Die Freunde der sozialistischen Einheit Deutschlands und die ehemalige Spanienkämpfer im französischen Lager Gurs (1939 – 1940). Von Dieter Nelles

Der Erste Internationale Willi-#Münzenberg#Kongress fand vom 17. bis 20. September 2015 in Berlin statt. Unter dem Motto „Globale Räume für radikale Solidarität“ wurden in weit über dreißig Beiträgen zahlreiche Aspekte des Wirkens von Willi Münzenberg und der durch ihn repräsentierten transnationalen Netzwerke ergründet. Das Münzenberg Forum Berlin freut sich, mit dem nun veröffentlichten E-Book zum freien Download die Dokumentation der meisten Beiträge präsentieren zu können.

Free Download: Global Spaces for Radical Transnational Solidarity. Contributions to the First International Willi Münzenberg Congress 2015 in Berlin, edited by Bernhard H. Bayerlein, Kasper Braskén and Uwe Sonnenberg, Berlin, International Willi Münzenberg Forum, 2018. 583 pp. ISBN 978-3-00-059381-9

Nachstehend dokumentiert die Redaktion mit freundlicher Genehmigung des Autors den Beitrag von Dieter Nelles.

Die Freunde der sozialistischen Einheit Deutschlands und die ehemalige Spanienkämpfer im französischen Lager Gurs (1939 – 1940)1

Unter der Überschrift – „Wer die Wahrheit kennt und sie nicht spricht, der ist fürwahr ein feiger Wicht“ – kursierte Ende August 1939 ein Flugblatt im deutschen Exil in Frankreich, in dem gegen die „Methoden des KPD-apparates“ protestiert wurde, „der an die Stelle sachlicher und kritischer Auseinandersetzungen, Verdächtigungen, Beschimpfungen, Lügen und Verleumdungen gesetzt hat“. Die Unterzeichner wandten sich vor allem gegen „eine besondere Aktion“ des KPD-Apparates gegen Willi Münzenberg. Das Flugblatt endete mit der Feststellung:

„Leere Redensarten über Einheitsfront und Einheitspartei, über geistige Sauberkeit, Menschenrechte, ehrliche Demokratie klingen hohl und falsch und sind wirkungslos, solange in den eigenen Reihen alle diese Postulate zynisch verlacht und mit Füssen getreten werden. Wenn wir uns heute mit den schuldlos Verleumdeten, ‚Abgehängten‘ und Verfolgten solidarisieren und für die Wiederherstellung der Menschenrechte und der alten innerparteilichen Formen und Gesetze in der Arbeiterbewegung und Partei unsere Stimmen erheben, so geschieht das aus der tiefen Erkenntnis, dass ohne die Wiederherstellung des verübten Unrechts und der Wiederherstellung der alten Begriffe von Partei, proletarischer Moral und unbedingter Gültigkeit des Rechts eine aktionsfähige, revolutionäre Front und die Schaffung einer proletarischen Einheitsbewegung unmöglich sind.“2

Das Protestschreiben war unterzeichnet von 305 Personen (davon 82 namentlich aufgeführt), die vermutlich alle der von Münzenberg gegründeten Gruppe „Freunde der sozialistischen Einheit“ angehörten; an führender Stelle die früheren Reichstagsabgeordneten Peter Maslowski, Walter Oettinghaus und Grete Hahne, das Gründungsmitglied der KPD, Dr. Fritz Fränkel, die später berühmten Intellektuellen Arthur Koestler und Manès Sperber sowie 53 ehemalige Spanienkämpfer, von denen sich die meisten im französischen Internierungslager Gurs befanden.

In der Exilforschung ist dieses Dokument kaum beachtet worden; ebenso hat die im Mai 1939 gegründete Gruppe nicht die Beachtung gefunden, die sie verdient. Denn es gab während der ganzen Zeit des Exils keine Abspaltung von der KPD, die vergleichbar viele Mitglieder hatte und in enger Verbindung stand zu den sozialistischen Gruppen des deutschen und österreichischen Exils.

