Über Gerda Taro: Frontfotografin mit kurzer Reutlinger Geschichte. Thomas De Marco.

Über Gerda Taro: Frontfotografin mit kurzer Reutlinger Geschichte

Von Thomas De Marco, Schwäbisches Tagblatt 03.05.2018

Archivbild: Gerda Taro mit Robert Capa

Es ist eine der berühmtesten Fotografien der Weltgeschichte: ein fallender republikanischer Kämpfer im spanischen Bürgerkrieg, abgelichtet in einer allerdings gestellten Situation vom berühmten Kriegsreporter Robert Capa 1936. Weitgehend vergessen ist mittlerweile aber seine Lebensgefährtin Gerda Taro, die ebenfalls an der Front fotografierte – und die entfernt sogar etwas mit Reutlingen zu tun hatte, wie der Waiblinger Reinhard Neudorfer von den Linken am Montag auf Einladung seiner Reutlinger Parteikollegen referierte.

Denn ihre Kindheit und Jugend hatte die am 1. August 1910 in Stuttgart als Gerta Pohorylle geborene Jüdin unter anderem in Reutlingen verbracht. Ihr Vater, der mit seiner Familie aus Ostgalizien eingewandert war, betrieb einen Eiergroßhandel in der Katharinenstraße 6. Als sie 19 Jahre alt war, zog die als lebenslustig beschriebene Gerta Pohorylle mit der Familie nach Leipzig, wo sie sich gegen die Nationalsozialisten engagierte. Nach einer Flugblattaktion wurde sie 1933 verhaftet, kam aber nach zwei Wochen wieder frei. Weil sie der Gestapo überzeugend die Unschuld vom Lande vorgespielt habe, wie Neudorfer ausführte. Und weil sich der polnische Gesandte für Pohorylle, die noch die polnische Staatsangehörigkeit besaß, einsetzte.

Nach dieser Erfahrung emigrierte die junge Frau nach Frankreich, wo sie den ungarischen Fotografen André Friedman kennenlernte. Pohorylle wurde seine Schülerin, Geliebte und Frau. Um ihre Aufnahmen besser verkaufen zu können, legten sich die beiden Pseudonyme zu – Robert Capa und Gerda Taro, die sich manchmal auch Gerta nannte. Sie gingen nach Spanien, um vom Bürgerkrieg zu berichten, Taro war damals die erste Frau, die an der Front fotografiert. Dabei stammen viele der Aufnahmen, die zunächst Capa zugeschrieben wurden, von ihr, sagt Neudorfer, Mitglied im Verein „Kämpfer und Freunde der Spanischen Republik“.

Taro soll einmal gesagt haben, „Wenn du daran denkst, wie viele Menschen wir kennen, die in diesem Krieg gestorben sind, dann ist es unsolidarisch, noch am Leben zu sein.“ Nur kurze Zeit später, am 26. Juli 1937, ist die Fotografin umgekommen. Taro hatte am Tag zuvor Bilder gemacht vom Versuch der republikanischen Armee, an der Brunete-Front die Reihen der Faschisten zu durchbrechen. Sie war auf dem Rückweg von dieser Front und stand auf dem Trittbrett eines Lastwagens. Ein Panzer der republikanischen Armee kollidierte mit dem Laster und überfuhr Taro. Für Neudorfer ist sie ein Opfer der Faschisten, denn immerhin sei der Unfall eine Folge dieser Kämpfe gewesen.

Ansonsten ist der vielfach als Waiblinger Bundestagskandidat angetretene Linken-Politiker um eine objektive Aufarbeitung des Bürgerkriegs bemüht und bewertet auch kritisch die Rolle der Kommunistischen Partei. Die habe das große Begräbnis von Taro in Paris schamlos zur Eigenwerbung ausgenutzt, sagt Neudorfer und verweist darauf, dass die Fotografin weder Mitglied dieser Partei noch bei den Sozialdemokraten gewesen war: „Ihre Unabhängigkeit war Taro wichtig.“

Insgesamt war Neudorfers Zeitreise in den spanischen Bürgerkrieg vor etwa 20 Gästen eine gelungene Premiere der Linken beim Versuch, den Vorabend des 1. Mai nicht mit Tanz in den selbigen, sondern mit einem politischen Angebot zu besetzen. Allerdings hätte es ruhig etwas mehr zu Taros Reutlingen-Bezug sein dürfen.

Redaktion KFSR

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