Momente des Frühlings | Gedanken an die Kommunistin Fanny Edelman. Von Uli Brockmeyer.

Titelbild: Fanny Edelman. Foto: Archiv ZLV.

Momente des Frühlings

Gedanken an die Kommunistin Fanny Edelman

Von Uli Brockmeyer.

Als vor 82 Jahren Freiwillige aus aller Welt nach Spanien eilten, um der Spanischen Republik in ihrem Kampf gegen den faschistischen Putsch des Generals Franco mit der Waffe in der Hand beizustehen, war unter ihnen eine junge Frau aus Argentinien, gerade mal 26 Jahre alt, jung verheiratet, seit zwei Jahren Mitglied der kommunistischen Partei ihres Landes. Als sie und ihr Mann die Nachricht hörten, daß die Kommunistische Internationale dazu aufgerufen hatte, alle Mittel zur Verteidigung der Spanischen Republik zu mobilisieren, und daß sich in Spanien die ersten Einheiten ausländischer Freiwilliger formierten, fragte der Journalist Bernardo Edelman seine junge Frau Fanny: »Was denkst du, sollten wir gehen?«. Und Fanny, die sich zu jener Zeit in der Roten Hilfe engagierte, antwortete ihm ohne zu zögern: »Wir gehen«.

Fanny und Bernardo Edelman gelangten mit einigen Schwierigkeiten über Paris in das kämpfende Spanien und waren maßgeblich an der Formierung des argentinischen Kontingents der Internationalen Brigaden beteiligt. Mehr als 500 Freiwillige hatten sich aus Argentinien nach Spanien durchgeschlagen, unter ihnen auch viele ausländische Immigranten. Sie kämpften in den Reihen der spanischen Republikanischen Armee, des Thälmann-Bataillons, des Garibaldi-Bataillons und in anderen Einheiten. Für Fanny Edelman, die in der Uniform der Interbrigaden für die Rote Hilfe arbeitete und sich für die Arbeit mit den Frauen in den republikanischen Gebieten einsetzte, war dies die erste und wichtigste Erfahrung des gelebten und kämpferischen proletarischen Internationalismus in ihrem langen Leben.

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In einem Gespräch mit einem kubanischen Journalisten sagte sie 60 Jahre später, sie sei glücklich gewesen in Spanien. In jenen Jahren habe sie viele wichtige Dinge gelernt über den Kampf für die gerechte Sache. Die Zeit sei unvergeßlich für sie in einer Weise, daß sie sich zuweilen selbst als Teil des spanischen Volkes fühle.

»Die Internationalen Brigaden waren eine der größten, besten und heldenhaftesten Manifestationen der weltweiten Solidaritätsbewegung«, sagte sie in diesem Interview. »Ich denke daran, daß diese Brigaden geführt wurden von hervorragenden Vertretern der kommunistischen Parteien Spaniens, Italiens, Deutschlands und anderer Länder. Ich habe sehr mutige und außergewöhnliche Männer und Frauen kennengelernt. Nie werde ich Dolores Ibarruri vergessen, die Pasionaria. Ihre Worte beeindruckten, elektrisierten. Ich erinnere mich an eine ihrer Reden auf einem Meeting in Paris. Sie wurde gefeiert, obwohl die Leute kein Spanisch verstanden, aber sie waren von der Rede bewegt, als wenn sie auf Französisch gehalten worden wäre. Die Jahre in Spanien waren der bestimmende Abschnitt im Leben meines Mannes und in meinem Leben.«

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Foto: Archiv ZLV

Fanny wurde am 27. Februar 1911 in der Stadt San Francisco in der argentinischen Provinz Córdoba geboren. Ihre Eltern waren Immigranten aus Osteuropa und verfügten nur über bescheidene Mittel. Ihr Vater war ein einfacher Fabrikarbeiter, und ihre Mutter führte den Haushalt. Als Fanny 13 war, übersiedelte die Familie nach Buenos Aires. »Damals träumte ich davon, eines Tages zu studieren, ich wollte Ärztin werden«, erzählte sie. »Aber in der damaligen Zeit wurden nur Jungs zu einem solchen Studium angenommen. Als ich später mit dem Che darüber sprach, mußte er lachen.«

Schon in ihrer frühen Jugend kam sie in Kontakt mit Menschen, die sich für soziale Fragen engagierten. Von ihrem Vater hatte sie die Liebe zu Büchern. Zu Beginn der 30er Jahre nahm sie an Solidaritätsaktionen für politische Gefangene, Kommunisten und Anarchisten, teil. Sie wurde Mitglied der Roten Hilfe und trat 1934 der Kommunistischen Partei Argentiniens bei.