Ich werde zunächst die Aktivitäten der Freunde der sozialistischen Einheit in Paris kurz skizzieren und mich dann auf das Lager Gurs konzentrieren. Unter den dort internierten Spanienkämpfern hatte die Gruppe viele Anhänger; vor allem unter den Mitgliedern der sogenannten „9. Kompanie“, in der sich seit Mai 1939 über 100 deutsche Spanienkämpfer separiert organisierten, als sie sich nicht dem Diktat der kommunistisch dominierten Lagerleitung unterwerfen wollten. Zum Schluss möchte ich der Frage nachgehen, warum die 9. Kompanie und auch die Freunde der sozialistischen Einheit heute fast vergessen sind. Denn unter gewissen (anderen?) politischen Bedingungen hätten sie 1939/40 tatsächlich, „die Keimzelle einer neuen Einheitsbewegung werden“ können, wie viele von ihnen gehofft hatten.3

Die Freunde der sozialistischen Einheit

Münzenberg hatte seit Ende des Jahres 1938 politische Freunde um sich gesammelt, die aus der KPD ausgeschlossen wurden oder sie verlassen wollten. Diese Gruppe, die sich zunächst „Kommunistische Opposition“ nannte und sich dem „Arbeitsausschuss deutscher Sozialisten und der Revolutionären Sozialisten Österreichs“ anschloss, konstituierte sich am 12. Mai 1939 als Freunde der sozialistischen Einheit Deutschlands. Über die konkreten Aktivitäten der Gruppe wissen wir nur wenig. Bis zum Juli 1939 liegen Berichte eines Gestapo-Spitzels vor. Demnach nahmen zwischen 20 und 30 Personen an den internen Sitzungen und über 100 Personen bei öffentlichen Veranstaltungen der Gruppe in Paris teil. Für die Zeit nach Kriegsbeginn existieren nur Stellungnahmen aus der Zeitschrift Die Zukunft. Nach Münzenbergs Angaben hatten sich bis Ende September 1939 bereits 400 Spanienkämpfer der Gruppe angeschlossen. Hinzu kamen zahlreiche Mitgliedsgruppen in Frankreich, Belgien und Deutschland. Diese Angaben scheinen ein wenig übertrieben. Dass jedoch Münzenberg unter den kommunistischen Emigranten und den Spanienkämpfern viele Anhänger besaß, steht außer Zweifel.

 

Gurs

In Gurs war es im Mai 1939 zu einer offenen Spaltung im Lager der deutschen Spanienkämpfer gekommen. Über 100 der insgesamt rund 700 deutschen Spanienkämpfer hatten sich in Abgrenzung zur kommunistisch dominierten deutschen Lagerleitung separat organisiert und nannten sich nach dem Namen ihres Quartiers 9. Kompanie. Deren Sprecher Werner Schmidt, ein ehemaliger Zollbeamter, wurde daraufhin von der Lagerleitung als Gestapo-Agent diffamiert, und die 9. Kompanie wurde wider besseres Wissen beschuldigt, die Heimfahrt der Spanienkämpfer in das nationalsozialistische Deutschland zu organisieren.

Was als spontaner Akt der Rebellion gegen eine Anordnung der deutschen Lagerleitung begann, weitete sich im Lager zur Konstituierung einer organisierten Opposition gegen die KPD im Lager aus. Ende August 1939 gehörten der 9. Kompanie zwischen 500 und 600 Spanienkämpfer aus zehn verschiedenen Nationen an, die auf dem Gelände in einem separaten Block untergebracht waren; darunter 110 Deutsche und 10 Österreicher. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich der Konflikt zwischen der deutschen Lagerleitung und der 9. Kompanie auf das deutsche Exil in Paris ausgeweitet. „Die Debatte entzündete sich besonders an einem Namen: Willi Münzenberg“4, schrieb rückblickend Heinz Priess, der dem illegalen Parteikomitee der KPD in Gurs angehörte.

