Komintern und der Spanische Bürgerkrieg

Der Spanische Bürgerkrieg hatte viele faszinierende Facetten, zwei davon müssen besonders hervorgehoben werden. Es ist dies zum einen die Tatsache, dass der scheinbare Siegeszug des Faschismus und der Reaktion in den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts durch die spontanen Aktionen und schließlich mit bewaffnetem Widerstand aufgehalten werden konnte, und dass zum anderen dieses Ereignis eine internationale Solidaritätsbewegung ins Leben rief, deren Singularität darin bestand, dass aus vielen Ländern Menschen nach Spanien kamen, um die bedrohte Republik zu verteidigen. Es gibt wohl keinen Fall in der Geschichte, in dem wie in diesem internationale bewaffnete Formationen an der Seite eines Volkes für dessen Freiheit kämpften. Da letztlich diese bewaffneten Formationen unter der Kontrolle der Kommunistischen Internationale (KI) initiiert, aufgestellt und organisiert worden waren, hätte das zur eigentlichen Sternstunde der KI werden können. Die Komintern hatte in ihrer bisherigen Geschichte kaum auf Ruhmesblätter verweisen können, das aber, was sie in Spanien in Gestalt der Internationalen Brigaden mithalf zu organisieren, muss einfach als grandios, aber auch ambivalent eingeschätzt werden. Über diejenigen, aus denen sich die Internationalen Brigaden zusammensetzten, schrieb Pierre Frank in seiner „Geschichte der Komintern“: „Den Heldenmut, den sie bewiesen, und die von ihnen gebrachten Opfer werden von der Arbeiterbewegung der ganzen Welt unvergessen bleiben. Ihre Mitglieder trugen keinerlei politische Verantwortung; sie erfüllten die Aufgabe, derentwegen sie nach Spanien gekommen waren: sich im Kampf einzusetzen. Sie taten es, weil sie das Fortschreiten des Faschismus aufhalten und im Grunde den Sieg der Arbeiter über den Kapitalismus sicherstellen wollten. Im Bewusstsein der Arbeiterklasse der ganzen Welt haben diese politisch leider falsch eingesetzten Menschen das Beispiel höchster Opferbereitschaft hinterlassen, zu einem Zeitpunkt, wo die faschistischen Bewegungen die gesamte europäische Arbeiterbewegung zu verschlingen suchte.“[1]

Diese Einschätzung von Pierre Frank ist wohl in dieser Kürze die pointierteste, bedarf aber einer ausführlichen Erklärung.

Georgi Dimitroff, seit 1935 Generalsekretär der Kommunistischen Internationale, berichtet in seinen Tagebüchern von einem Gespräch mit Stalin am 21. Mai 1943, in dem dieser sagte, es sei eine Überschätzung der Kräfte und damit ein Fehler gewesen, die Kommunistische Internationale zu gründen und damit davon auszugehen, dass „wir die Bewegung in allen Staaten leiten könnten“.[2]

Nun hatte Stalin mit dieser Charakterisierung der KI eine andere Absicht als die von Millionen Kommunisten, die in der Sowjetunion das revolutionäre Zentrum der Welt sahen. Ihm ging es mit Sicherheit nicht darum zu akzeptieren, dass eine Revolution zunächst eine nationale Angelegenheit ist, die man eben nicht in allen Details von einem Zentrum aus vorbereiten und leiten könne, wie entgegen der bisherigen Praxis seine nunmehrige Erklärung lautete. Nach dem Scheitern der Volksfrontpolitik und dem durch den deutschen Überfall aufgekündigten Nichtangriffs- und Freundschaftspakt mit Nazi-Deutschland ging es jetzt wohl vor allem darum, das Wohlwollen der bürgerlichen Demokratien zu erhalten und diesen zu signalisieren, dass von der Sowjetunion keine revolutionäre Bedrohung ihrer politischen Systeme ausgehe. In der Retrospektive gesehen ist die Erklärung Stalins auch deshalb als zynisch zu werten, weil durch die Einflussnahme der KPdSU auf die der KI angeschlossenen kommunistischen Parteien weder eine proletarische Revolution stattgefunden hatte noch der Machtantritt faschistischer und diktatorischer Regimes in Europa verhindern werden konnte. Gerade letzteres wurde durch die teilweise katastrophale Politik der Komintern nachgerade unterstützt, und es zeigte sich vor allem in Deutschland, wie die von der KPdSU dominierte KI durch ihre programmatische und personale Einflussnahme auf die KPD diese von Niederlage zu Niederlage führte, und das, obwohl die KPD die mitgliederstärkste kommunistische Partei nach der KPdSU geworden war und z. B. bei den Reichstagswahlen beträchtliche Erfolge aufzuweisen hatte. Wird die Politik der Komintern im internationalen Maßstab pauschal betrachtet, dann ist die Bilanz negativ und Erfolge waren nur dort eingetreten, wo sich wie z. B. in China die kommunistische Partei von den Vorgaben der Kommunistischen Internationale löste. Zieht man also eine Bilanz der Arbeit der Komintern, dann muss man, wie eingangs erwähnt, betonen, dass ihr Einsatz in Spanien zwar ambivalent zu betrachten ist, das Entstehen einer internationalen Solidaritätsbewegung und die Organisation der Internationalen Brigaden der größte Erfolg ihrer Existenz war.

