»Francos Schatten reicht bis in die Zukunft« – Interview von Ronald Weber mit Georg Pichler.

Titelfoto: »Insgesamt kämpften schließlich 1.400 Österreicher an der Seite der Spanischen Republik, in fast allen Einheiten, vor allem aber im 12.-Februar-Bataillon der XI. Internationalen Brigade. Mehr als 230 von ihnen starben in Spanien, rund 80 im Widerstand gegen den Nationalsozialismus oder in KZs.« – Georg Pichler,
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»Francos Schatten reicht bis in die Zukunft«

Am Freitag eröffnet in Berlin eine Ausstellung über Österreicher im ­spanischen Bürgerkrieg. Ein Gespräch mit Georg Pichler
Interview: Ronald Weber

Sie haben die Ausstellung »Camaradas. Österreicher im Spanischen Bürgerkrieg« kuratiert. Von deutscher Seite sind mehrheitlich Kommunisten nach Spanien gegangen. Wie war das bei den Österreichern?

Es war bei den Österreichern anders, allein schon weil die Kommunistische Partei nie so stark war wie in Deutschland. Wenn man sich die Biographien anschaut, gab es mehr Sozialdemokraten, die nach Spanien gegangen sind. Viele von ihnen waren enttäuscht über die sozialdemokratische Führung und deren Rolle in der Februarrevolution 1934. Die Kommunistische Partei war die einzige Partei, die dort wirklich im umfassenden Ausmaß tätig war. Viele Sozialdemokraten traten dann aus der SPÖ aus und in die KPÖ ein, vor allem Mitglieder des Republikanischen Schutzbundes.

War es schwer, nach Spanien zu gelangen?

Es war sehr schwer. Österreich war ja seit 1934 eine Diktatur, das war der sogenannte Ständestaat, der Austrofaschismus. Diejenigen, die sich im Exil befanden, mussten Deutschland und Österreich umrunden, um nach Frankreich zu gelangen, von wo aus man weiter nach Spanien kommen konnte. Diejenigen, die in Österreich lebten, konnten, wenn sie einen gültigen Ausweis hatten, die Grenze zur Schweiz passieren, von da aus war es dann relativ leicht, nach Frankreich zu kommen. Aber es gab ein doch recht gut funktionierendes illegales Transportnetzwerk, in dem auch viele Frauen tätig waren. Insgesamt kämpften schließlich 1.400 Österreicher an der Seite der Spanischen Republik, in fast allen Einheiten, vor allem aber im 12.-Februar-Bataillon der XI. Internationalen Brigade. Mehr als 230 von ihnen starben in Spanien, rund 80 im Widerstand gegen den Nationalsozialismus oder in KZs.

Gibt es in Österreich eine öffentliche Erinnerung an diese Menschen?

Die Erinnerung an die österreichischen Spanienkämpfer ist leider sehr klein. Es gibt mit dem Spanienarchiv, das Teil des Dokumentationsarchivs des Österreichischen Widerstands ist, eines der besten Archive überhaupt zu diesem Thema. Es wurde in den Achtzigerjahren von Hans Landauer aufgebaut, der selbst in Spanien gekämpft hat. Aber das Wissen über den Bürgerkrieg an sich ist in der Gesellschaft, wie ich letztes Jahr bei meinen verschiedenen Veranstaltungen feststellen musste, leider sehr gering.

Sie forschen seit langer Zeit schwerpunktmäßig zum Bürgerkrieg und seinen Folgen, die ja bis heute kaum aufgearbeitet sind. Wie lang ist der Schatten des Franquismus im heutigen Spanien?

Der reicht noch bis weit in die Zukunft. Aber es ist im Grunde nicht mehr der ursprüngliche Franquismus, der bis 1975 und danach noch existierte, sondern es sind seine politischen und sozialen Folgen. Bei den Unruhen in Barcelona hat man beispielsweise jetzt gesehen, dass der Staat doch recht leicht mit Polizeigewalt reagiert. Man merkt einfach die mangelnde Bereitschaft zu diskutieren. Man hätte das Problem über einen wirklichen Dialog regeln können. Aber das war nicht möglich, weil sich die Regierung auf den Standpunkt stellt: Mit solchen Leuten diskutieren wir nicht. Das ist für mich eine späte Erscheinungsform des Franquismus. Zwar war die Aversion gegen die Katalanen schon vorher virulent. Aber unter Franco wurde sie enorm angeheizt. Eine andere Folge des Franquismus ist die Korruption, die ja ein gigantisches Ausmaß hat.

Die Erinnerungspolitik ist vor allem ein Problem des konservativen Partido Popular. Wie verhalten sich denn die Sozialisten zu der Frage?

Das Problem hat vor allem der Partido Popular. Aber die Sozialisten tun sich auch sehr schwer. In den 1980er Jahren hätte Felipe González als erster sozialistischer Ministerpräsident die Möglichkeit gehabt, vieles zu ändern. Er hätte öffentlich über die Getöteten und Verschwundenen sprechen können. Aber er hat nichts getan. Das Ganze brach dann erst rund um das Jahr 2000 auf. Mittlerweile sind zahlreiche Massengräber geöffnet worden, allerdings auf private Initiative, und es gibt eine rege Debatte, an der sich allerdings auch die Rechte beteiligt, indem sie sehr aktiv versucht, den Franquismus zu verklären und die republikanische Seite zu schmähen.

Georg Pichler ist Literaturwissenschaftler und lehrt an der Universität von Alcalá

Camaradas. Österreicher im Spanischen Bürgerkrieg 1936–1939. Fotoausstellung, Haus der Demokratie und Menschenrechte, Greifswalder Straße 4, 10405 Berlin, Eröffnung am 6.10. um 17:30 im Rahmen des Jahrestreffens des Vereins Kämpfer und Freunde des Spanischen Bürgerkriegs. www.kfsr.info

Quelle: junge Welt, Aus: Ausgabe vom 05.10.2017, Seite 2 / Geschichte

Redaktion KFSR

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