Mielke war kein Mann aus dem Komintern-Apparat und hatte weder die Funktion noch die Möglichkeit, sich an der Verfolgung Andersdenkender zu beteiligen. Von Werner Abel.

In den letzten Tagen wurden im „neuen deutschland“ [Carsten Fuchs, »Die Tragödie der Freiheit«, 12.7.2017, S.18] und im Blog des „Freitag“  [Peter Nowak, »Tragödie der Spaltung«, 14.7.2017] Rezensionen über die Sondernummer des „Telegraph“, die der Ausstellung „Die Tragödie der Freiheit“ gewidmet ist, veröffentlicht. In ihnen befindet sich ein Satz, dessen Inhalt sich seit Jahrzehnten durch die Presse und Literatur schleppt und dem zu Folge Erich Mielke in Spanien an der Liquidierung Andersdenkender beteiligt gewesen wäre.

Die Redaktion veröffentlicht nachstehend einen gemeinsam von Werner Abel und Hans-Jürgen Schwebke verfassten Leserbrief an „neues deutschland“, der in gleichnamiger Zeitung am 18.7.2017 veröffentlicht wurde. Nicht unerwähnt bleiben soll die Haltung Werner Abels, der von seiner Biographie her wahrlich keinen Grund hat, sich irgendwie für Mielke zu verwenden, aber von sich sagt: „Als Historiker muss ich aber objektiv bleiben“. Zugleich muss auf einen Artikel Werner Abels unter dem Titel „Der Tod Hans Beimlers und die Reaktionen der KPD-Abwehr in Spanien“, hingewiesen werden, in dem er versucht, die Legenden um Mielkes geheimdienstliche Aktivitäten im Spanischen Krieg 1936-1939 zu dekonstruieren.

Die Redaktion dokumentiert den Leserbrief und anschließend die zwei Rezensionen (nd; Freitag) nachstehend. In der „jungen Welt“ erschien am 3.7.2017 eine Rezension von Ronald Weber unter dem Titel: „Spaniens Himmel
Neuer Ausstellungskatalog über den Kampf für die Zweite Republik erschienen“.

„neues deutschland“ (nd), Berlin-Ausgabe und Bundesausgabe, Leserbriefe, vom Dienstag, 18. Juli 2017, Seite 18

Kein »Apparatemann«

Zu »Die Tragödie der Freiheit«, 12.7., S.18

Im Beitrag heißt es: »Mit Erich Mielke, der unter dem Pseudonym Fritz Leissner an der Verfolgung von kritischen Linken in Spanien beteiligt war, wird einer der Männer aus dem Komintern-Apparat vorgestellt.«

Mielke war kein Mann aus dem Komintern-Apparat und hatte weder die Funktion noch die Möglichkeit, sich an der Verfolgung Andersdenkender zu beteiligen. Ein »Apparatemann« der Komintern war Erich Mielke nicht, wenn er auch über die Komintern nach Spanien geschickt wurde. Aber das wurden Hunderte Emigranten, die in der Sowjetunion gelebt hatten, auch. Der größte Teil derer, die sich auf der »Liste der Mexikaner« befinden – »Mexiko« war die Tarnbezeichnung für die Sowjetunion, also wurden die, die von dort kamen, als »Mexikaner« bezeichnet – hatte weder mit Geheim- noch mit Nachrichtendiensten etwas zu tun. Überdies: Wäre Mielke ein Mann sowjetischer Dienste gewesen, dann hätte man ihn nach dem Spanienkrieg in die Sowjetunion geholt. So aber landete er in einem französischen Internierungslager, das er nur durch von Alfred Krumme (»Fritz Schiller«) gefälschte Papiere verlassen konnte.

Alle die immer wieder auftauchenden Vorwürfe, er habe an der Verfolgung und Ermordung von Interbrigadisten, kritischen Kommunisten und Andersdenkenden teilgenommen, lassen sich nach der Öffnung der Akten nicht aufrechterhalten. In den Akten der Internationalen Brigaden, die nahezu vollständig überliefert sind, gibt es nicht ein Blatt, das von irgendeiner repressiven Maßnahme berichtet, an der Mielke beteiligt gewesen wäre. Mielke gehörte keinem Geheimdienst und keiner Geheimpolizei in Spanien an. Selbst der in Spanien wirkenden geheimen KPD-Abwehr gehörte er nicht an. Für die ihm vorgeworfenen Verbrechen hat er weder die Funktion noch die Möglichkeiten gehabt. Mielke war auf Grund seiner Dienststellung und seiner militärischen Funktionen überhaupt nicht in der Lage, an irgendeiner »Säuberung« oder einer Erschießung teilzunehmen.