Analysiert man die Veröffentlichungen der KI vor 1936, dann entsteht der Eindruck, dass Spanien nicht unbedingt im Zentrum des Interesses dieser weltumspannenden Organisation stand. Das hängt sicher unter anderem damit zusammen, dass die KP Spaniens eine sehr kleine Partei war, die noch dazu von mehreren Krisen heimgesucht wurde. In einer Bestandsaufnahme der Kommunistischen Internationale wurde die KP Spaniens bis 1931 als „eine eigentümliche Föderation schwacher, weniger, miteinander schlecht verbundener und von den Arbeitermassen isolierter illegaler Propagandazirkel, die insgesamt nicht mehr als 700 bis 800 Mitglieder zählte“[3] bezeichnet. Die Komintern hatte mehrere Berater nach Spanien geschickt, die in der folgenden Zeit wohl auch die Dimension dessen erkannten, was sich nach dem „spanischen Oktober“ von 1934 und dem damit verbundenen Erstarken der Arbeiterbewegung entwickelte, und vor allem auch, wie sich die Situation in Spanien nach dem versuchten faschistischen Putsch vom 18. Juli 1936 grundlegend von der anderer Länder unterscheiden sollte, in denen der Faschismus auf keinen nennenswerten Widerstand stieß. Spanien hatte dem gegenüber gezeigt, und das ist wohl von grundlegender und bleibender Bedeutung, dass der faschistischen Bedrohung durchaus erfolgreicher Widerstand entgegen gesetzt werden konnte, und dass dieser Widerstand zunächst spontan, getragen von breiten Kreisen der Bevölkerung und den verschiedensten Organisationen und Parteien, gleichzeitig den Charakter einer sozialen Revolution annahm, die von manchen (z. B. Heleno Saña, Hans-Peter Dürr) in der Rückschau als weitestgehende soziale Revolution im 20. Jahrhundert eingeschätzt wird.

Aus dem Widerstand gegen den Putsch, der gegen die junge spanische Republik gerichtet war, erwuchs ein Bürgerkrieg, der auch das Ende der Vorkriegszeit in Europa entscheiden sollte. In Spanien wurden die Weichen für einen neuen Krieg in Europa gestellt, auch weil die demokratischen Staaten durch ihre Neutralitätspolitik den faschistischen Hauptakteuren und Unterstützern der spanischen Putschisten die Gewissheit gaben, dass sie die nötige Durchsetzungskraft hätten, ihre künftigen Ziele zu verwirklichen und dass sie in gewisser Hinsicht dafür freie Hand hätten.

Spanien zeigte aber vor allem auch die Kraft der internationalen Solidarität, hauptsächlich einer Solidarität von unten, denn für viele Antifaschisten hatte es keiner besonderen Parteibeschlüsse und Kampagnen bedurft, sie hatten ihren Weg nach Spanien gesucht, weil ihnen das Schicksal der Republik am Herzen lag, weil sie ahnten, was der Triumph Francos und der mit ihm verbündeten faschistischen Regimes bedeutete, und weil sie in Spanien die Möglichkeit sahen, den Kampf mit der Waffe fortzusetzen, einen Kampf, der dort, wo der Faschismus gesiegt hatte, nicht mehr möglich war. Und so ließ Hemingway einen seiner Helden sagen: „Wenn wir hier siegen, siegen wir überall.“ Die Männer und Frauen, die mit diesem Motiv und mit dieser Absicht nach Spanien gingen, haben ein Ruhmesblatt im Buch der Geschichte geschrieben, das auch durch die Tatsache, dass ihr Einsatz den Sieg Francos nicht verhindern konnte, und dass sie zum Spielball auß enpolitischer Interessen wurden, nicht vergilben wird. Obwohl die Hauptarbeit für den Einsatz dieser Freiwilligen von der Kommunistischen Internationale geleistet wurde, wären auch viele von ihnen auf eigene Faust nach Spanien gekommen, um dort auf die vielfältigste Art den Widerstand zu unterstützen und um jenen Prozess aufzuhalten, der mit der Machtübernahme des Faschismus in Italien und Deutschland begonnen hatte.

Die internationale Arbeiterbewegung hatte es nicht vermocht, diesem Prozess Halt zu gebieten, im Grunde genommen versagte sie genau so wie zu Beginn des 1. Weltkriegs, nur war ihre Niederlage jetzt noch gründlicher, weil sie in einigen Ländern fast überhaupt aufhörte zu existieren. Was 1917 so viel versprechend begann, endete schließlich in verzweifelten Defensivstrategien gegen die überall erstarkende Reaktion. Die Kommunistische Internationale, gegründet als „Generalstab der Weltrevolution“, endete als Instrument der sowjetischen Außenpolitik, nutzlos und – wie Stalin bemerkte – zum Fehler geworden, als die Sowjetunion der Unterstützung der westlichen Demokratien bedurfte.

Mario Kessler verweist bei der Erklärung des Paradigmenwechsels der Aufgaben der Kommunistischen Internationale auf die von Franz Borkenau vorgenommene Periodisierung, in der dieser die Geschichte der KI in drei Phasen einteilt: Während der 1. Periode verstand sich die KI vornehmlich als Instrument, um die Weltrevolution herbei zu führen, in der 2. Periode wurde sie vornehmlich geprägt durch die russischen Fraktionskämpfe und deren Auswirkungen auf die nationalen kommunistischen Parteien, und in der 3. Periode war sie hauptsächlich ein Instrument der sowjetischen Außenpolitik.[4]

Die KI hatte auch ihre Berater in der spanischen KP und es ist anzunehmen, dass deren von Moskau bestimmten Vorschläge und Analysen verbindlich für die KP Spaniens waren. Im Mai 1932 erschien in der „Internationale“, der Zeitschrift der KI, ein mit V. C. (das ist Vittorio Codovilla) gezeichneter Artikel unter der Überschrift „Die jüngsten Ereignisse und die nächsten Perspektiven der spanischen Revolution“. Der Verfasser schrieb, dass die Entwicklung der Lage in Spanien jener der russischen Revolution ähnlich sei, dass das spanische Proletariat aber nicht siegen könne, wenn es die Lehren der russischen Revolution nicht beherzige. Die grundlegende Aufgabe des Tages sei die Organisierung der Revolution und die Erringung der Hegemonie des Proletariats in den revolutionären Kämpfen zur Eroberung der Macht. „Dazu ist es notwendig, die Arbeiter- und Bauernbewegung dem unheilvollen Einfluss der Anarcho-Syndikalisten und Sozialisten zu entreißen, weil die anarchistische Konzeption zu einer Diktatur einer Sekte anstelle der Diktatur der Massen führen würde. Als erster konkreter Schritt wurde vorgeschlagen, unverzüglich mit der Durchführung des Dekrets über den Boden zu beginnen und zu diesem Zweck die landwirtschaftlichen Arbeiter und die Bauern aufzurufen, die Ländereien zu besetzen und aufzuteilen, Bauernräte ins Leben zu rufen und sich zu bewaffnen, um den eroberten Boden zu verteidigen.“ Und weiter heißt es: „Die Massen beginnen zu begreifen und bald werden sie es vollständig begriffen haben, dass sie nur durch ihren Kampf, durch ihre revolutionäre Aktion unter der Führung ihrer Avantgarde, der Kommunistischen Partei, mit dem Hunger, dem Elend und mit jeder Form der kapitalistischen Ausbeutung Schluss machen können … Und wenn sie die bürgerlich-demokratische Revolution siegreich vollbracht hat, wird unsere Partei sie durch die Steigerung des Kampfes in eine sozialistische Revolution umwandeln.“[5]

