Grenzüberschreitender Antifaschismus 1933 – 1945 – Ein Stolperstein für Klein-August. Von Rien Dijkstra. (Rede und Presseecho)

Grenzüberschreitender Antifaschismus 1933 – 1945 -Ein Stolperstein für Klein-August

Von Rien Dijkstra.

Auf Initiative des Vereins „Ubbo-Emmius-Gesellschaft“ wurde in Emden (Niedersachsen), in der Brückstraße 29, dem Spanienkämpfer Augustus Kraak ein Stolperstein gewidmet. Dieses Denkmal wurde am Sonnabend, dem 10. Juni 2017, eingeweiht.

Das Leben von August Kraak, Spitzname Klein-August, ist eines von vielen Beispielen des internationalen Engagements im Kampf für demokratische Rechte, Gleichheit, sozialen Fortschritt und gegen den Faschismus.

Nach Hitler’s Machtübernahme 1933 flohen viele Menschen ins Ausland. Oft wurden sie ohne Papiere über die Grenze in Nachbarländer geschmuggelt. Dies geschah auch an der Grenze zu Groningen. Sie überquerten die Grenze illegal bei Nieuw Statenzijl, Delfzijl, Bellingwolde und anderswo. Gelang es den politischen Flüchtlingen, nach Holland zu flüchten, wurden sie dort illegal untergebracht und setzten ihren illegalen Kampf gegen das Hitler-Regime fort. In Zusammenarbeit mit holländischen Organisationen unterstützten sie den Widerstand in den Niederlanden gegen Deutschland. In Holland unterlagen diese Menschen dem Risiko, verhaftet zu werden, und wurden durch Deutschland in ihrem Leben bedroht. Manche dieser politischen Flüchtlinge gingen nach Spanien, nachdem der spanische Bürgerkrieg ausgebrochen war. Und später, wenn sie diesen Kampf überlebt hatten, setzten sie ihren Kampf gegen den Faschismus an vielen Orten Europas gemeinsam mit Gruppen unterschiedlicher Nationalitäten fort.

So auch August Kraak und August Levin.

August Kraak

Während der Weltwirtschaftskrise Ende der 1920-iger Jahre kamen viele Seeleute, auch Strandgänger genannt, nach Emden. So auch August Kraak aus der Nähe von Königsberg in Ostpreußen.. Er war in Emden politisch aktiv und kämpfte in der Region gegen die Faschisten. Nach Hitler’s Machtübernahme half August Kraak, politische Flüchtlinge über die Grenze zu bringen. Im Frühjahr 1933 wurde er jedoch verhaftet und in ein Konzentrationslager verschleppt, wo er schwer gefoltert wurde. Doch Ende Oktober wurde er freigelassen und kam nach Emden zurück. Viele Kommunisten wurden verhaftet. Jakob Pfarr wurde zum Gebietsleiter berufen. Am Vorabend des Reichstagsbrandes wurde das Gebiet von Bremen bis zur dänischen Grenze dem KPD-Bezirk Nordwest zugeschlagen. Jakob Pfarr, der in Bremen im Schiffbau tätig war, arbeitete als Kurier.

Kraak stellte Kontakte mit Oldenburg und Bremen sowie dänischen und skandinavischen Häfen her. Neben dem Schutz von Parteimitgliedern und dem Verteilen illegaler Zeitungen und Publikationen wurden auch Menschen direkt aus Leer, Oldenburg oder Emden in die Niederlande geschleust. Während einer Verhaftungswelle in Emden flieht August nach Delfzijl. Hier arbeitet er eng mit der Internationalen Roten Hilfe (IRH) (Groningen) zusammen.

Die Führung der KPD-Emigranten in den Niederlanden befand sich in Amsterdam. Sie arbeitete eng mit der nationalen Leitung der Internationalen Roten Hilfe (Jan Postma) und der holländischen Kommunistischen Partei zusammen. Nachdem die Flüchtlinge in Sicherheit gebracht worden waren, prüfte die Internationale Rote Hilfe noch, ob die Flüchtlinge tatsächlich diejenigen waren, für die sie sich ausgegeben hatten. Entscheidungen über das Schicksal der Flüchtlinge wurden nicht allein in Groningen getroffen, sondern auch durch den Leiter der Internationalen Roten Hilfe in Amsterdam. Ab 1933 war Friedel Baruch dafür verantwortlich, seit 1935 war dies Anton Winterink. In der Grenzregion von Groningen waren dafür Frans Olfers und August Kraak zuständig.

