Die unbekannte Brigade aus „El País“, Barcelona, 27.10.2018. Von Carles Geli.

Die unbekannte Brigade

Aus „El País“, Barcelona, 27.10.2018. Von Carles Geli

Marokkanische Soldaten und Frauen – neue Aspekte der Forschungen zu den Internationalen Brigaden, 80 Jahre nach ihrer Abschiedsparade in Barcelona

Mitglieder der Internationalen Brigaden marschieren am 28. Oktober 1938 in Barcelona auf der Allee des 14. April (heute Diagonal). HENRY BUCKLEY

Mit ihren Baretten und Flanell-Stehkragenjacken angetan, lächelt praktisch nicht ein einziger. Und das, obwohl sie den Krieg hinter sich ließen und nach Hause gingen. Das ist ein in Les Masies, einem ehemaligen Badort zwischen dem Kloster Poblet und Espluga de Francolí 25. Oktober 1938 aufgenommenes Bild der Ehrung, die die Ebro-Armee den Mitgliedern der Internationalen Brigaden zuteil werden lässt. 35.000 bis 40.000 Kämpfer aus mehr als 50 Nationen nahmen selbstlos am spanischen Bürgerkrieg teil. Rund 10.000 von ihnen sie zahlten mit ihrem Leben: mehr konnten nicht geben. Nur fünf Wochen zuvor, am 18. September, hatte der Völkerbund eine Resolution verabschiedet, in der der Rückzug angeordnet worden war…. Es gibt auch kein offenes Lächeln der jungen Frauen mit den Blumen, die sie drei Tage später, am 28. Oktober, den Brigadisten zuwerfen. Einige Tausend von ihnen, Vertreter aller Einheiten und Länder, nehmen an dem Umzug auf der Allee des 14. April, der heutigen Diagonal teil. Auf dem Gesicht einer dieser jungen Frauen, ganz links, spiegelt sich verborgene Trauer und ganz bestimmt das Nachdenken darüber, was dieser Marsch bedeuten wird für die Zukunft des Mädchen mit der Schleife im Haar, das sie auf dem Arm hält.

Die Bilder wurden Henry Buckley aufgenommen, einem englischen Kriegsberichterstatter von The Daily Telegraph. Im Bezirksarchiv von Alt Penedès hinterlegt (Buckley heiratete am Ende die Katalanin Maria Planes und arbeitete als Spanien-Korrespondent für Reuters), sind sie Teil einer weitgehend unveröffentlichten Serie, die heute in einer prägnanten, bescheidenen Ausstellung des Memorial Democràtic im Garten des Palais Robert in Barcelona anlässlich des 80. Jahrestags dieser Parade gezeigt wird. Es sind gerade einmal 10 Schnappschüsse, die ein besseres Schicksal verdient hätten, berührend, wie sie sind. Besonders der letzte: Buckley fängt fast aus der Froschperspektive das Ende der Parade ein, als die Brigadistas schon etwas weiter entfernt sind; Einwohner Barcelonas sind auf den Balkonen zu sehen, Papiere herunterwerfend. Die fallen zu Boden und bleiben zurück, neben bereits zertretenen Blumensträußen. Besser könnte die Bewegtheit des Augenblicks und Buckleys eigene Stimmung, eines frommen Katholiken, der tiefste Bewunderung und Solidarität angesichts der Episoden des menschlichen Faktors empfand, die er auf der Seite der Republikaner sah, nicht ausgedrückt werden.

In Chroniken wird von einem Ausbruch von Dankbarkeit seitens der Bevölkerung berichtet, die fast eine halbe Million Menschen in Barcelona auf die Straße brachte, obwohl die Parade aus Angst vor Bombardierungen erst wenige Stunden zuvor öffentlich angekündigt worden war. Vielleicht war es ja auch nicht ganz so, und es ist dies einer der Mythen, die die Internationalen Brigaden umgeben. So vieles bleibt noch zu erzählen und zu enthüllen über sie, wie sich am vergangenen Freitag auf dem Internationalen Seminar Geschichte und Erinnerung an die Internationalen Brigaden, ein Ost-West-Blick, zeigte. Organisiert wurde es von der Universität Barcelona über das European Memory Observatory und die CRAI Library of the Republic Pavilion. Zum Beispiel die Anwesenheit arabischer Brigadistas und insbesondere Marokkaner, die in der kollektiven Vorstellung (von damals und heute) mit den brutalen Truppen identifiziert werden, aus denen sich Francos Rebellenheer rekrutierte.

Teilnehmer der Abschiedsparade der Internationalen Brigaden am 28. Oktober 1938 in Barcelona. HENRY BUCKLEY

Man schätzt, dass es tausend arabischen Brigadistas waren. Sie zahlten einen hohen Preis, denn die Hälfte von ihnen fiel. Die meisten von ihnen kamen aus dem Maghreb. Zum größten Teil waren es Algerier, „rund 500, dank des Einflusses der französischen Kommunisten und einer größeren Arbeiterbasis“, berichtet Rocío Velasco de Castro von der Universität Extremadura. Die Marokkaner zählten zweihundert, aber es fanden sich auch Saudis (vier), Syrer (11), Ägypter (fünf) und sogar ein Libanese. Mit 226 an der Zahl bildeten Palästinenser („viele waren Juden“) das zweitgrößte arabische Kontingent.