Im Juli 1935 veröffentlichte das Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationale (EKKI) einen Sammelband unter dem Titel „Die Kommunistische Internationale vor dem VII. Weltkongress“. Im Abschnitt „Spanien“ wird eindeutig betont, dass nur durch die Hilfe des EKKI die spanische KP auf einen erfolgreichen Weg geführt werden konnte. Festgestellt wurde, dass mit der Ausrufung der Republik (im April 1931) „der republikanische Umsturz nicht der Schlussakt der revolutionären Krise, sondern der Beginn ihrer Umwandlung in eine anhaltende, tiefgehende und akute Revolution sein werde“, das herrschende Regime wurde als bürgerlich-gutsherrlich charakterisiert, als ein Regime, das darauf aus sei, eine Konterrevolution durchzuführen. Es lohnt sich bei diesem Dokument auf die Programmatik (1935!) und die Terminologie zu achten: „Die spanische Revolution entwickelt sich als wahre Arbeiter- und Bauernrevolution. Jetzt, nach dem Oktober 1934, nach den Erfahrungen des heldenmütigen Kampfes des Proletariats in Asturien, ist die Notwendigkeit der Schaffung der Sowjetmacht der Arbeiter und Bauern bedeutenden Schichten der revolutionären Massen viel klarer geworden.“[6]

In diesem Artikel taucht der Terminus „Volksfront“ nicht auf, im Zentrum steht deutlich der Gedanke der Einheitsfront, die aber, und das wird unmissverständlich betont, nur unter der Hegemonie der Kommunistischen Partei erfolgreich sein könne. Das wird dann auch deutlich bei dem Eintritt der Kommunistischen Partei in das Bündnis der Linken, die Arbeiterallianz, indem die KP festlegte, dort die Plattform der Sowjetmacht zu vertreten, was bedeutete, die Allianzen in Massenorganisationen ähnlich den Sowjets umzuwandeln. Interessant sind hier unter dem Aspekt der späteren Ereignisse die Punkte 1 bis 3:

  • Beschlagnahme der Ländereien der Gutsbesitzer und der Kirche und ihre Aufteilung auf die Bauern und Landarbeiter
  • Bewaffnung der Arbeiter und Bauern
  • Kontrolle über Produktion und Banken.[7]

Am interessantesten aber ist das Kapitel über den Zustand der KP Spaniens, in dem zum Ausdruck kommt, dass nur die Interventionen des EKKI und dass vor allem nach dem VI. Weltkongress der Kommunistischen Internationale die KP Spaniens aus der politischen Passivität und der organisatorischen Schwäche geführt werden konnte. Hervorgehoben wurde vor allem, und das sollte auch einen Vorgeschmack auf künftige Auseinandersetzungen geben, dass es gelungen sei, die Trotzkisten und Trotzki zu isolieren, der der KP „seine konterrevolutionäre Politik im Interesse der bürgerlich-gutsherrlichen Klasse habe aufzwingen wollen“, und dass es weiterhin notwendig sei, die kleinbürgerliche Gruppe Mauríns zu bekämpfen, die verschiedene anarchosyndikalistische, trotzkistische und nationalistische Elemente vereine und eine Sabotagepolitik betreibe.[8]

Nun war es aber wohl so, dass sich eine revolutionäre Situation auch ohne besonders Zutun der Kommunistischen Partei entwickelte, das Problem aber war, dass dieser nach dem VII. Weltkongress der KI (25. Juli bis 20. August 1935) eine völlig andere politische Orientierung auferlegt wurde. Im Zentrum dieses Kongresses lag als Konsequenz des Machtantritts des Faschismus und der Kritik der ultralinken Periode der Kommunistischen Internationale die Festlegung auf die Volksfrontpolitik, die, das hatten ihre Kritiker sofort zum Ausdruck gebracht, soziale Revolutionen ausschließen musste.

Largo Caballero, Führer der linken Sozialisten in Spanien, hatte am 16. Januar 1936 gesagt: „Wenn die Republik errichtet sein wird, ist es unsere Pflicht, die Errichtung des Sozialismus anzustreben. Wenn ich vom Sozialismus spreche, meine ich damit keinen abstrakten Begriff – ich spreche vom marxistischen Sozialismus. Die Arbeiterklasse lehnt es in keiner Weise ab, die politische Macht zu erobern, das ist ihr Programm, und sie hat beschlossen, die Macht mit allen Methoden zu erringen … Wir müssen die bürgerliche Republik in eine sozialistische verwandeln und die Produktionsmittel sozialisieren. Davon gehen wir nicht ab. Im Agrarbereich halten wir es für erforderlich, den Boden zu nationalisieren, und wir sehen darin die einzige Methode zur Befreiung der Werktätigen auf dem Land.“[9]

Im Grundgehalt gleicht diese Aussage der, die programmatisch in dem erwähnten Artikel von V. C. in Anlehnung an den VI. Weltkongress der KI getroffen worden war, und für die Wahlen am 16. Februar 1936 traten die linken Parteien und Bewegungen, also die Sozialisten, Kommunisten, Anarchisten und der POUM, mit einem gemeinsamen Wahlprogramm an. Der Wahlsieg dieses Bündnisses, das sich auch als „Volksfront“ bezeichnete, von diesem Begriff aber ein anderes Verständnis hatte als das in der kommunistischen Bewegung der Fall war, zeigte, dass das Programm des Wahlbündnisses von einer Mehrheit der Spanier akzeptiert worden war. Der nachfolgende VII. Weltkongress der Kommunistischen Internationale gab aber eine andere Orientierung und die Lage in Spanien spitzte sich nach dem Putsch der reaktionären Kräfte um Franco am 18. Juli 1936 extrem zu. Die Putschisten stießen auf eine unerwartet breite und erbitterte Gegenwehr, die sich vielerorts aber nicht mehr nur auf die Sicherung und den Ausbau der demokratischen Errungenschaften beschränkte, sondern auch sozialistische Forderungen stellte und realisierte. Konkret kam es, regional verschieden, zu Enteignungen, Kollektivierungen und dem Entstehen neuer revolutionärer Machtorgane.

