Widerstand hat viele Gesichter – Viele von ihnen bleiben für immer im Verborgenen. Von M. und M. Bremer.

Titelfoto: Eröffnung der Ausstellung „Gesichter des Widerstands. Spanien 1936-1939“ im Gemeindehaus der Jüdischen Gemeinde in Dresden. Am Rednerpult die Kulturbürgermeisterin Annekatrin Klepsch (DIE LINKE), die die Eröffnungsrede hält. Vorne in der 1. Reihe neben Werner Abel und seiner Frau Marguerite und Manfred Bremer, in der vorletzten Reihe links Roland Hering. Hinten an der Wand die Tafeln über die Schwestern Úriz, links einige der von Roland Hering gestalteten Tafeln. Foto: Hartmut Weise (Chemnitz).

I. Widerstand hat viele Gesichter – Viele von ihnen bleiben für immer im Verborgenen. Von M. und M. Bremer.

Vom 03.09. bis 03.10.2017 wird in Dresden, der Hauptstadt Sachsens, im Jüdischen Gemeindehaus die Ausstellung „Gesichter des Widerstands – Spanien 1936 bis 1939“ gezeigt. Die Ausstellung ist dem Andenken an jene Menschen gewidmet, die sich im Spanischen Bürgerkrieg 1936 bis 1939 bewusst für die Zweite Spanische Republik einsetzten. Organisiert wurde sie durch die Jüdische Gemeinde zu Dresden und die VVN-BdA Region Dresden und VVN-BdA Landesverband Sachsen, Stadtverband Dresden. Die Ausstellung vereint zwei Teile: die Ausstellung „Pepita und Elisa Úriz Pi, von Badostáin nach Ostberlin“ sowie zahlreiche Biogramme von Interbrigadisten, speziell mit jüdischem oder Dresdner Bezug.

Am 03.09.2017 fand die Vernissage statt. Mit bewegenden Worten eröffneten Frau Dr. Nora Golden­bogen, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Dresden, und Frau Annekatrin Klepsch, Zweite Bürgermeisterin und Beigeordnete für Kultur und Tourismus der Stadt Dresden, die Ausstellung. Die Laudatio hielt Frau Marguerite Bremer, Mitglied des Vereins „Kämpfer und Freunde der Spanischen Republik 1936-1939 e.V.“ Musikalisch wurde die Veranstaltung umrahmt von Franziska Dillner, die Lieder auf Ladino sang und Tino Scholz, der sie auf dem Kontrabass begleitete. Anwesend waren etwa einhundert Gäste, unter ihnen der Oberbürgermeister von Radebeul, Herr Bert Wendsche sowie die Söhne der Interbrigadisten Fritz Teppich, Helmut Teppich aus Berlin und Richard Lehmann, Klaus Lehmann aus Dresden.

Anschließend gab es einen kleinen Empfang und Gespräche mit dem am Thema sehr interessierten Publikum.

Hier zur : Diashow Die Diashow ist ab 9.9.2017 ca. vier Wochen geöffnet.

II. Foto: Impressionen

Mit bewegenden Worten eröffnete am 3. September 2017 Frau Dr. Nora Golden­bogen, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Dresden, die Ausstellung „Gesichter des Widerstands. Spanien 1936-1939“ im Gemeindehaus der Jüdischen Gemeinde in Dresden. Foto: Hartmut Weise (Chemnitz).

 

Während der Vernissage der Ausstellung „Gesichter des Widerstands. Spanien 1936-1939“ im Gemeindehaus der Jüdischen Gemeinde in Dresden am 3. September 2017. Im Gespräch mit Marguerite Bremer sind Frau Sabine Flierl (Lebensgefährtin von OB Wendsche) mit Bert Wendsche, Oberbürgermeister von Radebeul. Davor (r.) Christian Avenarius, Vorsitzender der SPD-Fraktion Stadtrat Dresden. Im Bild vorne rechts Eberhard König von der GfBM – Gesellschaft für Bürger- und Menschenrechte. Foto: Hartmut Weise (Chemnitz).

