Der zweite Band des Lexikons deutscher Spanienkämpfer liefert weitere Facetten über den Kampf gegen den Faschismus – Gesichter und Geschichten. Von Reiner Tosstorff.

Titelfoto: Eine Gefechtspause in der vor 80 Jahren, vom 6. Februar bis zum 27. Februar 1937, tobenden Schlacht am Jarama dient der Lektüre. Foto: Archiv

Der zweite Band des Lexikons deutscher Spanienkämpfer liefert weitere Facetten über den Kampf gegen den Faschismus -Gesichter und Geschichten

Von Reiner Tosstorff

Den Namen Gesichter geben – das war die erklärte Absicht, um einen zweiten Band dem 2016 erschienenen Lexikon der Deutschen, die an der Seite der spanischen Republik und der sozialen Revolution kämpften, nachfolgen zu lassen. War der erste Band eine Sammlung von weit über dreitausend Biografien, mal länger, mal kürzer entsprechend den ausfindig gemachten Quellen und der Bedeutung der Personen, so bringt der zweite nun auf mehr als 130 Seiten Fotografien. Der etwas sperrige Untertitel des Werks soll verdeutlichen, dass es um die Erfassung des gesamten politischen Spektrums von Kommunisten und Sozialdemokraten über Linkssozialisten bis hin zu Anarchisten ging, wobei die Parteilosen nicht vergessen wurden. Zudem sind nicht nur die Kämpfer an der Front aufgeführt, sondern auch jene Menschen, die im Hinterland wichtige Arbeit leisteten, oder durch ihre Berichterstattung auf die internationale Öffentlichkeit einwirkten.

Es überrascht nicht, dass Aufnahmen nicht von jeder Person überliefert sind. Und auch bei weitem nicht alle Fotos stammen aus der Bürgerkriegszeit. In vielen Fällen waren die Herausgeber auf spätere Porträtaufnahmen angewiesen, die uns nichts von dem seinerzeitigen Kontext erahnen lassen. Bei einigen stammen sie sogar von ihrem Wiederbesuch Spaniens anlässlich von Ehrungen für die Interbrigadisten in den 1990er Jahren. Oder es gibt Gruppenbilder, sei es aus der Bürgerkriegszeit, sei es aus der Internierung in Frankreich nach der Niederlage der Republik, auf denen die Einzelpersonen nicht identifiziert werden konnten. Doch in den allermeisten Fällen ist es den Herausgebern gelungen, die Aufnahme mit einer Biografie im ersten Band zu verbinden.

Allerdings können die Herausgeber aufgrund ihrer langjährigen Forschungsarbeit weit mehr bieten. Zwei Drittel des Umfangs entfallen auf Textbeiträge: Artikel, bisher in Deutschland nicht publizierte Archivdokumente, z. B. das offizielle Statut der Interbrigaden, sowie fünfzehn Zeitzeugeninterviews. Sie alle liefern wesentliche Erläuterungen zum Wirken der deutschen Spanienkämpferinnen und -kämpfer.

So geht es um das Schicksal der nach Ende des Bürgerkriegs in Frankreich internierten deutschen Interbrigadisten, über die in Moskau sowjetische Organisationen und die Kommunistische Internationale fast endlos verhandelten – mit einem ernüchternden Ergebnis. Während der Zweite Weltkrieg ausbrach und viele dann von der französischen Internierung ab 1940 in die Gefangenschaft durch die deutsche Besatzungsmacht gerieten, nahm die UdSSR selbst nur wenige Hundert deutsche Spanienkämpfer auf.

Das Spannungsfeld zwischen solidarischem Einsatz in Spanien und von der stalinistischen »Säuberungspolitik« bestimmten Vorgaben aus Moskau lassen auch weitere Beiträge erahnen. Wenn etwa im Tätigkeitsbericht von Ende 1938 des Leiters der Basis der Interbrigaden, Wilhelm Zaisser, militärische Fragen im Vordergrund stehen, so scheint in diesem zugleich die politische Kontrolle über die Angehörigen der Interbrigaden auf. In einer Skizze des Abwehrapparats der KPD und seiner Verbindung mit dem Sicherheitsdienst der Interbrigaden ist dies dann direkt bestimmend.

Weitere Themen sind die Auseinandersetzung um die Veröffentlichung einer von Alfred Kantorowicz noch im Bürgerkrieg verfassten Geschichte des Tschapaiew-Bataillons, des »Bataillons der 21 Nationen«, und der »II. Internationale Schriftstellerkongresses zur Verteidigung der Kultur«, der im Juli 1937 unter prominenter internationaler Beteiligung in Valencia stattfand. Eine biografische Skizze von Karl Kleinjung zeigt den Lebensweg eines KPD-Mitglieds von Spanien über den sowjetischen Partisanenkampf nach 1941 bis schließlich zum Ministerium für Staatssicherheit in der DDR.