Die Schwäche der Republik zeigte sich aber besonders auf militärischem Gebiet. Obwohl Italien und Deutschland die Putschisten unverhohlen mit Waffen und mit Menschen unterstützten, obwohl Deutschland den Putsch eigentlich erst ermöglichte, indem es mit der Organisierung der ersten Luftbrücke in der Geschichte franquistische Truppen von Afrika nach Europa flog, verweigerten die westlichen Demokratien der spanischen Republik jede Hilfe und initiierten gleichzeitig ein Nichteinmischungskomitee, das den Konflikt als innerspanisches Problem definierte und dem auch die Sowjetunion beigetreten war.

Man kann viel über Möglichkeiten und realistische Politik nachdenken, aber es hat den Anschein, als ob die Sowjetunion, als ob Stalin an einem sozialistischen Spanien nicht interessiert war. Das geht vor allem aus einem Brief hervor, den er am 21. Dezember 1936 gemeinsam mit Molotow und Woroschilow an Largo Caballero schrieb und der einen deutlich anderen Tenor hat als die genannten Dokumente der Kommunistischen Internationale: „Die spanische Revolution bahnt sich einen Weg, der sich in vieler Hinsicht von dem Weg, den Russland zurück gelegt hat, unterscheidet … Es ist durchaus möglich, dass der parlamentarische Weg ein wirksameres Mittel für die revolutionäre Entwicklung ist als in Russland.“ Das bedeute aber konkret auch, „das Klein- und Mittelbürgertum der Städte auf die Seite der Regierung zu ziehen oder ihnen zumindest die Möglichkeit zu geben, sich gegenüber der Regierung neutral zu verhalten, und ihnen zu diesem Zwecke Schutz vor Enteignung und nach Möglichkeit Handelsfreiheit zu bieten.“[10] Trotzki nannte das zugespitzt „Programm zur Rettung des Privateigentums vor dem Proletariat um jeden Preis und Rettung der Demokratie vor Franco so weit wie möglich.“

Zusammengefasst kann mit Theodor Bergmann gesagt werden, dass es für die republikanische Seite zwei Möglichkeiten der Reaktion auf den Putsch gab:

  1. Die Fortsetzung der Revolution, die Enteignung der Feudalherren, die Übernahme der Fabriken und die Bildung revolutionärer und zuverlässiger Truppen. Das war der Wunsch vieler Sozialisten (des Flügels um Largo Caballero), der Mehrheit der Syndikalisten und Anarchisten (um Durruti), des POUM (um Joaquín Maurín). Man hätte den Kolonialsoldaten auf der Seite der Putschisten die Unabhängigkeit Marokkos anbieten und die Franco-Truppen revolutionär zersetzen können.
  2. Fortsetzung der bürgerlichen Demokratie durch die Koalition mit den verbliebenen bürgerlichen Parteien, Verzicht auf revolutionäre Veränderungen mit dem Ziel, die westlichen Demokratien zur Tolerierung der Republik zu veranlassen. Die Parole der KP und später auch des PSUC war: Erst den Krieg gewinnen und dann Reformen durchführen.[11]

Diese letztere Orientierung war auch die der Komintern, die von da ab die Zielsetzung der linken und republikanischen Kräfte als „nationalrevolutionär“ bezeichnen sollte. Das aber hatte Konsequenzen, die sich vor allem gegen die richten sollten, die an einer sozialistischen Option festhielten. So wurden u. a. auch Truppen eingesetzt, um Enteignungen und Kollektivierungen rückgängig zu machen, und mitten im Bürgerkrieg kam es zu kriegsähnlichen Auseinandersetzungen unter den Anhängern der Linken, die dann zum Rücktritt von Largo Caballero und der Intensivierung der berüchtigten Säuberungen führten, die auch für manche den Tod bedeuteten.

Spanien, und das zeigt nicht zuletzt diese Politik, bei der sich die Sowjetunion auf den Einfluss der enorm angewachsenen KP Spaniens stützen konnte, war ein exklusives Beispiel für die Feststellung, dass sich die Kommunistische Internationale der Außenpolitik der UdSSR unterzuordnen hatte. Auf der einen Seite wollte Stalin die bürgerlichen Demokratien davon überzeugen, dass die Sowjetunion nicht in weltrevolutionären Kategorien dachte, was ja übrigens auch eine Konsequenz der Theorie vom „Sozialismus in einem Lande“ war, zum anderen hätte er aber auch ob des Führungsanspruches der KPdSU keine sozialistische Revolution akzeptieren können, die möglicherweise tiefer ging als die russische und so das sowjetische Modell hätte grundsätzlich Frage stellen können.

Andererseits konnte Stalin aber auch nicht tatenlos zusehen als erkennbar wurde, dass die Arbeit des Nichteinmischungskomitees wirkungslos blieb und die faschistischen Staaten Deutschland und Italien die spanischen Putschisten im großen Ausmaß unterstützten. Er musste sich auch aus Sorge um einen Ansehensverlust zur materiellen und in puncto Militärspezialisten auch personellen Hilfe bereit erklären, eine Hilfe, deren Dimension und Qualität umstritten ist, die der KP Spaniens Ansehen und vor allem Einfluß brachte. Ein weiteres Element, das sich zahlenmäßig auf das Anwachsen der KP Spaniens auswirken sollte, war der große Zulauf aus dem Kleinbürgertum, das der Meinung war, die kommunistische Partei sichere ob ihrer Orientierung ihr Eigentum. Diese neu zur Partei gestoßenen Kräfte sollten sich zu Ende des Bürgerkrieges tragisch auf das Schicksal der KP auswirken.