Die ersten Kontakte in Gurs hatte Münzenberg zu einer Gruppe der österreichischen Revolutionären Sozialisten aufgenommen, die damals – daran möchte ich an dieser Stelle erinnern – eine gesamtdeutsche Linie verfolgten. Die Zukunft, schrieb der Österreicher Hubert Mayr im Zusammenhang mit den Diskussionen über die Einheitsfront im Lager, sei geeignet, „als Zentralorgan der deutschen Antifaschisten zu erscheinen.“ Hinsichtlich der Diskussionen mit den Kommunisten schrieb er an Münzenberg:

„Von Seiten der KPD wird Dir zum Vorwurf gemacht, trotzkistische Ideen zu verfechten. Wir wissen aus eigener Erfahrung in Spanien, wie schnell man in den Augen der KPD ein Trotzkist ist und wissen daher wie wir solche Anschuldigungen aufzunehmen haben. Du hast den Schritt schriftlich begründet und Dich zum Beweis seiner Ehrlichkeit dem Arbeitsausschuss deutscher Sozialisten angeschlossen, welcher in Aktionseinheit mit den komm[unistischen] Parteien trat. Dies ist für uns solange der Beweis, dass Du kein Trotzkist bist, bis Du durch Handlungen das Gegenteil beweisen würdest. Da wir überzeugt sind, dass Deine schriftliche Erklärung Deiner inneren Überzeugung entspringt und nicht wie die Kommunisten behaupten, ein Manöver sei, werden wir Dich mit unserer ganzen Kraft unterstützen, die Einheit der Arbeiterklasse so schnell wie möglich zu erreichen.“5

Die Bemerkungen Mayr’s bezogen sich auf den gemeinsamen Aufruf des Arbeitsausschusses deutscher Sozialisten und Revolutionärer Sozialisten Österreichs mit der KPD und KPÖ gegen die Besetzung der Tschechoslowakei „An die Arbeiter Deutschlands und Österreichs“, der auch in der Zukunft abgedruckt wurde. Seine Ausführungen belegen einerseits, dass die Spaltung zwischen Sozialisten und Kommunisten bei denösterreichischen Spanienkämpfern bei weitem nicht so ausgeprägt war wie bei den Deutschen, was Mayr auch betonte:

„Wir als österr[eichische] Sozialisten sind stolz darauf, dass wir von jeher diese Zerrissenheit nicht gekannt haben, wie es leider innerhalb der deutschen Arbeiterklasse der Fall war.“6 Andererseits zeigen Sie aber auch, dass Mayr hinsichtlich seiner Verwendung des Epitets „Trotzkist“ Elemente der stalinistischen Ideologie übernommen hatte und die diffamierenden Anschuldigungen der deutschen Kommunisten gegen die 9. Kompanie kopiert hatte.

Münzenberg und sein Mitarbeiter Walter Oettinghaus korrespondierten seit Ende Mai 1939 intensiv mit Angehörigen der 9. Kompanie. Dabei nahmen sie bewusst öffentlich weder für noch gegen die 9. Kompanie Stellung, sondern forderten ihre Anhänger sogar dazu auf, „allen Schwierigkeiten zum Trotz“ noch bestehende Verbindungen zu KPD-Genossen „beizubehalten und neu anzuknüpfen“7.  Sie engagierten sich aber für die 9. Kompanie im „Hilfskomitee für die ehemaligen deutschen und österreichischen Kämpfer in der spanischen Volksarmee“, dem die Freunde der sozialistischen Einheit Deutschlands seit Ende Juni 1939 auch formell beitraten. Münzenberg erwog sogar einen Besuch in Gurs.