Die Redaktion dokumentiert hier mit freundlicher Genehmigung die Laudatio:

III. Laudatio zur Ausstellungseröffnung in Dresden, 03.09.2017, gehalten von Marguerite Bremer

 Die Ausstellung, die wir heute eröffnen, steht unter der Überschrift
„Gesichter des Widerstands – Spanien 1936 bis 1939“
und soll einen Beitrag zur Erinnerungskultur in Spanien und Deutschland leisten.Im Namen der Bürger und der Gemeindevertretung von Badostáin in Navarra in Spanien, dem Geburtsort von Pepita und Elisa Úriz, den Protagonistinnen eines Teils der Aus­stellung, und in meinem eigenen Namen, danke ich der Jüdischen Gemeinde der Stadt Dresden, der Kulturbürgermeisterin der Stadt Dresden, Frau Annekatrin Klepsch, und der VVN-BdA der Region Dresden und dem Stadtverband Dresden, für die Einladung zu dieser Veranstaltung, die der Würdigung von Menschen, die mutig, selbstlos, solidarisch handelnd an der Seite des spanischen Volkes in den Reihen der Internationalen Brigaden oder an anderer Stelle die demokratisch gewählte Volks­front­regierung, die „Zweite Spanische Republik“, verteidigten. Ihr Weg führte aus dem faschistischen Deutsch­land in das demokratische Spanien; der Weg der Schwestern Úriz führte nach der Zerschlagung der II. Spanischen Republik in das demokratische Deutschland. Wege, die sich nicht kreuzten, die jedoch in einem un­mittelbaren Kontext stehen. Dies soll im Sinne des historischen Gedächtnisses unsere ge­meinsame Ausstellung ver­deutlichen.Ich bin Tochter von spanischen republikanischen Emigranten, die seit dem brutalen Ende des Spanischen Bürgerkrieges, so wie auch Pepita und Elisa, im Exil in Frank­reich lebten und hier aktive Kämpfer der Résistance waren. So wie auch vielen deutschen Interbrigadisten gewährte ihnen die französische Regierung zunächst Aufnahme. Viele verbrachten mehrere Jahre in Inter­nierungs­lagern. Das Schicksal der jüdischen Interbrigadisten, der jüdischen Kinder und Jugendlichen war besonders dramatisch und traurig. Eine nicht geringe Zahl wurde in die faschistischen Konzentrationslager nach Deutsch­land deportiert und ermordet.Das historische Gedächtnis hilft uns zu erfahren, dass unter den etwa 35.000 Interbrigadisten etwa 2.500 Deutsche unterschiedlicher sozialer und politischer Herkunft und Weltanschauung waren: Kommunisten, Sozialisten, Idealisten, Anarchisten, Gläubige und Atheisten. Unter ihnen auch zahlreiche jüdischer Ab­stammung, stellvertretend für sie hier in den Schautafeln Kurt Goldstein, Fritz Teppich, Peter Blachstein, Alfred Kantorowicz, Gerda Taro und die später mit dem Aufbau des Gesundheitswesen in Dresden ver­bundene Ärztin Ursula Amann. Darunter Kommunisten wie Friedrich Johne, Fritz Baum­gärtel und Arno Hering, der Schriftsteller Ludwig Renn, Sozial­demokraten wie Willi Brandt.

Die genaue Zahl jüdischer Kämpfer im Spanischen Bürgerkrieg ist unbekannt, man geht von etwa 6.000-7.000 aus; mindestens 500 deutsche Juden schlossen sich den Internationalen Brigaden an. Ihre Motivation, dem spanischen Volk zu helfen, war unterschiedlich, solidarisches, humanistisches, antifaschistisches Gedankengut stand an erster Stelle. Mordechai Milman, der ranghöchste unter den jüdischen Frei­willigen aus Palästina, schrieb an einen Freund: „Jede Front gegen die Faschisten ist eine jüdische Front. … Solidarität zwischen den anti­faschistischen Kräften der Welt ist eine Heilquelle des jüdischen Volkes.“

Nur ein Teil der Kämpfer der Internationalen Brigaden kehrte in ihre Heimat zurück, mit Spanien im Herzen.