Stalin konnte direkt in die spanischen Geschehnisse eingreifen, zum einen durch die sowjetische Botschaft, die sowjetischen Spezialisten auf den verschiedenen Ebenen, vor allem im Militär und den Geheimdiensten, zum anderen über die Komintern. Für letzteres sind die Tagebücher von Georgi Dimitroff von nicht zu unterschätzendem Interesse, weil sich hier auch die überragende Rolle Stalins dokumentiert, denn eigentlich war die KPdSU eine Partei der Kommunistischen Internationale, und Stalin wäre damit im Rang Georgi Dimitroff nachgeordnet gewesen. Natürlich ist längst bekannt, dass in der Realität das Gegenteil der Fall war, aber die Tagebücher verblüffen trotzdem durch die von Dimitroff ausgedrückte Mischung aus devotem Verhalten und Bewunderung gegenüber Stalin. Dimitroff reflektierte in diesen Tagebüchern auch mit äußerster Vorsicht die Auswirkungen der großen Schauprozesse, in deren Gefolge die alte revolutionäre Garde der Bolschewiki vernichtet und die Rote Armee an die Grenze der Handlungsfähigkeit gebracht wurden. In diesem Kontext muss darauf verwiesen werden, dass sich die Zeitgleichheit zwischen den großen Säuberungen und dem spanische Bürgerkrieg durchaus negativ auf den Widerstandskampf der republikanischen Seite auswirkte, zumal in der Sowjetunion auch jene Kader dem Terror zum Opfer fielen, die mit ihren Erfahrungen und Kenntnissen in Spanien notwendig gebraucht worden wären.

Leider wurden in den Tagebüchern die Seiten für das 1. Halbjahr 1936 entfernt, so dass die erste Eintragung zu Spanien am 28. August 1936 zu finden ist, in der dann allerdings die Frage nach der Organisierung eines internationalen Korps thematisiert ist. Wann aber und in welcher Form das EKKI bzw. die Kommunistische Internationale zur Bildung international zusammengesetzter bewaffneter Einheiten zur Unterstützung der Spanischen Republik aufgerufen hatte, bleibt umstritten und ist z. Z. nicht mit Sicherheit und quellengestützt zu beantworten. Klar ist allerdings, dass sich das ZK der KPD schon am 7. August mit Spanien beschäftigte und an alle Antifaschisten appellierte, der bedrohten spanischen Republik zu Hilfe zu kommen. Ein weiterer Aufruf der KPD an die SPD, hinsichtlich Spaniens gemeinsam zu handeln, blieb seitens der Sozialdemokratie ohne Reaktion. Es ist aber höchst unwahrscheinlich, dass sich die KPD ohne Billigung und ohne Rückendeckung der Komintern und quasi im Alleingang in dieser für die Außenpolitik der Sowjetunion brisanten Frage engagiert haben kann.

Am 2. September 1936 wurde im Politbüro der KPdSU mit Dimitroff die Frage der spanischen Regierung besprochen, übermittelt wurde die mit Stalin abgestimmte Direktive „Kämpfen für die Umgestaltung der Regierung Giral in eine Regierung der Nationalen Verteidigung, unter der Führung von Giral mit der Mehrheit der Republikaner, unter Beteiligung von Sozialisten und zwei Kommunisten, sowie Vertreter der Katalanen und Basken.“[12] Das soll nur als ein Indiz dafür genannt werden, mit welcher Detailtreue die sowjetische Seite versuchte, Einfluss auf die Ereignisse in Spanien zu nehmen. Ansonsten bezog sich ein Großteil der Eintragungen Dimitroffs in sein Tagebuch auf das Problem der Freiwilligen in Spanien, aber es hat den Anschein, als ob Stalin von deren Einsatz nicht viel gehalten hatte. So heißt es am 2. Januar 1937: „Als Antwort auf unseren Vorschlag bezüglich der Freiwilligen aus Amerika Beschluss Stalins: Wir brauchen keine Freiwilligen mehr. Ich schlage vor, die Werbung einzustellen.“[13]

Folgerichtig ist dann am 14. März 1937 zu lesen: „Im Falle des Beschlusses, die ausländischen Kräfte aus Spanien abzuziehen, die Internationalen Brigaden auflösen und im Hinterland belassen, in der Produktion usw.“[14]

Am 27. August 1938 folgt dann die Eintragung: „Die Internationalen Brigaden offiziell entlassen. Es wird schon über deren weiteren Einsatz diskutiert.“[15]

Offenbar ahnten verschiedene Interbrigadisten, dass ihr Einsatz in Spanien zu Ende gehen würde, denn am 20. Oktober 1938 schrieb Dimitroff, dass einige Internationalisten den Wunsch hätten, nach China zu gehen. Ercoli und Marty hätten aber Zweifel und „bitten um unsere Meinung“. [16] Und Dimitroff setzte hinzu, dass man das nur in Ausnahmefällen gewähren sollte.

Ein interessantes Beispiel illustriert die Absicht der sowjetischen Führung, nach außen nicht allzu sehr mit den Internationalen Brigaden in Verbindung gebracht zu werden. Am 3. Dezember 1936 berichtet Georgi Dimitroff über ein Schreiben des Politkommissars der XI. Internationalen Brigade di Vittorio (Nicoletti) mit der darin geäußerten Bitte, Hans Beimler auf dem Roten Platz zu bestatten. Darauf hin schlugen Stalin und Molotow vor, Nicoletti solle sich an den Vorsitzenden des Zentralrats der sowjetischen Gewerkschaften Schwernik wenden. Nach Dimitroff wurde die Frage zwar positiv entschieden, der Leichnam Hans Beimlers aber nie nach Moskau überführt.[17]

Insgesamt zeichnen die Tagebücher Georgi Dimitroffs hinsichtlich der Ereignisse in Spanien ein merkwürdiges Bild. Spanien wird nur sehr spärlich erwähnt, da aber Dimitroff immerhin der Generalsekretär der KI war, kann der Eindruck entstehen, Dimitroff (und damit der Kommunistischen Internationale) wären die Dimensionen dessen was sich in Spanien ereignete, entweder nicht recht bewusst gewesen, oder Dimitroff wäre sich auch hier im Klaren darüber gewesen, dass er keine eigene Entscheidung hätte treffen können. Dieser Eindruck wird verstärkt durch die vielen Eintragungen privater Natur (über Kuraufenthalten auf der Krim usw.), über die Säuberungen oder über die Situation in China. Aus der Retrospektive gesehen wären angesichts der Bedeutung, die der Spanische Bürgerkrieg für Europa und die internationale Arbeiterbewegung hatte, eine intensivere Beschäftigung damit in den Tagebüchern der führenden Persönlichkeit der Kommunistischen Internationale zu erwarten gewesen.

