste ich in einem Dörfchen nah bei Valencia Zuflucht suchen, während die feindliche Luftwaffe ihre Bombenlast über der Landstraße fallen ließ. Ein Bauer bot uns Unter­schlupf in seiner Hütte. Als er feststellte, dass ich aus Mexiko kam, einem der wenigen Länder, das der Republik half, ging er trotz der Bomben hinaus in seinen Garten und erntete eine Melone. Und […] teilte sie mit uns.“

Spender hingegen fühlte Schuld wegen der Reaktion einer Bäuerin nach einem Essen, das man ihnen ihn Minglanilla geboten hatte. Als er über den Marktplatz ging, hielt ihn die Frau am Arm fest und flehte ihn an: „Mein Herr, können Sie verhindern, dass die schwarzen Vögel unsere Männer beschießen, während sie auf dem Feld arbeiten?“.

Es gab einen düsteren Aspekt des Kongresses, einer der Organisatoren dessen war Michail Kolzow, Korrespondent der Prawda. Das erklärte Hauptziel des Treffens war es, zu zeigen, dass der größte Teil der Intellektuellen der Welt, die Republik unterstützte.

Jedoch gab es ein implizites Thema, das privat und in öffentlichen Sitzungen diskutiert wurde. Außer dass sie viel Zeit harten Kritiken an Trotzki widmeten, hatten die russischen Delegierten (darunter Kolzow, Alexei Tolstoi, der Dokumentarist Roman Karmen und Ilja Ehrenburg, gemeinsam mit Kommunisten aus Spanien und weiteren Ländern) die Absicht, den „Verrat“ anzuklagen, den André Gide 1936 mit der Veröffentlichung von Retour de l’USSR begangen hatte, einem Bericht über eine kürzliche Rundfahrt einer Gruppe von französischen Intellektuellen, Kommunisten und „Weg­begleitern“, durch die Sowjetunion, bei der sie wie erlesene Gäste verwöhnt worden waren.

Gides Buch kritisierte Aspekte des sowjetischen Lebens, die ihn erschreckt hatten, wie der Kult um die Person Stalins, die obsessive Verfolgung des Trotzkismus und die Politisierung der Kunst.

Auf die Kritiken, die sein Buch ausgelöst hatte, hatte er mit einem weiteren geantwortet, Retouches à mon retour de l’URSS, 1937 veröffentlicht. Da es keine Übersetzungen gab, hatten viele Teil­nehmer des Zweiten Kongresses dieses nicht gelesen.*(A)

Nach Paz waren Gides Kritiken „maßvoll, eher freundschaftliche Tadel. Trotzdem wurde er durch den Kongress schlecht und geringschätzig behandelt; es gab welche, die ihn als ‘Feind des spanischen Volkes’ bezeichneten. Andere nannten ihn ‘faschistisches Monster’ und ‘dekadenten Spießbürger’. Obwohl viele von uns überzeugt waren, dass die Angriffe ungerecht waren und wir Gide bewunderten, blieben wir still.“

Kolzow stach durch seine sarkastischen Kommentare über den französischen Schriftsteller hervor. Die in der spanischen Presse veröffentlichte Version seines jenem gewidmeten Vortrags in Madrid enthielt eine Passage, die später in seinem Kriegstagebuch weggelassen wurde. Er sprach über den in der Sowjetunion entfesselten Terror wie über eine vorbeugende Maßnahme:

„Es gibt einige Leute, die sich ein wenig wundern über die Entschlossenheit, mit der wir sow­jetischen Schriftsteller die unerschütterlichen und unerbittlichen Maßnahmen unserer Regierung gegen die Verräter, die Spione und die Feinde des Volkes unterstützen. Diese Leute denken, dass wir, obwohl wir gute sowjetische Patrioten, aber auch friedfertige und harmlose Arbeiter der Feder seien, all dieses den unnachgiebigen Organen der Macht überlassen und selber abseits dieser Sachen stehen sollten, dass wir uns nicht in diese Angelegenheiten einmischen sollten, oder wenigstens über diese schweigen, nicht laut über diese auf den Seiten unserer Presse sprechen sollten. Nein, Kollegen und Genossen. Es ist für uns eine Frage der Ehre. Der Ehre der sowjetischen Schriftsteller, in den vordersten Linien zu sein im Kampf gegen den Verrat, gegen jedes Attentat auf die Freiheit und die Unabhängigkeit unseres Volkes.“ Er erklärte, dass die Militär­verschwörung in Spanien nicht möglich gewesen wäre, wenn die Regierung der Republik die selbe Entschiedenheit wie der Kreml gehabt hätte, um ihre Feinde zum Verstummen zu bringen. „Unser Land ist voll­kommen sicher gegen die Abenteuer der großen und kleinen Francos. Es ist sicher wegen seiner Wachsamkeit und Entschlossenheit, es ist sicher, weil die sowjetischen Sicherheits­organe bereits beim ersten Schritt den trotzkistischen kleinen Francos den Weg versperrt und das Militärtribunal, vom ganzen Volk unterstützt, diese bestraft.“

Der Groll von Kolzow gegen Gide hatte eine Dosis Selbstschutz. Stalin hatte ihm seine Rolle bei der Organisation des Ersten Internationalen Schriftstellerkongresses 1935 in Paris nicht verziehen. Er sah es so, dass er [Kolzow] sich zu sehr darauf konzentriert hätte, dass die Teilnehmer Hitler ver­urteilen sollten, anstatt Loblieder auf seine Person zu dichten. Er meinte, dass Kolzow der Kanal für das gewesen war, was er als eine Erpressung seitens der französischen Delegierten empfand, die damit drohten, den Kongress zu boykottieren, wenn die UdSSR nicht anstatt der Schriftstellerchen der Partei, angesehene literarische Persönlichkeiten, wie Isaak Babel oder Boris Pasternak, ent­senden würde.