Im September 1950 erhielten in einer streng geheim gehaltenen Polizeiaktion etwa 280 republikanische Spanier und viele Osteuropäer, die sich nach Ende des Bürgerkrieges in Frankreich aufhielten, darunter auch ehemalige Inter­brigadisten, von den französischen Behörden einen Ausweisungsbefehl, wurden verhaftet und sofort abgeschoben. Etwa 50 Spanier, darunter auch meine Familie, erhielten in der damaligen DDR, hier in Dresden, politisches Asyl. Pepita und Elisa konnten, wie es eine Schautafel zeigt, ihre Ausreise um einige Monate verzögern. Sie wurden Teil der später etwa 65 Personen umfassenden spanischen Gemeinde. Nur wenigen gelang wegen der Franco-Diktatur der Rückweg nach Spanien, dagegen sprachen oft auch Familie, Alter und Existenzängste. Viele sind in Dresdener Erde beerdigt, andere, wie die Schwestern Úriz und auch meine Eltern, in Berlin. Die Ausstellung, die im Heimatort der Schwestern angefertigt wurde, kann stellvertretend für das Schicksal der spanischen politischen Emigranten in Deutschland gesehen werden.

Ich bin Mitglied des Vereins „Kämpfer und Freunde der spanischen Republik“ und habe es mir zur Aufgabe gemacht, meinen Beitrag zur Erinnerungsarbeit hier in Deutschland zu leisten. Wir sind es unseren Eltern, Angehörigen und Freunden schuldig, die Erinnerung an sie in Ehren zu halten. Elisa und Pepita Úriz waren enge Freunde meiner Familie.

Ich freue mich daher sehr, dass die Erinnerung an die Schwestern hier Teil dieser Ausstellung ist und in ihrem Exilland Deutschland ihr Schicksal nicht vergessen wird.

Hier möchte ich nur einige wesentliche Momente des gemeinsamen Weges der Schwestern hervorheben:

Die Schwestern gründeten 1934, kurz nach der Ausrufung der Zweiten Spanischen Republik, 1931, die Vereinigung der Antifaschistischen Frauen Spaniens. Sie wollten aktiv teilhaben an der Umsetzung wesentlicher Artikel der republikanischen Verfassung, die den Frauen zum ersten Mal in der Geschichte Spaniens Gleich­berechtigung und Rechte wie Scheidungsrecht, Wahl- und Arbeitsrecht, Recht auf Bildung und aktive Teilnahme an politischen und öffentlichen Debatten sowie die Über­nahme von Regierungsämtern garantierte. Zu dieser Zeit lag die Analphabeten­rate der Bevölkerung des Landes bei 50 %.

Diese beiden Frauen waren stets sozial-politisch engagiert, man könnte sagen, dass sie ein Beispiel des neuen Frauen­bildes im republikanischen Spanien darstellten.

Beide studierten Pädagogik an der Universität von Madrid. Inter­nationale Stipendien ermöglichten ihnen die Teilnahme an Kursen bei führenden Reformpädagogen jener Zeit. Die Schwestern praktizierten ihre Erfahrungen an verschiedenen Lehrer­bildungs­instituten. Sie galten und gelten noch heute als Pionierinnen der „Modernen Schule“ in Spanien und ganz Europa. Während der Spanischen Republik unter­richteten Pepita und Elisa Úriz Analphabeten in entlegenen Dörfern. Eine radikale Herausforderung mit vielen Kämpfen und Rückschlägen! Sie setzten sich für die Rechte von Frauen und Kindern ein. Im Bürgerkrieg engagierten sich die Schwestern selbstlos für die Versorgung unzähliger Kriegswaisen mit Lebensmitteln. Nach dem Ende des Bürgerkrieges mussten sie ins Exil gehen. Elisa regte dort als Vertreterin der Frauen Spaniens bei der UNESCO an, einen Internationalen Tag des Kindes zu proklamieren. Diesem wurde dann auch zugestimmt. Im französischen Exil waren sie aktive Kämpferinnen der Résistance, was später zu ihrer Aus­weisung nach Deutschland führte.