Eine viel prägnantere Sprache sprechen die von Friedrich Firsow 1999 veröffentlichten Geheimtelegramme der Komintern über den Spanischen Bürgerkrieg. Dort sind klar die Handlungsanweisungen für die KP Spaniens formuliert, sowohl politischer Natur, also Verhalten bei Wahlen, bei Regierungsgestaltung oder der Ablösung Caballeros, oder auf die Lösung rein militärischer Probleme zielend. Die Telegramme, die unter dem Decknamen „Kautsky“ (für den gesamten Telegrammverkehr wurden bewusst Namen von Persönlichkeiten der Sozialdemokratie bzw. der Sozialistischen Internationale gewählt) vermutlich von Stojan Minev verfasst wurden, enthalten weiterhin noch zwei bemerkenswerte Aspekte. Schon 1979 hatte Pierre Frank in seiner „Geschichte der Kommunistischen Internationale“ darauf verwiesen, dass die Resolution der Komintern vom 28. Dezember 1937 über die Aktivität der KP Spaniens auch als Weisung interpretiert werden kann, zuerst den Trotzkismus, und das war ein Sammelbegriff für die nichtstalinistische Linke, zu zerschmettern – und dann den Faschismus.[18]

Die Kommunistische Internationale billigte damit die ihr von der KP Spaniens über „Kautsky“ vorgeschlagenen Maßnahmen zur Überwindung der nach den Mai-Ereignissen in Barcelona entstandenen Situation:

  • die „überrevolutionären“ Trotzkisten und andere Teilnehmer des „Putsches“ zu Faschisten zu erklären, den POUM zu verbieten und „verdächtige Elemente“ aus dem Allgemeinen Bund der Werktätigen auszuschließen;
  • die Armee zu reorganisieren und die Milizen, die unter dem Einfluss der Anarchisten und Trotzkisten standen, aufzulösen;
  • die Teilnehmer am „Putsch“ zu entwaffnen;
  • das Hinterland entschieden von Agenten und Provokateuren zu säubern;
  • Massenkundgebungen zu organisieren.[19]

In der Literatur über den Spanischen Bürgerkrieg wird in diesem Kontext immer wieder auf den „Prawda“-Artikel vom 17. Dezember 1937 hingewiesen, in dem es heißt: „Hinsichtlich Kataloniens hat die Entfernung der Trotzkisten und Anarchosyndikalisten begonnen und wird mit der gleichen Energie, wie sie in der UdSSR durchgeführt wurde, weiter betrieben werden“.

Die politische Konsequenz dieser auch über die Komintern gesteuerten Aktionen war letztlich der Rücktritt Largo Caballeros und die Bildung einer neuen Regierung unter dem gemäßigten Sozialisten Juan Negrín.

Ein anderer interessanter Aspekt der Telegramme bezieht sich auf das Wirken der KI-Instrukteure in Spanien, denen vorgeworfen wurde, dass sie sich wie die eigentlichen Herren des Landes aufspielten und das nötige Taktgefühl gegenüber den spanischen Genossen vermissen ließen. Das spitzte sich vor allem in dem Moment zu, als Ercoli (Togliatti) nach Spanien kam und dem EKKI empfahl, von Luis (d. i. V. Codovilla) zu verlangen, er solle „aufhören, ein Arbeitspferd des gesamten ZK zu sein, den spanischen Genossen die operative Arbeit übergeben und aufhören, der Mann zu sein, ohne den niemand etwas tut und nicht weiß, was zu tun ist.“[20]

Togliatti aber wurde noch deutlicher, als er an die Kommunistische Internationale schrieb, „dass Eure ,Berater‘ aufhören (sollen) sich als die Herren der Partei aufzuführen, dass sie tatsächlich aufhören, die spanischen Genossen als Menschen anzusehen, die zu nichts mehr nutze seien, und sie unter dem Vorwand, besser und schneller handeln zu können, nicht mehr ersetzen usw. Diese Kritik bezieht sich auf L.(uis). Falls dieser nicht seine Arbeitsmethoden zu ändern imstande ist, soll er lieber nicht zurückkehren (Codovilla weilte zu dieser Zeit in Moskau, W. A.) … Seine Anwesenheit schadet der Partei.“[21]

Das EKKI konnte und wollte aber auf einen so wichtigen Mann mit diesen über Jahre in Spanien gesammelten Erfahrungen in der dortigen KP nicht verzichten und fasste deshalb am 3. Oktober folgenden Beschluss „1. Gen. Luis bleibt weiterhin beim ZK der KPS zu dem Zwecke, die Arbeit des ZK politisch zu unterstützen, mischt sich jedoch in die operative Leitung der Partei nicht ein. 2. In den nächsten drei Monaten besteht die Hauptaufgabe von Gen. L. als Verantwortlicher der Sonderkommission für die spanische Kampagne darin, die Anwerbung von Freiwilligen und eine internationale Kampagne zur Unterstützung der Spanischen Republik zu organisieren.“[22]

