Erzsébet Fazekas – Die geheimnisvolle »Genn. Gelbert«. Von Werner Abel.

Erzsébet Fazekas
geschrieben von Werner Abel

Die geheimnisvolle »Genn. Gelbert«
Sie stand nie im Licht der Öffentlichkeit und sie wurde auch nicht so berühmt wie andere Frauen, wie Ärztinnen, Journalistinnen oder Fotografinnen, die sich im Spanischen Krieg für die Verteidigung der Republik und gegen den Faschismus engagierten. Das hing wohl primär mit ihrer Funktion zusammen, einer Tätigkeit im Geheimen, nämlich der Kontrolle und Abwehr von Feinden der Republik. Die Spanier sind mit Recht stolz darauf, dass sie mit Federica Montseny von November 1936 bis März 1937 die erste Ministerin in einem westeuropäischen Land hatten. Dass aber zur gleichen Zeit in Spanien eine Frau, und noch dazu eine Ausländerin, einem Geheimdienst vorstand, das ist, obwohl es auch ein singulärer Fall ist, selbst in der Geschichtsschreibung nicht bekannt.

Nach dem Putsch der reaktionären Generale gründeten fast alle linken Parteien und Organisationen im republikanischen Spanien Milizen, aber auch Untersuchungsorgane (»investigaciones«), die notwendig waren, um die offen und verdeckt agierenden Feinde der Republik zu neutralisieren. Eine der jüngsten Parteien der Linken, der am 23. Juli 1936 aus der Vereinigung von vier Parteien hervorgegangene Partido Socialista Unificado de Cataluña (PSUC), hatte mit Hilfe der deutschen Kommunisten Hans Beimler, Alfred Herz und Hubert von Ranke (»Moritz«), des Polen Szaya Kindermann und des Italiener Armando Fedeli eine »investigación« gegründet, welche die Ausländer überprüfte, die sich in Katalonien und an der Aragón-Front aufhielten. Der Dienst wurde in den ersten Monaten von Fedeli geleitet, den aber die Partei bald mit einer anderen Funktion beauftragte.

Von da an war eine »Genn. Gelbert« die Adressatin, wenn an den Dienst geschrieben wurde. Mit »Gelbert« unterschrieb sie Dokumente des Dienstes, so auch eine mehrseitige Analyse über die Arbeit des Ausländerdienstes, die sie am 14. Juni 1937 an das Zentralkomitee des PSUC schickte. Dort beklagte sie u.a. die Dominanz deutscher Genossen im Dienst und ihr eigenmächtiges Verhalten. So habe z.B. ein Capitán Fritz Leissner eine Liste ausgeliehen, an die er sich bei Rückfrage nicht mehr erinnern konnte. Ironie der Geschichte: »Fritz Leissner« war der Deckname von Erich Mielke.

Eine Deutsche konnte die »Genn. Gelbert« wegen ihrer Kritik nicht sein. Woher aber kam sie? Das Rätsel löste sich durch das Auffinden eines Briefes an Franz Dahlem, in dem »Moritz« am 3. 2. 1937 über die personelle Zusammensetzung des Ausländerdienstes berichtete und schrieb: »Die Leiterin ist die Frau des Gen. Pedro.« Die Biographie von »Pedro«, des Ungarn Ernö Gerö ist, da er ein berühmter Komintern-Funktionär und ungarischer Politiker der vierziger und fünfziger Jahre war, schon eher bekannt.

Erzsébet Fazekas, geboren am 10. März 1900 in Budapest, hatte an der Hochschule für angewandte Kunst in Szeged mit dem Studium der Innenarchitektur begonnen und trat während der Ungarischen Räterepublik in die kommunistische Jugendbewegung ein. Nach der Niederlage der Räterepublik musste sie nach Wien fliehen, wurde Mitglied der Kommunistische Partei Ungarns und zur Parteiarbeit nach Rumänien delegiert. Dort wurde sie mehrmals von der Polizei verhaftet. Mit Einverständnis der Partei ging sie nach Paris, trat in die Kommunistische Partei Frankreichs ein, arbeitete in kommunistischen Emigrantenorganisationen und begann ein Studium an der Sorbonne. In dieser Zeit lernte sie Ernö Gerö kennen, dessen Einfluss es sicher auch zu verdanken ist, dass sie ihm 1936 nach Spanien folgte und in den Dienst des PSUC trat. Die Partei war inzwischen Mitglied der Kommunistischen Internationale geworden.

1939, nach dem Ende des Spanienkriegs, ging sie mit ihrem Mann über Paris nach Moskau, wo sie Aspirantin am Institut für Geschichte der Akademie der Wissenschaften wurde. Nach dem Überfall Nazi-Deutschlands auf die UdSSR meldete sie sich als Freiwillige zur Roten Armee, von der sie u.a. für die politische Arbeit unter rumänischen Kriegsgefangenen eingesetzt wurde. Im Januar 1945 kehrte sie nach Ungarn zurück und stürzte sich sofort in die politische Arbeit. Sie gab die Zeitschrift »Ungarns Zukunft« heraus, half bei der Organisation der »Nationalen Hilfe«, einem Wiederaufbauprogramm, war Beraterin des Ministeriums für Sozialfürsorge und des Ungarischen Wissenschaftlichen Rates. Da ihr Hauptinteresse aber der Geschichte, besonders der der Französischen Revolution galt, studierte sie ab 1950 weiter an den Universitäten von Szeged und Budapest und wurde dort auch promoviert.

Nach den Ereignissen von 1956 musste sie mit ihrem Mann, der von der neuen Parteiführung unter János Kádár u.a. mit für die Fehler der Parteiführung um Mátyás Rakosi verantwortlich gemacht wurde, in die Sowjetunion emigrieren. 1961 kehrte sie mit Ernö Gerö zurück und arbeitete bis zu ihrem Tod am 27. Mai 1967 als Übersetzerin von Büchern über die Geschichte kommunistischer Parteien. Im Gegensatz zu vielen anderen ist sie den Idealen ihrer Jugend treu geblieben. Ihr Mann überlebte sie um 13 Jahre.

Von Erzsébet Fazekas war kein Foto zu finden. Deshalb nur eines ihres Grabsteins, den sie sich mit ihrem Mann Ernö Gerö teilt. Foto: Dr. Varga József

Der vielsprachige ungarische Kommunist Ernö Gerö, der Katalan, Spanisch und Französisch beherrschte, war als Berater der Kommunistischen Internationale für den PSUC tätig. In Spanien trug er die Decknamen »Pedro«, »Pedro Singer« und »Guere«. Das Foto stammt aus dem Jahr 1955.

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Quelle: https://antifa.vvn-bda.de/2018/07/30/erzsebet-fazekas/

 

Redaktion KFSR

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