Ursprünglich lag die Leitung der Groninger KPD-Emigranten in den Händen von August Kraak, später kam Erich Bohlen hinzu. Durch den Schiffsverkehr hatte Delfzijl augenscheinlich vielfältige Kontakte mit Emden und diese wurden nunmehr für die illegale Arbeit genutzt. Die illegale KPD in Groningen unternahm verschiedene Versuche, Fotos von den Konzentrationslagern im Emsland zu machen. Holländische Leute wurden an die Grenze geschickt, um Bilder aufzunehmen. Anschließend wurden Kamera und Filmrollen an August Kraak übergeben. Eine enge Zusammenarbeit entwickelte sich mit den Papenburg-Komitees in Groningen und dem Wuppertaler Komitee. Letzteres erhob Anklage gegen die Massenprozesse in Wuppertal, wo mehr als eintausend Antifaschisten vor Gericht gezerrt wurden. Früher, 1934, erschien die Broschüre „Die Hölle von Papenburg, Enthüllungen eines sozialdemokratischen Arbeiters“ über die Emsland-Lager, die durch holländische Kommunisten gedruckt und vertrieben wurde.

Die illegalen Verbindungen nach Deutschland waren nicht auf die Grenzregion beschränkt. Im Sommer 1936 wurde Ella Hazenberg zum Beispiel beauftragt, KPD-Mitgliedern in Hamburg Geld zu bringen. Geldströme gab es auch in umgekehrter Richtung. Nach dem Ausbruch des spanischen Bürgerkrieges dehnt sich die Arbeit weiter aus und Hendrik Zandstra holte Geld aus Emden für die Internationale Rote Hilfe in Groningen: “Als der spanische Bürgerkrieg im Sommer 1936 ausbrach, beschlossen die Kommunisten in Emden, den Rotspaniern Gelder zur Unterstützung zu zahlen. Im August sammelte Wagner’s Weisheit, die Witwe Staub 100 Reichsmark bei Karl Wagner und übergab es den Verantwortlichen mit der Maßgabe der Übermittlung an den Spanienfonds der Roten Hilfe (persönliches Archiv Wendt) in Delfzijl“. Dieses Geld wurde an August Kraak übermittelt, der versprach, es nach Spanien weiterzuleiten.

Kraak kommt im Dezember 1936 nach Spanien und schließt sich den Internationalen Brigaden an. Zuerst war er in der 15. Internationalen Brigade, später als Gefreiter in der 11. Interbrigade, dem Ernst-Thälmann-Bataillon, an der Jarama-Front, anschließend kam er zur 35. Division zurück. Nach dem Ende des Einsatzes der Internationalen Brigaden bat die spanische Regierung erneut um Schutz der spanischen Flüchtlinge gegen die Angriffe der Franco-Truppen, den “zweiten Versuch“. Um diese Zeit herum, Anfang 1939, ist er wieder in der 11. Brigade. Er wird im französischen Durchgangslager St. Cyprien, später im Lager Gurs und in Argeles-sur-Mer interniert. Ende 1940 flieht er aus der Festung Mont Louis. Der Kampf geht weiter. Am 30. April 1941 erreicht er Toulouse, von wo ihn die illegale Parteiorganisation nach Septfon schickt. Dort wird er leider einige Tage später verhaftet. Am 14. Juni wird er nach Montauban überstellt und zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Erfolgreich legt er Berufung gegen das Urteil ein und wird nach einem Zwischenaufenthalt in Toulouse/St. Michel am 14. Februar 1942 freigelassen.

Es gibt eine erneute Verhaftung und eine weitere Flucht nach Toulouse, wo er letztendlich in Paraqueul landet und bis 1943 im Wald lebt. Die Gestapo verschleppt ihn nach Mondonville. Am 29. Mai 1944 wurde er beauftragt, nach Colombiers zu gehen, um in der lokalen Vereinigung der deutschen Widerstandskämpfer mitzuwirken und mit der Resistance zusammenzuarbeiten. Hier ist Kraak bis zur Befreiung von Toulouse tätig. 1945 kehrt Kraak nach Emden zurück. Seine Gesundheit zahlte einen hohen Tribut für all seine Wanderschaften: er bekam Tuberkulose und wog nur noch 40 kg. Rasch stirbt er.

Von Groningen aus sammelt Rolf Schuster, der gerade aus Buchenwald zurückgekehrt war, Geld. Mit diesem Geld errichteten die Groninger am Grab von August Kraak in Emden ein Denkmal für diesen unvergesslichen Genossen, der in den Jahren in Groningen für viele Flüchtlinge eine solch wichtige Rolle gespielt hatte.