Sechs Jahre später, kurz vor der Auflösung der Kommunistischen Internationale, schrieb das Kollegium der Personalabteilung des EKKI Beurteilungen über führende Vertreter dieser weltumspannenden Organisation. Codovillas Zeit in Spanien wurde wie folgt eingeschätzt: „Von 1932 bis Okt. 1937 Vertreter des EKKI beim ZK der KP Spaniens. Aus Spanien auf Vorschlag von Gen. Ercoli abberufen, der ihn folgenderweise charakterisierte: selbstsüchtig, ambitionierend, steuerte den Kurs auf Untergrabung der Volksfrontpolitik, demoralisierte die spanischen Genossen, weil er alles statt ihrer machte, bis hin zum Empfang eines Wagens. Er zog die Kader nicht. Viel Schaden entstand dadurch, dass er persönlich mit führenden Funktionären anderer Parteien in Verbindung trat, das brachte die Partei in Misskredit, rief Verachtung gegenüber der Führung der KP hervor. Er besuchte Largo Caballero selbständig und versuchte, ihn im Namen der Führer der spanischen Arbeiterklasse 4–5 Stunden lang zu beeinflussen. Ihm fehlt politisches Taktgefühl, er rief in der Führung der KP Spaniens Erbitterung gegen alle führenden Funktionäre anderer Parteien anstatt des Strebens nach Zusammenarbeit mit diesen hervor.“[23] Diese Beurteilung muss deshalb in dieser Länge zitiert werden, weil sie zu einem früheren Zeitpunkt das Todesurteil gegen Codovilla bedeutet hätte. Im Gegensatz zu „Michail Moskwin“ (d. i. Meir Trilisser), dem im EKKI die Kontrolle der KP Spaniens oblag und der auch für die nach Spanien fließenden finanziellen Mittel verantwortlich war, überlebte Codovilla. Moskwin (Trilisser), der auch Beispiel dafür ist, wie sowjetische Geheimdienstfunktionäre Mitglieder oder Kandidaten des EKKI wurden, war von 1926 bis 1929 Chef der Auswärtigen Abteilung und stellvertretender Vorsitzender der OGPU gewesen und zum Entsetzen Dimitroffs im November 1938 verhaftet und am 2. Februar 1941 erschossen worden.

Interessant am Fall Codovilla ist weiterhin, und auch das wirft ein bezeichnendes Licht auf das Verhältnis der KI zum Spanischen Bürgerkrieg, dass der ihm gemachte Vorwurf der „Untergrabung der Volksfront“ zu einer Zeit geschah, in der diese Orientierung von der Kommunistischen Internationale längst aufgegeben worden war. In seinem Artikel „Der Krieg und die Arbeiterklasse der kapitalistischen Länder“ vom Oktober 1939, der die kommunistischen Parteien auf die neue Situation nach dem zwischen der Sowjetunion und Deutschland abgeschlossenen Nichtangriffs- und Freundschaftspakt einstimmen sollte, hatte Dimitroff den Volksfrontgedanken als nur zeitweilig bedeutend, aber heute nicht mehr wirksam bezeichnet. Dieser Einschätzung war eine tief greifende Änderung der Politik Stalins voraus gegangen.

1938 hatte sich die Lage der Spanischen Republik verschlechtert. Am 17. Dezember waren Dimitroff und Manuilski zu Stalin bestellt worden, der verlangte, dass die spanischen Kommunisten zwecks Verbesserung der allgemeinen Situation aus der Regierung austreten sollten. Dimitroff widersprach vorsichtig und schrieb an Stalin: „Mit Rücksicht darauf, dass der Austritt der Kommunisten aus der Regierung in der heutigen Situation von den Massen als Flucht vor den Schwierigkeiten des Kampfes aufgefasst werden könnte, und mit Rücksicht darauf, dass die bürgerlichen Republikaner zur Kapitulation tendieren, bitten wir um Ihren Ratschlag und Ihre Weisung anlässlich des Telegramms von Ercoli.“[24]

In diesem Telegramm gab Ercoli die Orientierung der KP Spaniens wider, die Regierung massiv unter Druck zu setzen und im Ernstfalle eine neue Regierung aus Vertretern der kommunistischen Partei und den Gewerkschaften jeder Richtung zu bilden.

Dimitroff erhielt von Stalin jedoch keine neuen Weisungen mehr. Das könnte auch als Indiz dafür gewertet werden, dass Stalin kein Interesse mehr an der Entwicklung in Spanien mehr hatte. Seine außenpolitische Orientierung war längst eine andere geworden, die Ereignisse von München, wo sich die westlichen Demokratien scheinbar mit Hitler geeinigt hatten, aber vielleicht auch andere Gründe ließen Stalin nach einer anderen Ausrichtung seiner Politik suchen. Und es sollte doch beachtet werden, dass von der Einstellung der Kampfhandlungen in Spanien am 29. März 1939 bis zu dem so genannten „Hitler-Stalin-Pakt“, vor allem dem am 26. September 1939 abgeschlossenen Grenz- und Freundschaftsvertrag (der übrigens in den Publikationen der Kommunistischen Internationale auch „Freundschaftsvertrag“ genannt wurde) nur wenige Monate vergingen. Ein Vertrag von solcher Tragweite wird nicht von heute auf morgen geschlossen, und es gibt genügend Literatur darüber, zu welchen Desorientierungen und Desillusionierungen das in der Arbeiterbewegung und der Linken überhaupt führte. Der Hauptfeind war nunmehr nicht mehr Hitler-Deutschland, sondern die westlichen Demokratie. Da die Kommunistische Internationale gezwungen war, diese Politik zu vertreten, mussten die ihr angeschlossenen Parteien unter der Losung „Kampf dem imperialistischen Kriege!“ die Hauptstoßrichtung ihres Kampfes gegen die imperialistischen Hauptmächte richten. Das aber waren im neuen Verständnis der Komintern Frankreich und England. Die Regierungen dieser Staaten reagierten mit antikommunistischen Repressionen, von denen vor allem die KP Frankreichs betroffen worden waren. Die Zeitschrift der Kommunistischen Internationale „Die Welt“ berichtete zu dieser Zeit in jeder Nummer über antikommunistische Aktionen und die sich verschlechternde Situation der Arbeiterklasse und ihrer Organisationen in Frankreich, England, Skandinavien, den USA usw., während in dieser Hinsicht das nationalsozialistische Deutschland so gut wie überhaupt nicht erwähnt wurde. Abgesehen vom Antikommunismus der politischen Klasse muss wohl die entwürdigende Behandlung der in den französischen Lagern internierten Interbrigadisten auch mit der Politik der Sowjetunion und der Komintern in Verbindung gebracht werden, denn wenn plötzlich die freundschaftlichen Beziehungen zwischen der UdSSR und Hitlerdeutschland betont wurden, dann hatte z. B. die französische Regierung einen Vorwand, die pauschal als kommunistisch angesehenen Spanienkämpfer als Unsicherheitsfaktor anzusehen. Wie prinzipienlos die Politik der Kommunistischen Internationale auch gegenüber den internationalen Verteidigern der spanischen Republik war, die jetzt in französischen Konzentrationslagern darbten, zeigt ein mehrseitiger Aufruf von André Marty in der „Welt“ vom 8. März 1940. André Marty, von 1935 bis 1943 Mitglied des Präsidiums und des Sekretariats des EKKI, an der Spitze des Obersten Militärrates in Albacete stehend und mit der Leitung der Aufstellung der Internationalen Brigaden betraut, rief zur Solidarität mit den in Frankreich eingekerkerten Spanienfreiwilligen auf. Seine Ausgangsbasis war, dass Frankreich und England die Schuld an der Niederlage des spanischen Volkes hätten, weil sie keine Waffen geliefert hatten. Nicht Deutschland und Italien, die ja Waffen und Menschen nach Spanien geschickt hatten, wurden angeklagt, ja sie werden in dem Aufruf in diesem Sinne nicht einmal erwähnt. Im Gegenteil, Marty betont, wo die Kommunisten zu stehen hätten, denn „Der Krieg des englisch-französischen Imperialismus gegen Deutschland ist ein Krieg, dessen einziges Ziel es ist, den Besiegten auszuplündern und die Welt zu beherrschen … “[25]