Soweit das die Akten belegen, kann wohl definitiv festgestellt werden, dass im Spanischen Krieg 1936 bis 1939 von den deutschen Interbrigadisten zwei standrechtlich erschossen worden sind: Einer, weil er einen Befehl nicht ausgeführt und damit Kameraden in Gefahr gebracht hatte. Ein anderer, weil er dagegen opponierte, dass das durch den Kriegsminister Prieto erlassene Verbot parteipolitischer Betätigung vor allem durch die KPD-Organisation in den Brigaden unterlaufen wurde. In der Endkonsequenz lief das, folgt man der Urteilsbegründung, auf Untergrabung der Kampfmoral hinaus. Damit aber hatte Mielke absolut nichts zu tun, er gehörte weder dem Servicio de Control, noch dem SIM (Servicio de Investigación Militar) der Internationalen Brigaden, noch der Juristischen Kommission der Brigaden an.

Er war Operationsoffizier im Stab verschiedener Brigaden und der 27. Division, die längste Zeit aber Verantwortlicher für die Ausbildungslager der Internationalen Brigaden rings um Albacete, wo sich die Base der Brigaden befand. In Albacete war Mielke Adjutant des Chefs der Ausbildung, also mehr mit operativen Aufgaben beschäftigt, nicht aber mit Verhören. Da er für die Belegung der Ausbildungslager verantwortlich war, wird er sich schon die Personallisten intensiver angeschaut und den einen oder anderen auch befragt haben. Mit Geheimdiensttätigkeit hatte das nichts zu tun. Für diese gibt es keine Belege. Dass er bestimmte Leute, die ihn über den Weg liefen, wie Walter Janka, kritisch befragte, ist möglich, war aber nicht seine Aufgabe gewesen.

Ausführlich wird auf diese Thematik auch eingegangen im Beitrag Werner Abels »Der Tod Hans Beimlers und die Reaktionen der KPD-Abwehr in Spanien« (www.kfsr.info)

Dr. Werner Abel, Oberschöna

neues deutschland, Von Carsten Fuchs, 12.07.2017, Bewegung

Die Tragödie der Freiheit

Der »telegraph« zeigt einen exemplarischen Umgang mit linken Kontroversen

War es eine spanische Revolution oder ein spanischer Bürgerkrieg? Allein die Bezeichnung spaltet auch noch 80 Jahre später die Linke. Einigkeit besteht nur über die schlichte Erkenntnis, dass die Ereignisse auf der iberischen Halbinsel zwischen 1936 und 1939 weltweite Auswirkungen hatten.

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Wie wir alle wissen beteiligten sich Linke unterschiedlicher Couleur in Spanien am Kampf gegen die rechten Putschisten. Die vielen Freiwilligen wollten damit auch den Vormarsch der Nationalsozialisten und Faschisten auf dem Kontinent stoppen, die hinter den spanischen Putschisten standen und sie großzügig förderten.

Doch während Kommunisten und Teile der Sozialisten die bürgerliche Republik erhalten wollten, stritten Anarchisten und Teile der Sozialisten für die soziale Revolution. Die Differenzen wurden auch blutig ausgetragen und spalten die Linke bis heute.

Jetzt macht die Redaktion der Zeitung »telegraph« in einem Sonderheft auf knapp 200 Seiten deutlich, dass man nach 80 Jahren allen an den Kämpfen gegen den Franco-Faschismus Beteiligte würdigen kann, ohne beliebig zu werden. Schon der zwiespältige Titel »Tragödie der Freiheit – Revolution und Krieg in Spanien (1936-1939)« deutet auf die unterschiedlichen im Heft dargestellten Perspektiven der an der Auseinandersetzung beteiligten hin.