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Fanny Edelman war seit den 30er Jahren aktiv in der Frauenbewegung Argentiniens. Frauenverbände beteiligten sich an den mächtigen Solidaritätsaktionen für die Spanische Republik, an der Organisation von Hilfslieferungen für das spanische Volk und für die Interbrigaden. Fanny hatte schon früh verstanden, daß der Kampf für die Rechte der Frauen untrennbar verbunden ist mit dem Kampf für die Befreiung der Arbeiter von Ausbeutung und Unterdrückung. Sie betrachtete sich niemals als »Frauenrechtlerin«, sondern stets in erster Linie als Kommunistin.

Im Auftrag der argentinischen Frauenorganisation Unión de Mujeres Argentinas war Fanny Edelman in den 60er und 70er Jahren Vertreterin in der Leitung der Internationalen Demokratischen Frauenföderation (IDFF), die ihren Sitz in Berlin, Hauptstadt der DDR, hatte. Als langjährige Generalsekretärin der IDFF leitete sie Solidaritätsaktionen für Vietnam, Chile, Portugal und für den Befreiungskampf der Völker Asiens und Afrikas. Sie war maßgeblich an den Frauenkonferenzen der UNO beteiligt und war eine der Initiatorinnen des Internationalen Jahres der Frauen.

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Ein wichtiger Teil ihres Lebens war die Solidarität mit Kuba. Schon in den Jahren des von Fidel Castro, dessen Bruder Raúl und Che Guevara geführten Befreiungskrieges hörte sie im Radio die Stimme der Sprecherin Violeta Casals, die in »Radio Rebelde« aus der Sierra Maestra über die Erfolge der kubanischen Rebellenarmee berichtete.

1960 reiste sie zum ersten Mal nach Kuba, wo sie auch Fidel Castro und Che Guevara traf. »In Kuba sah ich mit eigenen Augen die Möglichkeiten für Veränderung unseres geschundenen Lateinamerikas. Und in Fidel erkannte ich die hervorragendste Persönlichkeit eines Revolutionärs der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts«, sagte sie 1997.

»Ich lernte die Geschichte des kubanischen Kampfes der vorangegangenen Jahre kennen – den Sturm auf die Moncada, die Landung der Granma, die Sierra Maestra, die Invasion in der Schweinebucht… Und tatsächlich konnte man den Führern der historischen Generation der kubanischen Revolution nicht als unberührbare, geheiligte Personen begegnen, sondern als Männer und Frauen mit menschlicher Wärme, Bescheidenheit, Werten und mit tiefen Gefühlen und Gedanken.«

Sie sprach mit Begeisterung über ihre Begegnung mit Che Guevara, ihrem Landsmann. »Den Che habe ich in Kuba getroffen, und er hat mich unglaublich beeindruckt, trotz unseres nur kurzen Gesprächs, bei dem aber seine überaus menschliche Sensibilität zum Ausdruck kam, die ihn stets auszeichnete. Ich habe einmal formuliert – und ich wiederhole das in voller Überzeugung –, daß der Che für mich wie ein klares und reines Wasser war. Und ich bin völlig sicher, daß zwischen ihm und Fidel stets eine enorme Übereinstimmung bestand: als Guerrilleros, politisch und ideologisch.«

Dem kubanischen Journalisten Luis Hernández Serrano berichtete sie über ihre Besuche bei revolutionären Völkern der Welt, über die Solidarität mit der Sowjetunion während des Zweiten Weltkrieges, mit Vietnam, Nikaragua, Chile… Dann sagte sie: »Ich habe in meinem Leben viele Momente des Frühlings erlebt und in meinem Gedächtnis gespeichert. Einer davon ist eure Insel.«

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Zeit ihres Lebens hat Fanny Edelman die Jugendbewegung unterstützt, sie war Gesprächspartnerin für die Kommunistische Jugendföderation Argentiniens (FJC) ebenso wie für den Weltbund der Demokratischen Jugend. Stets war sie bereit, sich den Sorgen und Fragen junger Menschen zu widmen, und in Gesprächen mit Jugendlichen trat sie nicht als Schulmeisterin auf, sondern sie hörte zu und bemühte sich darum, daß die Fragesteller im Gespräch selbst die Antworten auf ihre Fragen fanden. Und sie half den Jugendlichen, indem sie aus dem reichen Erfahrungsschatz ihres eigenen Lebens berichtete. In solchen Gesprächen war eine bemerkenswerte Bescheidenheit kennzeichnend für die erfahrene Kommunistin. Sie stellte sich nicht in den Vordergrund, sie saß ungern in der ersten Reihe, Ehrungen begegnete sie zurückhaltend.