Dieser Teil der Ausstellung hat eine ungewöhnliche Entstehungs­geschichte:

Der spanische Historiker und Journalist Manuel Martorell stieß bei seinen Recherchen 2014 eher zufällig auf das Lebenswerk der Schwestern Josefina und Elisa Úriz Pi. Das Material schien ihm so interessant, dass er sich sofort an die Geburtsstadt der Schwestern, ein kleiner Ort in der navarrischen Berg­region, wandte. Hier konnte er nur sehr wenig in Erfahrung bringen. Sie waren dort einfach in Vergessenheit geraten. Doch ein zufällig noch vor­handener Brief von Elisa aus der DDR führte ihn auf die Spur und den Weg nach Berlin und von dort nach Madrid.

Als Elisa Úriz 1979 in Ostberlin starb, hinterließ sie ihrer engen Freundin, der Ärztin Olga García Domínguez, die damals mit ihren Eltern ebenfalls im Ost­berliner Exil lebte und später nach Madrid zurückkehrte, einen Koffer. Darin befand sich eine Fülle ein­drucksvoller Briefe, Fotos und Dokumente. Olga stellte das Material für weitere Recherchen zur Verfügung. Der Historiker kehrte damit in den Geburtsort der Schwestern zurück und stieß nun auf das Interesse der Vertreter der dortigen Verwaltung.

Schon im Sommer 2014 wurde ein Platz des Ortes nach den Schwestern Úriz benannt und fast zeitgleich entstand die Idee einer Ausstellung, um eine symbolische Rückkehr der Schwestern, die nach Verlassen ihrer Geburtsstadt niemals wieder zurück­kehren durften, zu ermöglichen. Die Gemeinde finanzierte dieses Vorhaben, es wurde sehr schnell umgesetzt, schon im Oktober 2014 konnte die schlichte Ausstellung unter dem Titel „Von Badostáin nach Ostberlin“ in deren Heimat­region und dann in Madrid gezeigt werden. Davon las ich in der spanischen Presse. Ich war davon überzeugt, dass die Schwestern Pepita und Elisa Úriz mit dieser Ausstellung auch in Berlin geehrt werden sollten. Gemeinsam organisierten wir dies und schon im März 2015 wurde sie in Berlin im Cervantes-Institut gezeigt; eröffnet mit einer Würdigung durch den Botschafter Spaniens, die Leitung des Cervantes-Instituts, einer repräsentativen Delegation von Ver­tretern des Rathauses von Badostáin und der Region und den Historiker. Wir freuen uns, dass wir sie inzwischen auch in Hamburg, Chemnitz, Leipzig und Radebeul zeigen konnten. Auch in Spanien war sie inzwischen in verschiedenen Städten. Das Echo und Engagement einer ganzen Reihe von spanischen Historikern und spanischer Universitäten ist groß. Hier wird echte, lebendige Erinnerungskultur in Spanien geleistet.

Und nun ist sie auch in Dresden. Dieser Ort hier ist mir persönlich wichtig, weil hier vor 66 Jahren viele Dresdener, nach schlimmen Kriegsjahren, bewiesen haben, dass Menschlichkeit stärker sein kann als Fremden­feindlichkeit. Wir Nachkommen der spanischen Exilanten sind ihnen dankbar dafür. Wir alle zusammen dürfen nicht zulassen, dass wieder Menschenhass geschürt wird, faschistisches Gedankengut sich in den Köpfen der Menschen breitmacht. Wir müssen dafür eintreten, dass wir und unsere Nachkommen niemals mehr Faschismus und Krieg erleben müssen.

Ich werde den Ausstellungsmachern in Spanien von unserer Ver­anstaltung hier in Dresden berichten.

Gern begleite ich Sie durch die Ausstellung und beantworte Ihre Fragen.

 

 

Redaktion KFSR

Redaktion KFSR