In einem Text wird auf die repressive Politik der Komintern gegen andere Linke eingegangen. So beschreibt Werner Abel ein »trauriges Kapitel« in der Geschichte der Komintern, die mit Schwarzen Listen Jagd auf linke Kritiker der stalinistischen Politik machte. Es werden Originaldokumente gezeigt.

Am Beispiel des Sozialdemokraten Robert Stemmann zeigt Abel, wie Linke, die nicht auf der Linie der Sowjetunion lagen, schikaniert wurden. Stemmann wurde kurz nach dem Eintreffen in Spanien verhaftet. Es wird dokumentiert, wie er vergeblich seine Freilassung forderte und wenigstens wissen wollte, was gegen ihn vorlag. Mit Erich Mielke, der unter dem Pseudonym Fritz Leissner an der Verfolgung von kritischen Linken in Spanien beteiligt war, wird einer der Männer aus dem Komintern-Apparat vorgestellt.

Doch auch mit der anarchistischen Seite gehen die Autoren des Sonderbandes kritisch ins Gericht. So werden inneranarchistische Stimmen zitiert, die von einem Bankrott der eigenen Politik sprachen. Vorgeworfen wurde ihnen, dass sie in der kurzen Zeit ihrer Regierungsbeteiligung, viele ihrer ursprünglichen Grundsätze über Bord geworfen hätten. Mit einem Kapitel über die Beteiligung von Jüdinnen und Juden am Kampf gegen den Faschismus auf spanischen Boden wird auch ein bisher in der Forschung wenig beachtetes Thema angesprochen.

Die von linken DDR-Oppositionellen gegründete Zeitschrift »telegraph« macht mit diesem Heft exemplarisch deutlich, wie ein Umgang mit linken Geschichtskontroversen auch aussehen kann. Es werden klare Positionen bezogen, ohne den am Kampf Beteiligten abzusprechen, dass sie subjektiv Teil des weltweiten Kampfes gegen Faschismus waren.

telegraph, Sondernummer 2017: Tragödie der Freiheit. Revolution und Krieg in Spanien (1936-1939). Fragmente. 199 S., 12 Euro

 

Ein Blog-Beitrag von Freitag-Community-Mitglied Peter Nowak, 14.07.2017 | 16:18

Tragödie der Spaltung

telegraph Die aktuelle Doppelausgabe der Zeitschrift der linken DDR-Opposition beschäftigt mit der spanischen Revolution und der innerlinken Spaltung.

In den letzten Monaten war der Eingang des Hauses der Demokratie (HdD) in Berlin mit vielen Plakaten beklebt, auf denen politische Statements zu lesen waren? Erstaunlich, denn das einst von der linken DDR-Opposition gegründete Haus ist längst zum Domizil von Nichtregierungsorganisationen gewesen, die den politischen Protest mit Wandzeitungen nicht zu ihren bevorzugten Aktionsmittel zählen.

Doch bei der ungewöhnlichen Wandausstattung handelte sich um den ersten Teil einer Ausstellung über ein historisches Ereignis, vom dem ein Teil der Linken als spanische Revolution und ein anderer als spanischer Bürgerkrieg spricht. Allein die Bezeichnung spaltet auch 80 Jahre später noch die Linke. Einigkeit besteht nur darin, dass die Ereignisse auf der iberischen Halbinsel zwischen 1936 und 1936 weltweite Auswirkungen hatten. Deshalb beteiligten sich Linke unterschiedlicher Couleur in Spanien am Kampf gegen die rechten Putschisten. Sie wollten damit auch den Vormarsch des Nationalsozialismus und Faschismus stoppen, die hinter ihnen standen und sie großzügig förderten. Doch während Kommunist_innen und Teile der Sozialist_innen die bürgerliche Republik erhalten wollten, stritten die in Spanien starken Anarchist_innen und der linke Flügel Sozialist_innen für die soziale Revolution. Die Differenzen wurden auch blutig ausgetragen und spalten die Linke noch heute. Jetzt macht die Redaktion der Zeitung telegraph in einem Sonderheft zur bereits beendeten Ausstellung deutlich, dass man nach 80 Jahren alle an den Kämpfen gegen den Franco-Faschismus beteiligten würdigen kann, ohne beliebig zu werden.

