Der größte Augenblick – Vor 70 Jahren starb Hans Kahle, einer der wichtigsten Kommandeure der Internationalen Brigaden in Spanien. Von Werner Abel

Aus: „junge Welt“ Ausgabe vom 01.09.2017, Seite 11 / Feuilleton

Der größte Augenblick

Vor 70 Jahren starb Hans Kahle, einer der wichtigsten Kommandeure der Internationalen Brigaden in Spanien

Von Werner Abel
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Von der Republik am meisten gebraucht: Eva Fischer hält ein Bild von ihrem Vater, dem Interbrigadisten Hans Kahle, in den Händen (Mai 2017)

»Einer der größten Augenblicke in meinem militärischen Leben in Spanien war, als in einer kleinen Ortschaft nahe Guadalajara, in einem Ort, den wir von den Italienern befreiten, den Kinder des Ortes der Besuch der Schulen ermöglicht werden konnte. Das zeigt, dass in der Spanischen Volksarmee an der Seite der militärischen die kulturelle Arbeit marschiert (…) In meiner Division gibt es einen Kommandeur, der Schriftsteller ist, ein anderer ist Maler und ein dritter Komponist. Alle drei sind, was sich in mehreren Kämpfen bewiesen hat, exzellente Soldaten.« Diese Sätze sprach ein Delegierter am 6. Juli 1937 in Madrid auf dem »Zweiten Internationalen Schriftstellerkongress zur Verteidigung der Kultur«, von dem aus dem Kongress­protokoll nur zu erfahren ist, dass er »Hans« hieß und Deutscher war. Aber »Hans« war zu dieser Zeit bereits bekannt im republikanischen Spanien.

Viele außerhalb der Volksarmee werden nicht gewusst haben, dass es sich bei ihm um den deutschen Kommunisten, Journalisten und Offizier Hans Kahle handelte. Die vielen Intellektuellen, mit denen er befreundet war, kannten seinen vollen Namen natürlich: von Ernest Hemingway über Egon Erwin Kisch, Erika und Klaus Mann bis zu Michail Kolzow, auch der Ministerpräsident Juan Negrín hatte ihn empfangen . Kahle schrieb in diesem Krieg in Zeitungen und Zeitschriften, aber unter seinen Artikeln und Aufrufen stand immer nur »Hans« oder »Jorge Hans«. Kein Offizier der Internationalen Brigaden wurde so oft in der Presse abgebildet wie er, aber selbst in den Bildunterschriften stand nur sein Vorname. Und mit diesem unterzeichnete er auch seine Befehle als Bataillons- und Brigadekommandeur. Selbst später, als er zunächst die 17. und danach die 45. Division befehligte und zeitweilig für die gesamte Ebrofront verantwortlich war.

Hans Kahle gehörte zu den Freiwilligen, die die Republik am meisten brauchte. Er verfügte über militärische Erfahrungen, war Internationalist und sprach fließend Castellano. So konnte er sich mit den spanischen Offizieren und Soldaten in ihrer Muttersprache unterhalten. Von den 14.000 Soldaten, die unter seinem Kommando standen, waren 10.000 Einheimische. Er war geachtet und beliebt. Daran, dass die Hauptstadt Madrid im November 1936 nicht in die Hände der Faschisten fiel, hatte Kahle einen hervorragenden Anteil. Enorm wichtig war seine Mitarbeit an der Organisation der neuen Volksarmee. Nachdem er zunächst das »Bataillon Hans« (»Edgar-André-Bataillon«) befehligt hatte, übernahm er schon einen Monat nach seiner Ankunft in Spanien das Kommando über die Erste Internationale Brigade, die als XI. Brigade in die Geschichte eingehen sollte.

Das militärische Handwerk hatte er als Offizier im Ersten Weltkrieg erlernt. Diese »Urkatastrophe« des 20. Jahrhunderts machte ihn zum Pazifisten, aber die Erfahrungen eines längeren Südamerikaaufenthaltes, das internationale Vordringen des Faschismus und seine journalistische Arbeit überzeugten ihn, dass der Pazifismus eine neue Katastrophe nicht verhindern könne. 1928 trat er in die KPD ein und arbeitete für ihre Presse. 1933 musste er Deutschland verlassen und gehörte zu den ersten, die sich der bedrohten Spanischen Republik zur Verfügung stellten. Dort war er neben Wilhelm Zaisser (»General Gómez«) der ranghöchste deutsche Offizier. Als Ende 1938 die Internationalen Brigaden aus Spanien abgezogen wurden, lud Thomas Mann ihn ein, in seinem Haus in Princeton nahe New York zu wohnen – ein deutliches Zeichen der internationalen Wertschätzung, die Kahle genoss.

Nach der Niederlage der Republik konnte er nach England emigrieren, wurde dort aber interniert und nach Kanada verbannt. Internationale Proteste, so auch von seinem Freund Ernest Hemingway erzwangen 1943 seine Rückkehr nach England. Dort schrieb er regelmäßig über Nazi-Deutschland, die Rote Armee und den Kriegsverlauf. Im Februar 1946 nach Deutschland zurückgekehrt, stellte sich Hans Kahle sofort dem demokratischen Neuaufbau zur Verfügung und wurde Mitglied der Landesleitung der SED und Chef der Volkspolizei in Mecklenburg-Vorpommern. Am 1. September 1947 verstarb er im Alter von 48 Jahren nach einer schweren Magenoperation.

Aus: „junge Welt“ Ausgabe vom 01.09.2017, Seite 11 / Feuilleton

Redaktion KFSR

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