Als ihre Partei und der kommunistische Jugendverband am 27. Februar 2011 in Buenos Aires eine Festveranstaltung zu ihrem 100. Geburtstag organisierten, wollte sie nicht gern Reden über ihre Verdienste hören. »Wenn man mir überhaupt ein Verdienst zubilligen kann, dann ist es meine untrennbare Verbundenheit mit der kommunistischen Partei«, sagte sie abwehrend.

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Auf einem Kongreß des kommunistischen Jugendverbandes traf ich Fanny Edelman im Oktober 1988 in Buenos Aires. Während der Debatten saß sie in einer der hinteren Reihen und verfolgte aufmerksam das Geschehen. Als ich sie um ein Interview bitten wollte und zunächst einen befreundeten Genossen vorsichtig fragte, ob ich womöglich auf ihr schon fortgeschrittenes Alter von damals fast 77 Jahren Rücksicht nehmen sollte, sagte er mir grinsend: »Das kannst du vergessen. Fanny ist eine der jüngsten Teilnehmerinnen auf diesem Kongreß!« Darauf direkt angesprochen, antwortete sie mir mit einem herzlichen Lachen und sagte: »Das ist sicher richtig. Du siehst ja, ich bin mit meinen 54 Jahren Mitgliedschaft in der Partei jung genug, um mich zutiefst mit den jungen Menschen hier zu identifizieren. Und ich bin sehr eng mit ihnen verbunden, respektiere sie und habe großes Vertrauen in diese jungen Kommunisten, in ihren revolutionären Geist, ihren Romantizismus, in ihre Liebe zum Sozialismus.«

Auf meine Frage, welche Botschaft sie als Spanienkämpferin, als Vorkämpferin für die Rechte der Frauen und als eine der Führerinnen der Kommunistischen Partei Argentiniens der Jugend vermitteln wolle, antwortete sie mir im gleichen Ton der Bescheidenheit: »Das ist eigentlich ein zu großes Ansinnen an mich. Aber möchte dir sagen, ich glaube an diese jungen Menschen, die einmal unseren Platz einnehmen werden. Sie haben eine große Verantwortung in ihren Händen, eine Verantwortung, die sie bereits wahrzunehmen beginnen und die ohne Zweifel noch viel größer werden wird. Und ich glaube, daß wir, die nicht mehr so Jungen, ebenfalls eine große Verantwortung haben, die Jungen zu unterstützen.«

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In einem Gespräch mit einer spanischen Journalistin wurde Fanny vor einigen Jahren gebeten, nur kurz auf Fragen zu antworten:

Sie lieben die Musik. Welches ist Ihr Lieblingslied?

»Die Internationale«

Ihre Lieblingsautoren?

»Lorca, Hernández, Vallejo, Miguel Angel Asturias, Paul Auster«

Ihre Lehrer?

»Marx, Engels und Lenin«

Ein glücklicher Tag?

»Der Tag, an dem ich in die kommunistische Partei eintrat.«

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Fanny Edelman, Kämpferin in den Internationalen Brigaden im Spanischen Krieg, Kämpferin für die Rechte der Frauen, langjährige Generalsekretärin der Internationalen Demokratischen Frauenföderation, Mitglied der Kommunistischen Partei Argentiniens und deren Ehrenpräsidentin, ist vor sieben Jahren, am 1. November 2011, wenige Monate vor der Vollendung ihres 101. Lebensjahres, in Buenos Aires verstorben.

Uli Brockmeyer ist Redakteur der Zeitung vum Letzebuerger Vollek. Der Autor war von 1986 bis 1990 Vertreter der Freien Deutschen Jugend (FDJ) im Büro des Weltbundes der Demokratischen Jugend (WBDJ) in Budapest und war Leiter der Presseabteilung des WBDJ.

 

Redaktion KFSR

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