Repressive Politik der KomIntern angeprangert und die Kommunist_Innen doch gewürdigt

Schon im Titel „Tragödie der Freiheit – Revolution und Krieg in Spanien (1936 – 1939)“ wird deutlich, dass knapp 200 Seiten die unterschiedlichen Perspektiven der an der Auseinandersetzung beteiligten dargestellt werden. Am Titelblatt wird ein kämpferisches Bild reproduziert, dass Werbung für die Internationalen Brigaden machte und in einen Archiv der Kommunistischen Internationale in Moskau gefunden wurde. In anderen Texten wird auf die repressive Politik der Komintern gegen andere Linke eingegangen. So beschreibt Werner Abel ein „trauriges Kapitel“ in der Geschichte der KomIntern, als sie mit Schwarzen Listen auf die Jagd auf linke Kritiker der stalinistischen Politik machte. Dabei werden auch bisher unveröffentlichte Originaldokumente gezeigt. Am Beispiel des Sozialdemokraten Robert Stemmann zeigt Abel, wie Linke, die nicht auf der Linie der Sowjetunion lagen, schikaniert wurden. Er wurde kurz nach dem Eintreffen in Spanien verhaftet. Erstmals wird dokumentiert, wie er vergeblich seine Freilassung forderte und wissen wollte, was gegen ihn vorlag. Über sein weiteres Schicksal ist nichts bekannt.

Mielke beteiligte sich schon in Spanien an der Verfolgung von Linken

Mit Erich Mielke, der unter dem Pseudonym Fritz Leissner an der Verfolgung von kritischen Linken in Spanien beteiligt war und Valentin Gonzalez, der sich später vom Stalinisten zum militanten Antikommunisten wandelte, werden zwei Männer aus dem Komintern-Apparat vorgestellt. Doch auch mit der anarchistischen Seite gehen die Autoren des Sonderbandes kritisch ins Gericht. So werden inneranarchistische Stimmen zitiert, die von einem Bankrott der eigenen Politik sprachen. Vorgeworfen wurde ihnen, dass sie in der kurzen Zeit ihrer Regierungsbeteiligung viele ihrer ursprünglichen Grundsätze über Bord geworfen hätten. Mit einem Kapitel über die Beteiligung von Jüdinnen und Juden am Kampf gegen den Faschismus auf spanischen Boden wird auf ein bisher in der Forschung wenig beachtetes Thema angesprochen. Die von linken DDR-Oppositionellen gegründete Zeitschrift telegraph macht so mit dem Sonderheft zu Spanien deutlich, wie ein Umgang auch mit den Kontroversen mit linker Geschichte aussehen kann. Es werden klare Positionen bezogen, doch keiner der am Kampf Beteiligten wird abgesprochen, dass sie subjektiv Teil des weltweiten Kampfes gegen Faschismus waren. Sie stehen damit in der Tradition von Peter Weiss, der in seinen Monumentalwerk „Ästhetik des Widerstands“ die tragische Spaltung der Linken während der spanischen Revolution in den Mittelpunkt stellte. Auch Weiss zeigt, dass auch der Teil der autoritären Kommunist_innen, der an der Verfolgung anderer Linker beteiligt war, subjektiv meinten, einen Beitrag gegen Vormarsch von NS und Faschismus zu leisten. Das die Utopien, die vor 80 Jahren Millionen Menschen zur Solidarität mit der spanischen Revolution motiviert haben, heute noch immer aktuell sind, zeigen die zeitgenössischen Zitate, die für einige Wochen am Eingang des HdD zu lesen waren. Ein in einer anarchosyndikalistischen Gewerkschaft organisierte Arbeiter sagte 2012 in einem Film über die Zeit der Revolution: „Wir bewiesen, dass wir ohne Ausbeuter nicht mehr ausgebeutet würden und in einer Gesellschaft leben könnten, wie es sich gehört“. Dieses Motto sollten sich heutige Linke zu Eigen machen. Daher hätte es auch nach dem Ende der Ausstellung am Eingang des HdD und an anderen oppositionellen Orten stehen können.

Peter Nowak

Die telegraph-Sonderausgabe zum spanischen Bürgerkrieg kann bestellt werden über: http://telegraph.cc/

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.

Redaktion KFSR

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