Am 20. Juni 1939 schrieb Eduard Koch, der Leiter der Freunde der sozialistischen Einheit in Gurs: „In unserer Kompanie ist nun eine starke Gruppe, welche sich zu Dir, werter Genosse Münzenberg und Deiner Richtung bekennt.“ Er habe nicht nur Anhänger in der 9. Kompanie, berichtete Koch weiter, sondern aus dem anderen Lager kämen täglich Kameraden, die berichteten:

„In jeder Baracke sitzt die Opposition, die sich zu Dir bekennen und eine entsprechende Diskussion führen, je nach Lager versteckter oder offener. Verschiedene Kameraden wollen den Trennungsstrich ziehen und ebenfalls zur 9. Kompanie kommen. Andere halten es für notwendig, noch länger dort zu bleiben, um den Klärungsprozess fortzutreiben.“8

Kurze Zeit später konstituierte sich eine Gruppe der Freunde der sozialistischen Einheit im deutschen Block. Ihr gehörten zwölf Personen an. Am 11. August stellte sich die Gruppe offiziell der deutsch-österreichischen Lagerleitung vor. Wie aus einem ihrer Schreiben hervorgeht, hatte sich die Gruppe unter konspirativen Bedingungen gebildet.9

Es gibt keine genauen Angaben über die Anzahl der Mitglieder der Freunde der sozialistischen Einheit Deutschlands. Allerdings geben die Bezieher der Zukunft eine Größenordnung vor. Die Zukunft bezogen im August 1939 regelmäßig 66 Angehörige der 9. Kompanie, dazu 16 aus dem deutschen Lager sowie 31 sudetendeutsche Freiwillige. 171 Spanienkämpfer bezogen die Zukunft unregelmäßig.10

Bei den Mitgliedern der Freunde der sozialistischen Einheit handelt es sich in vielen Fällen um langjährige Parteimitglieder und Funktionäre der KPD. Vermutlich war dies auch der Grund, warum das illegale Parteikomitee in Gurs und das Sekretariat der KPD in Paris im August die Angriffe auf Münzenberg verstärkten. Denn seine Gruppe wurde zu einer ernst zu nehmenden Konkurrenz für die KPD, der die politische Kontrolle der Spanienkämpfer besonders wichtig war. Letztere stellten wichtige Kader für die kommunistische Bewegung dar, die überdies ein hohes öffentliches Ansehen genossen. Darüber hinaus führte das Sekretariat der KPD zu dieser Zeit Verhandlungen mit der französischen Regierung über den Einsatz deutscher Emigranten im Falle des Kriegsausbruchs. Die Spanienkämpfer in Gurs wären das Rückgrat einer solchen militärischen Einheit geworden.

Anfang August 1939 erschienen dann Artikel in der kommunistischen Deutschen Volkszeitung, in denen Münzenberg beschuldigt wurde, sich auf die Seite der 9. Kompanie geschlagen zu haben und damit die Spanienkämpfer politisch zu spalten.11 In den Schulungen des illegalen Parteikomitees in Gurs spielte die Auseinandersetzung mit dem „Verräter“ Münzenberg eine zentrale Rolle: die Gruppe um Münzenbergs Gruppe, heißt es in einem entsprechenden Bericht, sei „zu einem Sammelbecken aller volksfrontfeindlichen, trotzkistischen Gruppen und Elementen geworden“.12 Wie der Kampf gegen die „trotzkistisch- faschistischen Agenten“ praktisch aussah, berichtete der bereits erwähnte Eduard Koch:

„Wo ein Münzenbergmann in einer Baracke entdeckt wurde, wurde sofort Schweigeverbot für alle Linienleute [d.s. KPD-Mitglieder] erlassen. [Die Zeitung] Die Zukunft wurde mit Hohn empfangen. Wehe denjenigen, die von den Linienleuten erwischt wurden beim Lesen der Zukunft oder eines Münzenbergbriefes (…).“13

Der Hitler-Stalin Pakt im August 1939 stellte zwar auch für die politischen Auseinandersetzungen im Lager einen Einschnitt dar, aber für die kommunistischen Spanienkämpfer bedeutete dies zunächst einmal keinen Bruch mit ihrem Antifaschismus. In Übereinstimmung mit der Linie der KP-Frankreichs und auch des Pariser Sekretariats der KPD hatten sie nach Kriegsbeginn eine Erklärung abgegeben, an der Seite Frankreichs zu kämpfen. Erst mit dem russischen Einmarsch in Polen und dem Eintreffen der Komintern-Direktiven im Lager wurde vielen klar, was der Hitler-Stalin-Pakt wirklich bedeutete.