August Levin

Unter den Emigranten war noch ein anderer August, August Levin. Er war einer der beiden Gefangenen, die im November 1933 aus dem Konzentrationslager Neusustrum, einem der Emslandlager, unter dem Vorwand des Torfstechens geflohen waren. Im November 1933 trifft er den kommunistischen Leiter Geert Sterringa. Die deutsche Kommunistische Partei (KPD) hatte damals Unterstützungspunkte in den Niederlanden, wie in Heerlen und Groningen, und schafft u.a. Material aus Delfzijl nach Deutschland. August Levin wird dieser Arbeit zugeteilt. Von 1931 bis 32 war er an der Parteischule in Moskau und wurde als „Vertrauensmann“ in Amsterdam-Centrum eingesetzt. 1934 wurde Levin an die Grenze versetzt und war direkt am Schmuggel illegaler Literatur nach Deutschland beteiligt. Später, im Oktober 1936, geht er nach Spanien, wo er im Tschapajew-Bataillon kämpft.

1938 erkrankt August und begibt sich zur Behandlung nach Frankreich. Die Internationalen Brigaden wurden im Oktober 1938 aufgelöst und er ging in die Niederlande. Wegen des spanischen Bürgerkriegs, der Annexion von Österreich und dem Sudetenland übte Deutschland noch mehr Druck auf die holländische Regierung aus und die Auslandspolizei intensivierte die Verfolgung deutscher politischer Flüchtlinge.

Levin ist zu dieser Zeit bei der Gruppe illegaler KPD-Emigranten angestellt. In der Amsterdamer Führung ist der ehemalige Spanienkämpfer Eugen Schwebinghaus Betreuer und Verbindungsoffizier gefangener deutscher Emigranten. Nach der deutschen Invasion in den Niederlanden wurde der 37-jährige Eugen am 23. April 1943 in Amsterdam verhaftet und durch den Volksgerichtshof zum Tode verurteilt. In einem Abschiedsbrief an seine Familie schreibt er: „Möge die Zukunft für Euch glücklicher sein als die Gegenwart.“ Am 24. August 1944 wurde er im Gefängnis Bruchsal hingerichtet.

Während des Zweiten Weltkriegs, bis 1945, unterstützte August Levin die illegalen deutschen Emigranten und sammelte Spenden für den Widerstand. In Den Haag arbeitete er mit seiner künftigen Frau Joanna zusammen, die als Verbindungsfrau zwischen der KPN und der Gruppe deutscher Emigranten tätig war. 1945 gingen beide nach Ostdeutschland.

Würdigung

Die Initiative der Stolpersteine für August Kraak ist eine Anerkennung der Geschichte vieler Menschen, die in jener Zeit grenzüberschreitend gegen den Faschismus zusammenarbeiteten. Eine Initiative, die einen höheren Bekanntheitsgrad und eine größere Beachtung verdient.

Quellen:

• Ruud Weijdeveld (red.), Rode Hulp De opvang van Duitse vluchtelingen in
Groningerland – 1933-1940, 1986
• Ruud Weijdeveld, Het communistische verzet in Groningen – 1940-1945, 2014
• Werner Abel/Enrico Hilbert: »Sie werden nicht durchkommen«. Deutsche an der Seite der Spanischen Republik und der sozialen Revolution. Bd. 1. Edition AV, 2015
Hans-Gerd Wendt, In Erinnerung an August Kraak, Ubbo Emmius Gesellschaft
• Aanklacht van 5 november 1941 tegen Hendrik Zandstra, persoonlijk archief van
Hans-Gerd Wendt

Weitere Links:

http://www.ubbo-emmius-gesellschaft.de/
https://www.emden.de/kultur/stolpersteine/opfer-in-emden-biografien/
http://www.geertsterringastichting.nl

Übersetzung: „jowi-uebersetzungen.de“.

Rede Dirk Akkermann von „Geert Sterringa Stichting“ in Groningen, eine Stiftung, die sich mit Widerstand vor und nach der deutschen Besetzung beschäftigt. Hier: AUGUST KRAAK in den Niederlanden (1)

Presseecho:

  • Aus: junge Welt, 14.06.2017, Antifa, Seite 15; Download: Kraak Spanienkämpfer Stolperstein jw-2017-06-14
  • Emder Zeitung, 12.06.2017, Steine für Verfolgte des Naziregimes, Download:

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  • Ostfreisische Zeitung, 12.06.2017, Kurzes Innehalten gegen das Vergessen

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Redaktion KFSR

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