Als er nun einmal Babel und Pasternak entsandt hatte, erfuhr Stalin eine neue Demütigung, als französische Delegierte und der Italiener Gaetano Salvemini den Fall Victor Serge auf den Tisch brachten, eines französischen trotzkistischen Schriftstellers, der seit 1933 in Russ­land eingekerkert war. Gide und Malraux ließen als Präsidenten des Kongresses zu, dass diese Angelegenheit diskutiert wurde.

Die Russen, darunter Kolzow, jedoch nicht Pasternak, verneinten, etwas über das Schicksal Victor Serges, ihres Kameraden im Schriftstellerverband, zu wissen. Trotz der Bemühungen Kolzows musste Serge als Ergebnis des auf dem Kongress erregten Aufsehens in Freiheit gesetzt werden. Kolzow würde am Ende wegen dieser Beleidigung und wegen seiner Verbrüderung mit französischen Linken, die dann später die UdSSR kritisieren würden, einen sehr hohen Preis zahlen. Wie auch Malraux.

Trotz der Niederlage und der bitteren Enttäuschung, Zeuge der schuldhaften Fahrlässigkeit der Demokratien gewesen zu sein, behielten fast alle, die die Sache der Republik unterstützt hatten, für den Rest ihres Lebens die Überzeugung, an einem Kampf von großer Tragweite teilgenommen zu haben.

Das war ein Gefühl, das George Orwell teilte, dessen Erinnerungen an die kurze Zeit, die er in Spanien verbracht hatte, jenen, von der extremen Linken bis zur extremen Rechten, sehr geholfen haben, die behaupten, dass in gewisser Weise die Verantwortung für die Niederlage der Republik mehr bei Stalin als bei Franco, Hitler, Mussolini oder Chamberlain liege.

Trotz der Verbitterung wegen dessen, was er als einfacher Soldat der POUM gesehen hatte, be­stätigte Orwell, keine Enttäuschung zu verspüren: „Es ist ziemlich merkwürdig, das die Erfahrung in ihrer Gesamtheit meinen Glauben an die Aufrichtigkeit der menschlichen Wesen nicht verringert, sondern vermehrt hat.“

Noch in der Dekade von 1980 meinte Alfred Kazin, dass der Krieg in Spanien „die Wunde sei, die nicht heilen wird“. Und fügte hinzu:

„Spanien ist nicht meine Heimat; jedoch der spanische Bürgerkrieg, so wie der, der ihm folgte, war mein Krieg. In ihm verlor ich Freunde. Ich verlor die Hoffnung, dass man Hitler vor dem Zweiten Weltkrieg aufhalten könne. Mit den Säuberungsprozessen in Moskau verlor ich die Sympathie, die mir für die Kommunisten verblieben war. Jedoch diejenigen, die die spanische Republik zerstörten, werden immer meine Feinde sein.“

Die Schriftstellerin Josephine Herbst gehörte zu den wenigen Kongressteilnehmern, die etwas über den Krieg wussten. Vor und nach dem Kongress fuhr sie unermüdlich durch die republikanische Zone. Niemand konnte besser die Bedeutung zusammenfassen, die der Kampf für so viele Schrift­steller und Journalisten hatte, Zeugen des heroischen Widerstandes der Republik. 1966, mit 66 Jahren sah sie den Dokumentarfilm Mourir à Madrid von Frédéric Rossif. Danach schrieb sie an einige Freunde:

„Es hätte mir nicht gefallen, irgendeinen Bekannten an meiner Seite zu haben; nicht, wenn er nicht wenigstens die selben Erfahrungen gemacht hätte. Ich fühlte mich nicht nur so, als ob ich sterben würde, sondern auch als ob ich gestorben wäre. Und […] das, was ich beim Hinausgehen außerhalb des Saales und auf der Straße sah, erschien mir völlig irreal. Es kam mir der Gedanke, dass im wortwörtlichsten Sinn, mein Leben im Wesentlichen in Spanien geendet hatte. […] Ich wusste, dass nichts den Zweiten Weltkrieg verhindern würde. Nichts. Und seit damals habe ich den größten Teil der Zeit verlebt dank des vergrabenen Schatzes der vorherigen Jahre. […] Alles wiederholt sich, und das ist schrecklich, aber niemals lernt man die Lektion.“

Wie viele der Teilnehmer des Kongresses von Valencia werden später auf der Grundlage eines solchen vergrabenen geistigen Schatzes gelebt haben, den die Erfahrung des Kampfes der Republik für Josephine Herbst gebracht hat?

*(A) Anmerkung der Redaktion:

Der Historiker Werner Abel wies darauf hin, dass es einen Fehler an dieser Stelle des Textes gibt. Preston schreibt, dass es zur Zeit des Schriftstellerkongresses noch keine Übersetzung von Gides „Retouches à mon Retour de l´U.R.S.S.“ gab. Das aber kann nicht stimmen. Das Büchlein (142 Seiten) erschien am 1.1. 1937 in Paris, knapp zwei Monate später erschien die von Ferdinand Hardekopf besorgte Übersetzung im Jean-Christophe-Verlag in Zürich. Gustav Regler z.B. schrieb in seinen Erinnerungen, dass er und seine Freunde die Reaktion Gides auf seine Kritiker gelesen und diskutiert hatten. Und was weitere fehlende Übersetzungen anging: Der größte Teil der Schriftsteller, so auch Kolzow, sprachen Französisch.

Redaktion KFSR

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