Das „Zusammenspiel der deutschen und russischen Diktatur“, schrieb eine Gruppe um den ehemaligen Stadtverordneten der KPD in Frankfurt am Main, Karl Gotthardt, „hat uns veranlasst, uns von einer Partei endgültig zu trennen, die dieses Verbrechen an Polen und an der Gesamtmenschheit unterstützte, guthieß und noch immer verteidigt“.14

Bis Januar 1940 traten im Lager Gurs noch einmal rund 100 Spanienkämpfer zur 9. Kompanie über. Zählt man alle zusammen, kommt man auf eine Zahl von rund 200 die sich damit offen als Antistalinisten bekannten. Dies entsprach rund einem Viertel der deutschen Spanienkämpfer in Gurs.

Dass die KPD trotz des Hitler-Stalin-Pakts im Lager Gurs ihre Hegemonie unter den deutschen Spanienkämpfern erhalten konnte, hing in erster Linie damit zusammen, dass – nach den Worten eines Münzenberg-Anhängers – „2/3 der Deutschen überzeugte Stalinisten“ waren oder nach denen eines Anderen, „Funktionäre von Format“ und „eine ganze Reihe G.P.U. Leute“, „welche mit Haut und Haar der Partei verschrieben sind und nicht eine Minute schwankend wurden“.15

In zweiter Linie spielte auch das Verhalten der französischen Behörden eine Rolle, die den Spanienkämpfern bis Anfang 1940 nur die Möglichkeit ließ, um die Lager zu verlassen: Den Eintritt in die Fremdenlegion und von da an auch in die sogenannten „Prestataires-Kompanien“ – als Zivilpersonen, die einen paramilitärischen Status hatten und strafrechtlich sowie disziplinarisch Armeeangehörigen gleichgestellt waren – als Arbeitskompanien der französischen Armee.

Dennoch handelte es sich um eine beachtliche Zahl von Spanienkämpfern, die sich in Gurs von der KPD trennten, womit ich bei der Frage bin, warum die 9. Kompanie wie auch die Freunde der sozialistischen Einheit Deutschlands nicht zur „Keimzelle einer neuen Einheitsbewegung“16 wurden und sie auch in der historischen Forschung kaum Spuren hinterlassen haben.

 

Warum heute vergessen?

An erster Stelle ist hier die Politik der französischen Regierung gegenüber dem deutschen Exil zu nennen. Zwar konnte die Zukunft noch erscheinen, doch anstatt die antifaschistischen deutschen Emigranten, ihren Fähigkeiten und Willen entsprechend, in die Kriegsanstrengungen gegen das nationalsozialistische Deutschland einzubinden, wurden die meisten von Ihnen als unerwünschte Ausländer in Lagern eingesperrt. In einem Brief Münzenbergs an einen Genossen in Gurs Ende März 1940 dringt davon zumindest etwas durch: „Solidarität ist jetzt das Letzte, was uns geblieben ist“.17

