Medienspiegel: „Fünfzehn Köpfe am Tag“. Von Gerhard Oberkofler. Aus: jW, 08.06.2018.

Aus: Ausgabe vom 08.06.2018, Seite 11 / Feuilleton

Fünfzehn Köpfe am Tag

Die Kurie segnete das Morden der spanischen Faschisten. Der katholische Schriftsteller Georges Bernanos beschrieb es mit Abscheu

Von Gerhard Oberkofler

In Spanien bemühen sich seit einiger Zeit Angehörige von Opfern des Francoregimes, die in oft schon eingeebneten Massengräbern verscharrt worden sind, diese zu exhumieren und in würdevoller Weise zu bestatten. Auf den da und dort in Medien veröffentlichten Bildern dieser Begräbnisse fehlen in der Regel katholische Priester. Warum ist das so?

Zu den wichtigsten katholischen Schriftstellern gehört der heute so gut wie vergessene Franzose Georges Bernanos (1888–1948). Während seines Aufenthaltes auf der kleinen Insel Mallorca hat Bernanos das Morden der Francofaschisten als Augenzeuge miterlebt und darüber ein in ungewöhnlich offener Sprache geschriebenes Buch mit dem Titel »Die großen Friedhöfe unter dem Mond« veröffentlicht (Paris 1938; in deutscher Sprache zuletzt 1983, Frankfurt am Main). »So erhielten, bis zum Dezember [1936], die Hohlwege der Insel rings um die Friedhöfe regelmäßig ihre tödliche Ernte Andersdenkender. Arbeiter, Bauern, aber auch Bürger, Apotheker, Rechtsanwälte. (…) Ein neugieriger Autofahrer hätte, wenn er eine kleine Anstrengung nicht scheute, ohne weiteres eine Wette halten können, dass er Tag für Tag fünfzehn Köpfe von Andersdenkenden würde fallen sehen. Diese Zahlen sind auch Seiner Exzellenz dem Erzbischof von Palma bekannt«.

Bernanos schildert rücksichtslos, wie »die Roten von Palma«, in ihrer Mehrzahl den gemäßigten Linksparteien angehörend, »wie wildernde Hunde niedergeknallt« wurden, »nicht einer von all den Verwundeten und Kranken, die bei den Kriegshandlungen gegen die Katalanen im August und September 1936 auf Mallorca in Gefangenschaft gerieten, wurde von den Nationalen verschont. Auf was hin, frage ich [Bernanos], hätten sie auch verschont werden sollen? Sie galten außerhalb des Gesetzes stehend, damit standen sie auch außerhalb der Menschheit, waren einfach wilde Tiere«. Die katholische Geistlichkeit war insgesamt auf der Seite der Faschisten, duldete und segnete dieses Morden.

Unbelehrt und unbelehrbar von dieser geschichtlichen Tatsache hat 2007 der deutsche Papst Benedikt XVI. 498 katholische Priester und Laien, die auf der Seite der Francobanden gestanden hatten und umgekommen sind, »seliggesprochen«. Das kann nur als eine bewusste Maßnahme zur Rehabilitierung der katholischen Bourgeoisie in Deutschland und Spanien eingeschätzt werden. Aber nicht nur das, diese fatale Aktion sollte im Voraus Verständnis der römischen Kurie für das Vorgehen gegen Andersdenkende nicht nur in diesen Ländern signalisieren. Ausgerechnet zu diesem deutschen Papst sind Vertreter der Linken, speziell aus Österreich, im Bündnis mit der rechtskatholischen Laienbewegung Fokolare in ihren Konfirmationsanzügen gepilgert.

Inzwischen haben sich die Verhältnisse im Vatikan geändert, ob nur vorübergehend oder auf Dauer, das weiß niemand. Die Kirche hat historisch gesehen die Tendenz, zu ihrem alten System an der Seite der herrschenden Eliten immer wieder zurückzufinden. Papst Franziskus hat sich von der faschistenfreundliche Geste seines deutschen Vorgängers distanziert. Das ist von den Medien nicht beachtet worden, ändert aber nichts daran. In seinem ersten Apostolischen Rundschreiben »Evangelii gaudium« hat Papst Franziskus den Namen von Georges Bernanos aus dem schier unendlichen Meer der versunkenen katholischen Literatur zurückgeholt (2013, Absatz 83) und ist mit ihm an die Seite der Opfer getreten.

Aus: junge Welt, Aus: Ausgabe vom 08.06.2018, Seite 11 / Feuilleton

Redaktion KFSR

Redaktion KFSR

Hier ist Platz für ein Wenig Biografie. Lorem ipsum dolor sit amed.