Marty konnte sich dabei auf ein Interview der „Prawda“ mit Stalin im November 1939 beziehen, nachgedruckt in „Die Welt“ vom 7. Dezember 1939, S. 267, in dem dieser sagte, nicht Deutschland habe Frankreich und England überfallen, „sondern Frankreich und England überfielen Deutschland, indem sie die Verantwortung für den jetzigen Krieg übernahmen.“ Aussagen dieser Art können im Nachhinein nicht nur als Verrat an der Arbeiterbewegung und am antifaschistischen Widerstandskampf, sondern auch an den durch die französischen Behörden internierten Spanienkämpfern gewertet werden. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass Dimitroff ohne Erfolg mehrere Schreiben an den Sekretär des ZK der KPdSU (B) Andrejew richtete, um vor allem denjenigen Interbrigadisten die Einreise in die Sowjetunion zu erlauben, die bei der von der Komintern empfohlenen Rückkehr in ihre Länder von der Todesstrafe oder langer Haft bedroht waren. Am 20. August 1939 wandten sich Dimitroff und Manuilski brieflich an Stalin und berichteten, dass in französischen Lagern mehr als 6000 ehemalige Spanienkämpfer lebten, und sie baten „nach sorgfältiger Überprüfung wenigstens die Hälfte davon in die UdSSR einreisen zu lassen.“ Wadim Rogowin, der auf diesen Brief an Stalin aufmerksam gemacht hatte, schrieb, dass nur wenige in die Sowjetunion einreisen konnten, die Übrigen hätten grundlose und erniedrigende Ablehnungen hinnehmen müssen.[26]

So wie es zu Beginn des Spanischen Bürgerkriegs keine Erklärung der Kommunistischen Internationale gegeben hatte, so gab es auch keine, als dieser Bürgerkrieg mit einer Niederlage für die Republik und den Antifaschismus endete. Die Komintern hatte längst andere Prioritäten und Aufgaben. Die meisten Angehörigen der Internationalen Brigaden blieben aber, so sie überlebt hatten, ihren Idealen und ihrem Schwur auf die Spanische Republik treu, viele von ihnen kämpften weiter an den verschiedensten Fronten gegen den Faschismus und erlebten dessen Niederlage. Sie engagierten sich für eine demokratische und sozialistische Nachkriegsordnung in Europa, für viele muss der Zusammenbruch des realen Sozialismus ein tragisches Erlebnis gewesen sein. Sie kamen aus allen Schichten der Gesellschaft, waren Menschen mit Stärken und Schwächen wie alle anderen Menschen, aber sie waren auch Helden aus dem einfachen Grund, dass sie bereit waren, für ihre internationalistische Haltung ihr Leben zu opfern. Diese Bereitschaft und ihr Internationalismus sichert ihnen das Andenken gemeinsam mit vielen anderen, die sich für eine bessere Welt geopfert haben. Viele sollten durch den Stalinismus ein zweites Mal verraten werden und nun dem Terror der vermeintlich eigenen Genossen zum Opfer fallen. Auch an sie sollte gedacht werden, wenn über die internationalistische Dimension des Spanischen Bürgerkriegs gesprochen wird.

Dr. Werner Abel

 

[1] Pierre Frank, Geschichte der Komintern, Bd. 2, Frankfurt/M. 1981, S. 691
[2] Georgi Dimitroff, Tagebücher 1933–1943, Berlin 2000, S. 695
[3] Die Kommunistische Internationale vor dem VII. Weltkongress. Materialien, Moskau 1935, S. 255
[4] vgl. Mario Kessler, Heroische Illusion und Stalin-Terror, Hamburg 1999, S.14–15
[5] V. C. Die jüngsten Ereignisse und die nächsten Perspektiven der spanischen Revolution, Heft 9/1932, S.718–724
[6] Die Kommunistische Internationale vor dem VII. Weltkongress, a. a. O., S. 255
[7] ebenda, S. 264
[8] ebenda, S. 273
[9] Wadim S. Rogowin, Weltrevolution und Weltkrieg, Essen 2002, S. 144
[10] ebenda, S. 147
[11] Theodor Bergmann, Die Volksfront – Hoffnungen und Enttäuschungen, in: Klaus Kinner (Hrsg.), Die Chancen der Volksfront, Leipzig 2006, S. 50
[12] Dimitroff, Tagebücher, a. a. O, S. 127
[13] ebenda, S. 143
[14] ebenda, S. 154
[15] ebenda, S. 171
[16] ebenda, S. 211
[17] ebenda, S. 136
[18] Pierre Frank, Geschichte …, a. a. O., S. 686
[19] Friedrich Firsow, Geheimtelegramme der Komintern im Spanischen Bürgerkrieg, in: Forum, Heft 1/1999, S. 93
[20] ebenda, S. 102
[21] ebenda, S. 105
[22] ebenda, S. 109
[23] ebenda, S. 112
[24] Die Welt, Stockholm, 8. März 1940, S. 238
[25] vgl. Wadim S. Rogowin, a. a. O., S. 163
[26] ebenda
Redaktion KFSR

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