An zweiter Stelle ist der Tod Willi Münzenbergs im Sommer 1940 zu nennen. Die Freunde der sozialistischen Einheit wurden nur wenige Monate vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges gegründet und waren organisatorisch und ideologisch zu wenig gefestigt, um ohne ihren Protagonisten auszukommen. Hätte Münzenberg weiter gelebt, hätte er sicherlich große Anstrengungen unternommen, seine Politik fortzusetzen.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges hatten die kommunistischen Parteien und auch ihre Mitglieder ein großes Interesse daran, die dunkle Zeit des Hitler-Stalin-Paktes zu verdrängen. Aber auch die sozialdemokratischen Parteien wurden an diese Zeit nicht gerne erinnert. Nach der deutschen Besetzung Westeuropas kollaborierten auch die Führungsgruppen der reformistischen Arbeiterparteien und Gewerkschaften auf breiter Linie mit ihren deutschen Besatzern. Die von Münzenberg und auch anderen Sozialisten verfolgte politische Linie vor und nach Kriegsausbruch stellte jedoch einen Bruch sowohl mit der sozialdemokratischen als auch kommunistischen Politik dar.

Dies ist wohl der Hauptgrund dafür, dass die Versuche der Spanienkämpfer in Gurs und Münzenbergs Freunde der sozialistischen Einheit Deutschlands, einen Beitrag zu einer erneuerten deutschen Arbeiterbewegung zu leisten, kaum Spuren hinterlassen haben. Sie wurden weitgehend vergessen.

 

1 Soweit nicht anders zitiert, basieren die Ausführungen über Gurs auf Dieter Nelles: Die Unabhängige Antifaschistische Gruppe 9. Kompanie im Lager Gurs. Zur gruppenspezifischen Interaktion nach dem Spanischen Bürgerkrieg, in: Das „andere Deutschland“ im Widerstand gegen den Nationalsozialismus: Beiträge zur politischen Überwindung der nationalsozialistischen Diktatur im Exil und im Dritten Reich, hg. von Helga Grebing und Christl Wickert, Essen 1994, S. 56 – 85.

2 Vgl. N.N: Wer die Wahrheit kennt und sie nicht spricht, der ist fürwahr ein feiger Wicht. Brief in: Internationaal Instituut voor Sociale Geschiedenis (IISG), Nachlass Hertz, Leitzordner 1b.

3 Helmut Klose an Emma Goldman, 16.6.1939, in: IISG, Senya Fléchine papers, Mappe 11.

4 Heinz Priess: Spaniens Himmel und keine Sterne, Berlin 1996, S. 163.

5 Hubert Mayr u.a. an Münzenberg, 14.4.1939, in: Archives Nationales (AN), F7 15125/1a

6 Hubert Mayr an Münzenberg, 31.5.1939, in: AN, F7 15125/1a

7 Willi Münzenberg, Walter Öttinghaus an Liebe Freunde, 18.8.1939, in: AN, F7 15125/2

8 Eduard Koch an Willi Münzenberg, 20.6.1939, in: Archives Nationales, Pierrefitte (AN), F715125/2.

9 Freunde der sozialistischen Einheit Deutschlands (Gruppe Münzenberg), Gurs Ilot I an Werter Genosse, 12.8.1939, ebd.

10 Vgl. die Namenslisten in: AN F7 15125/1d.

11 Münzenberg. Einige Aufklärungen, in: DVZ, Nr. 32, 6.8.1939.

12 Tätigkeitsbericht der deutschen Kommunisten im Lager von Gurs zum IV. Jahrestag des VII. Weltkongreß, in: Barch-SAPMO, SgY 9, V 231/1/5a, S. 50f.

13 Eduard Koch an Walter Öttinghaus, 6.12.1939, in: AN F7 15125/2.

14 Karl Gotthard u.a. an Willi Münzenberg, 23.10.1939, ebd.

15 Koch an Öttinghaus, 6.12.1939. GPU war seit 1922 die Bezeichnung der Geheimpolizei der Sowjetunion und bezeichnet in diesem Zusammenhang deutsche Spanienkämpfer, die in den kommunistisch dominierten Geheimapparaten tätig waren.

16 Helmut Klose an Emma Goldman, 16.6.1939, in: IISG, Senya Fléchine papers, Mappe 11.

17 Bundesarchiv Berlin (BArchB), Z/C 13288, Bl. 85f.

Autor: Dieter Nelles

 

 

 

 

Manuel Mergen

Manuel Mergen