Unsere Fahne

Im spanischen Bürgerkrieg 1936 – 1939 gab es auf Seiten der Republik zwar keine Orden und sonstigen Auszeichnungen, aber die militärischen Einheiten verfügten über Fahnen.

So auch die XI. Internationale Brigade, die im Frühling 1937 eine von Madrider Frauen reich bestickte, in den Farben der Republik rot-gelb-violett gehaltene, seidene Fahne überreicht bekam. Die Inschrift lautete „11. Brigada“ und „Al frente popular de Madrid – Al frente popular del mundo“. Diese Fahne wurde von dem Brigadekommando als Wanderfahne jenen Bataillonen als Auszeichnung anvertraut, die sich in den jeweiligen Kämpfen besonders bewährt hatten. Im Sommer 1938, nach den schweren Abwehrkämpfen um Aragon und vor Beginn der Ebroschlacht, wurde das vierte Bataillon, das österreichische Bataillon „12. Februar 1934“ mit der Übergabe der Brigadefahne geehrt. Während der schweren und opferreichen Schlachten im Ebrobogen befand sich die Fahne in der Kleinstadt Falset. Nach dem Ausscheiden der Interbrigadisten Anfang Oktober 1938 aus der Frontlinie und ihrer Demobilisierung kam es in dem abgelegenen Bergdorf Gratallops zu bewegten Abschiedsszenen von den spanischen Kameraden. Wir blieben zurück und mit uns die Brigadefahne in Gratallops, die spanischen Brüder gingen wieder in die Schützengräben an der Ebrofront.

Rückzug der Fahne

Die Fahne nahm am 28. Oktober 1938 an der Abschiedsparade der Internationalen in Barcelona teil und kommt anschließend mit den Österreichern nach Bisaura de Ter, einem größeren Dorf in den katalanischen Pyrenäen. Dort wird sie dem Spanienkämpfer Ferdinand Barth anvertraut, der sie wie einen Augapfel hütete und mit ihr die Rückzugsgefechte der Internationalen bis zur französischen Grenze mitmacht.

Vor dem Überschreiten der französischen Grenze am 9. 2. 1939, vor dem schmerzlichen Abschied der uns so teuren spanischen Erde, wickelt sich Ferdl Barth die Fahne um seinen Körper. Er zieht seine alten Uniformstücke darüber und kommt so ohne Probleme nach Frankreich.

Von der Grenze ging es dann 35 Kilometer weit bis zur Meeresküste, bis zum Sandstrand von St. Cyprien. Dort wurde auf Wunsch von Barth die Fahne zwischen zwei leichte Decken eingenäht und als Bettdecke in St. Cyprien, Gurs und im Lager Argeles benutzt. Von den in Toulouse befindlichen führenden Funktionären der KPÖ wurde der Leiter der nun in Argeles internierten Spanienkämpfer Max Stern ersucht, das Lager illegal zu verlassen und auch Toulouse zu kommen. Max Stern erfüllte diesen Wunsch und nahm auch die Fahne nach Toulouse mit.

Die Fahne in Toulouse

Hans Kuney, ein Spanienkämpfer aus Kärnten, von Beruf Schneider, nähte die Fahne schließlich in einen schweren Mantel ein, und so gelang es Max Stern, die Fahne nach Toulouse zu bringen. Dort wurde Anni Pecenik mit der Aufbewahrung dieses so kostbaren historisch wertvollen Seidenstoffes beauftragt. Sie ließ die Fahne von Franzi Gruber, einer Österreicherin aus Lilienfeld, wieder zwischen zwei cremefarbene Decken nähen und mit einem blauen Seidenband umfassen. Die Fahne – das heißt die Decke – wurde dann weitergegeben an Gerti Schindel und Mali Fritz.

Im April 1940 werden beide Frauen verhaftet. Die Decke bleibt in der Wohnung von Mali. Über das weitere Schicksal der Fahne soll Mali Fritz selbst berichten: „Gerti Schindel hat gesagt, die Decke wird dringend gebraucht, wir können ruhiger sein, wenn wir sie hier hätten… Wie ich zum Verhör gekommen bin, hab ich sofort aufgespielt… Da hab ich dem Untersuchungsrichter gesagt, das ist doch unglaublich, ich werde hierher geschleppt, habe keine Ahnung wie lange ich bleiben muss und verfüge nicht einmal über eine Zahnbürste… Stell dir vor, schließlich schickt er mich mit zwei Polizisten nach Hause, damit ich mir die Zahnbürste holen kann. In meinem Mansardenzimmer angelangt sagte ich zu dem Polizisten, „wissen sie was, ich nehme auch die Decke mit“. Sie waren einverstanden und so kommt die Fahne ins Gefängnis.

In Haft

In der Haftanstalt von Montauban musste die Fahnendecke ins Depot. Im Oktober 1941 wurde beiden Frauen der Prozess gemacht, beide schließlich freigesprochen. Vor der Überstellung nach dem Internierungslager Rieucort erhielt Mali die Fahnendecke zurück und sie bleibt bei ihr im Lager bis Weihnachten 1941.

Eines Tages wurde Mali Fritz mitgeteilt, dass die Decke in Sicherheit gebracht werden müsste. Am Heiligen Abend kriecht Mali deshalb mit der um ihren Leib gewickelten Decke durch den Stacheldrahtzaun, sie wird von dem Spanienkämpfer Fritz Weiß erwartet. Er übernimmt die Fahnendecke und Mali kriecht ins Lager zurück. Fritz Weiß gelang es schließlich, die Fahne ohne Schwierigkeiten mit der Eisenbahn nach Marseille zu bringen. Dort übernahm sie die Genossin Acht. Von Marseille wurde sie 1942 nach Lyon in die Wohnung der Familie Kessler transportiert.

Im Juli 1944 wurde die Familie Kessler von der Gestapo verhaftet. Der Sohn wurde ermordet, Frau Kessler ist gleichfalls umgekommen und Paul Kessler sollte nach Deutschland geschickt werden. Es gelang ihm, aus dem nach Deutschland fahrenden Zug zu flüchten und sich bis zum Rückzug der Nazis aus Frankreich durchzuschlagen.

Unter Partisanen

Im Oktober 1944 sucht Kessler seine ehemalige Wohnung in Lyon auf. Sie war in einem chaotischen Zustand, die Möbel zerschlagen, Mist in allen Ecken, aber in einem dreckigen Winkel lag verschmutzt und doch unversehrt die Decke. Als im Spätherbst 1944 eine Gruppe von Österreichern von Frankreich zu den Partisaneneinheiten nach Jugoslawien reiste, nahmen Othmar Strobl und der ehemalige Politkommissar des Februarbataillon, Zalel Schwager, die Fahne mit. Sie war bei den österreichischen Freiheitsbataillonen gut aufbewahrt und fuhr mit ihnen im Frühjahr 1945 in die Heimat nach Österreich. Am 12. Mai 1945 wurde sie beim Marsch des Bataillons über die Wiener Ringstraße mitgetragen und anschließend von der „Vereinigung österreichischer Freiwilliger in der spanischen Republik 1936 – 1939“ aufbewahrt.

Alois Peter
(Aus „Spanien heute“ – Ein Informationsmaterial der Österreichischen Spanienkämpfer)

 

Notwendige Bemerkung

Eine Kopie der Fahne der XI. Brigade befand sich im Besitz der AG Spanienkämpfer des IVVdN. Als die Leitung dieser AG ihre Arbeit einstellte, wurde unserem Verein diese Fahne als Staffelstab übergeben.