Unter diesen letzteren hebt die Forscherin Muhammad Najati Sidqui hervor, der sich durch seine besondere Rolle ausgezeichnet hatte: Abgesehen davon, dass er einer der wenigen war, die einige Erinnerungen hinterlassen haben (unveröffentlicht auf Spanisch), war er für die republikanische Propaganda verantwortlich, die sich an seine marokkanischen Landsleute auf der Seite der Faschisten mit dem Aufruf wandte, die Seite zu wechseln. Anscheinend versuchte er es mit einem Megaphon aus den Schützengräben der Cordoba-Front. Viel Erfolg war ihm nicht beschieden, und genauso schwer, wenn nicht noch schwerer war es für ihn, die Seinen zu überzeugen, diese Arbeit direkt dort zu leisten, wo die Faschisten in Marokko rekrutierten, über einen Radiosender in Algerien. Die französischen Behörden gaben dazu keine Genehmigung.

Neben anderen Beiträgen konnte auf dem Seminar festgehalten werden, dass es in den USA zwar fünf Denkmäler für die Brigadistas gibt, jedoch „das, was in Spanien geschah, ignoriert wird, nicht Teil der offiziellen Geschichte des Kampfes gegen den Faschismus ist, die für die Amerikaner mit Pearl Harbour beginnt“, erinnerte der US-Historiker Robert Coale. Er berichtete, das einige Anhänger des McCarthismus über rechte Rundfunkstationen gegen die Kommunisten hetzen, die die Lincoln-Brigade gründeten. Im ehemaligen Jugoslawien „entfernt der konservative Revisionismus heute Plaketten oder Denkmäler der Spanier, wie man diejenigen (rund 1900, zumeist aus Kroatien und Slowenien), die in Spanien kämpften, nannte,“ informierte Vjeran Pavlakovic, Professor der Universität von Rijeka (Kroatien).

Wenig erforscht ist auch die weibliche Präsenz. „Wir lassen keine Frauen zu; ansonsten bricht die Brigade aus naheliegenden Gründen zusammen“, antwortete der Italiener Luigi Longo, einer der Spitzenführer der Internationalen Brigaden, schriftlich einer Frau aus Straßburg, die im Dezember 1936 um Aufnahme bat. Daran erinnerte die niederländische Wissenschaftlerin Yvonne Scholten, die unter den 700 niederländischen Kämpfern, die nach Spanien gingen, 25 Frauen (fast alle Kommunistinnen) entdeckte. Abseits der Front und hauptsächlich zu Sanitätsdiensten abgeordnet, hob sie das Schicksal von Adriana Schrijver (natürlich Kommunistin) hervor: Sie war von September 1936 bis August 1938 in Spanien. Die Kommunistischen Partei Spaniens PCE setzte durch, dass ihre niederländischen Amtskollegen sie wegen „Beziehungen zu POUM-Leuten“ ausschlossen. In ihr Heimatland zurückgekehrt, verlor sie wie fast alle Kämpfer ihre Staatsangehörigkeit, wurde von der Polizei verhört und auf eine Liste von Subversiven gesetzt. Während der deutschen Invasion gelangte die Akte in die Hände der Gestapo. Von den Nazis gefoltert, beging sie am Ende in ihrer Zelle Selbstmord. Sie war 35 Jahre alt.

23.700 Kämpfer haben bereits ihre Geschichte

Verabschiedung der Internationalen Brigaden in Espluga de Francolí am 25. Oktober 1938. HENRY BUCKLE

Auch sie sind auch ehrenamtlich tätig und bilden eine heterogene Gruppe von Archivaren, Bibliothekaren und Historikern, sechs feste und weitere zeitweilige Mitarbeiter. Sie arbeiten in der CRAI-Bibliothek des Pavillons der Republik, die seit acht Jahren das SIDBRINT (Digital Information System on International Brigades), ein Portal über die mythischen Truppen, betreibt. „Es ist keine Geschichte der Brigaden, sondern der Brigadistas“, sagt Lourdes Prades Artigas, geistige Mutter des Projekts, das aus ihrer Doktorarbeit hervorging, die stattliche 23.700 dokumentierte Brigadistas, aus 1.700 verschiedenen Quellen stammend, verzeichnet. Eine dieser Quellen ist so groß ist wie das sowjetische Archiv. Von jedem Einzelnen kennt man sein Herkunftsland, seinen Beruf, seine Pseudonyme („einige hatten bis zu 10“), seine politische Zugehörigkeit, wo er in Dokumenten aufgeführt ist und was mit ihm nach dem Bürgerkrieg geschah. Damit ist SIDBRINT eine der vollständigsten Quellen und eine Referenz für die Welt.

Übersetzung: Sigrid Melanchthon.

Redaktion KFSR

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