Dem Anspruch auf die Abbildung des gesamten politischen Spektrums entsprechend widmen sich zwei Beiträge Gruppierungen, die sich gegenüber der offiziellen Volksfrontpolitik kritisch verhielten. Zum einen geht es um die deutschen Anarchistinnen und Anarchisten, die in Spanien über eine einflussreiche Partnerorganisation verfügten, und zum anderen um die sogenannte »neunte Kompagnie« im französischen Internierungslager Gurs. Diese Interbrigadisten stellten sich aufgrund ihrer gemachten Erfahrungen gegen die Politik der KPD.

Der Band wird abgerundet durch die Interviews mit Zeitzeugen, Spanienkämpfern aus verschiedenen Ländern, mit denen die nd-Redakteurin Karlen Vesper über die Jahre sprach. Von ihnen sind inzwischen viele verstorben. Umso glücklicher der Umstand, dass sie noch rechtzeitig befragt wurden. Denn diese Gespräche bieten authentische Erlebnisse und Erfahrungen, vermitteln überzeugend die Motivation der Interbrigadisten verschiedenster Nationalität, der spanischen Volksfrontrepublik in deren Abwehrkampf gegen die Franco-Faschisten beizustehen. Sie verdeutlichen aber ebenso die Widersprüche und Auseinandersetzungen, die es innerhalb des antifaschistischen Lagers gab.

Zu den von Karlen Vesper interviewten Veteranen gehören Lise Ricol-London, die Frau von Arthur London, des ehemaligen stellvertretenden tschechoslowakischen Außenministers, der im stalinistischen Schauprozess gegen Rudolf Slánský und Genossen nur knapp der Todesstrafe entgangen war, sowie die ebenfalls in Spanien kämpfende Cécile Rol-Tanguy, Witwe des legendären Kommandeurs der französischen Résistance Henri Rol-Tanguy. Zu Wort kommen des Weiteren u. a. der deutsche Auschwitzüberlebende und Interbrigadist Kurt Julius Goldstein, der New Yorker Lincoln-Brigadist Mosess »Moe« Fishman, die Russin Adelina Kondratjewa, die im Stab von General Gomez (Deckname für Wilhelm Zaisser) arbeitete, und der Österreicher Hans Landauer, der das Lexikon der Spanienkämpfer seiner Heimat herausgab.

Auf die Iberische Halbinsel hat es damals sogar aus dem kleinen Großherzogtum Luxemburg und aus dem fernen Estland Freiwillige verschlagen, so den Konditorlehrling Albert Sauters und Erik Ellmann, der bis zu seinem Tod gegen die bundesdeutschen Renten für ehemalige SS-Kollaborateure im Baltikum stritt. Der langjährige spanische KP-Chef und Eurokommunist Santiago Carrillo und die Gebrüder Joseph und Vincent Almudever, die in der republikanischen Armee kämpften und nach Francos Sieg ins Exil nach Frankreich flüchten mussten, berichten von den Hoffnungen und Enttäuschungen des spanischen Volkes und deren Leid unter der faschistischen Diktatur.

Dieser zweite Band fügt der Geschichtsschreibung der deutschen Spanienkämpferinnen und -kämpfer wichtige Facetten hinzu. Weitere Forschungen werden zweifellos noch Ergänzungen und Korrekturen ermöglichen. Es bleibt zu hoffen, dass das Werk fortgeführt werden kann.

Werner Abel/ Enrico Hilbert/ Harald Wittstock: »Sie werden nicht durchkommen!« Bilder & Material. Deutsche an der Seite der Spanischen Republik und der sozialen Revolution. Unter Mitarbeit von Maguerite und Manfred Bremer, Peter Fisch, Dieter Nelles und Karlen Vesper. Bd. 2. Edition AV, Frankfurt/Main 2016. 311 S., br., 24,50 €.

Werner Abel/Enrico Hilbert: »Sie werden nicht durchkommen«. Deutsche an der Seite der Spanischen Republik und der sozialen Revolution. Bd. 1. Edition AV, 2015. 567 S., br., 45 €;

Quelle: „neues deutschland“ (nd), Berlin-Ausgabe vom Freitag, 3. Februar 2017, Seite 14

Redaktion KFSR

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